Hinterbliebenenrente nur bei erwiesenem Arbeitsunfall

Verliert ein Beschäftigter durch einen Arbeitsunfall sein Leben, so erhält der hinterbliebene Ehegatte nach dem Gesetz  eine Hinterbliebenenrente. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls trifft allerdings den Hinterbliebenen die volle Beweislast.

Der Ehemann der Klägerin war bei einem städtischen Furnierwerk beschäftigt und dort im Dreischichtbetrieb tätig. Seine Tätigkeit verrichtete er zum größten Teil als Kranführer. Im Jahr 2008 verstarb der Ehemann der Klägerin aufgrund schwerster abdomineller Verletzungen dadurch, dass er auf einem Kran des Furnierwerks, der von einem anderen Mitarbeiter geführt wurde, oberhalb der Arbeitskanzlei und Laufschiene eingeklemmt wurde.

Ausgestempelt, aber am Arbeitsplatz zu Tode gekommen

Der Unfall ereignete sich zu einem Zeitpunkt, nachdem der "Verunfallte" über das Zeiterfassungssystem des Unternehmens bereits ausgestempelt hatte. Die Gründe, weshalb er den Kran nach Beendigung der Arbeitszeit nochmals bestiegen hatte, konnten auch durch Vernehmung mehrerer Zeugen nicht geklärt werden. Die Zeugen sagten allerdings übereinstimmend aus, dass der Verunfallte häufig länger im Betrieb geblieben sei, um für private Zwecke (mit Erlaubnis der Firma) Abfallhölzer zu Brennholz zu verarbeiten. Den Kran musste hierfür allerdings nicht besteigen.

Witwe stellt Ansprüche auf Hinterbliebenenrente

Nach Auffassung der Witwe handelte sich bei dem von ihrem verstorbenen Mann erlittenen Verletzungen um die Folgen eines Arbeitsunfalls, so dass ihr die Gewährung von Hinterbliebenenrente zustehe. Die beklagte Unfallversicherung lehnte die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ab mit der Begründung, dass keine betrieblichen Gründe hätten ermittelt werden können, welche den Versicherten nach Beendigung seiner Schicht hätten dazu veranlassen können, nochmals den Kran zu besteigen.

Der Unfall habe sich damit nicht während der versicherten Tätigkeit ereignet und sei daher kein Arbeitsunfall. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Witwe Klage beim SG auf Zahlung von Sterbegeld, auf Erstattung der Bestattungskosten, auf Hinterbliebenenrente und auf Zahlung einer Beihilfe gemäß § 63 Abs. 1 SGB VII.

Unfall muss in engem innerer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zur Arbeit stehen

Das SG hatte im wesentlichen zu untersuchen, ob es sich bei dem Unfall des Verstorbenen um einen Arbeitsunfall handelte. Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind solche Arbeitsunfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper wirkende Ereignisse, die zu einem Körperschaden oder zum Tod führen. Das SG verwies darauf, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls nur dann der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein, wenn zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Unfallereignis ein enger innerer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestehe (BSG, Urteil v. 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).

Hinreichende Wahrscheinlichkeit reicht für die Kausalität

Nach Auffassung des SG ist für diesen Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit, dem Unfallereignis und dem entstandenen Körperschaden oder Todesfall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, d.h., dass bei vernünftigem Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden könne. Es müsse im Ergebnis mehr für als gegen einen Zusammenhang sprechen.

Volle Beweislast für Arbeitsunfall

Demgegenüber reicht nach Auffassung des LG für die Tatsache  „Arbeitsunfall“ selbst eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht, vielmehr sei der Vollbeweis erforderlich. Vollbeweis bedeute eine so hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie die Überzeugung von der Wahrheit stützt und nicht lediglich eine Wahrscheinlichkeitsüberzeugung nach sich zieht. Nach Überzeugung des Gerichts war am Unfalltag die betriebliche Tätigkeit des Verunfallten um 13:45 Uhr durch das Ausstechen im Zeiterfassungssystem beendet worden.

Fehlender Vollbeweis kostet Witwenrente

Er sei auch nicht als Springer oder in sonstiger Form nach Schichtende mit betrieblichen Aufgaben betraut worden. Eine vermeintliche betriebsbezogene Handlungstendenz könne bei dem Besteigen des Krans zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, sie sei aber auch nicht nahe liegend, zumal die geschilderte Verarbeitung von Abfallhölzern zu eigenen Zwecken dazu geführt habe, dass der Verunfallte häufiger nach Arbeitsende sich noch auf dem Betriebsgelände aufgehalten habe. Eine weitere Klärung des Sachverhalts war nicht möglich, so dass nach Auffassung des SG der erforderliche Vollbeweis für den Arbeitsunfall nicht erbracht war. Die Witwe ging daher trotz des tragischen Unfallereignisses völlig leer aus.

(SG Gießen, Urteil v. 17.10.2013, S 3 U 82/09).


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