Ohnmacht bei normalem dienstlichen Gespräch ist kein Dienstunfall
Der Kläger war Beamter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden Württemberg. Gegen ihn und einen ebenfalls beamteten Kollegen war aufgrund einer Strafanzeige von März 2010 ein Strafverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses eingeleitet worden.
Dienstliche Fehler können ernste Konsequenzen haben, auch gesundheitliche: Der klagende Beamte hatte im März 2010 über eine E-Mail in einer Verschlusssache Dateien an einen Referenten im Abwehramt des Bundesministeriums für Landesverteidigung in Österreich geschickt. Süäter wurde er dafür recht rau kritisiert.
Geheimnisse unvorsichtig gemailt
Diese versandte Datei enthielt umfangreiche Personendaten zu Zielpersonen im Bereich des Terrorismus und war in Teilen als „vertraulich“ bzw „geheim“ eingestuft.
Ende März lud die Präsidentin des Landesamtes ihn zu einem dienstlichen Gespräch, in dem sie ihm schweren Geheimnis- und Landesverrat vorwarf, eine - wie sich später herausstellte - wohl etwas überzogene Vorhaltung.
- Bereits wenige Minuten nach Gesprächsbeginn wurde der Kläger ohnmächtig.
- Seit diesem Zeitpunkt war er wegen einer posttraumatischen Stresserkrankung krank geschrieben
- und wurde schließlich am 01.09.2012 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Antrag auf Unfallruhegehalt
Im August 2011 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Kläger wegen geringer Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 800 EUR ein. Anfang Dezember 2012 entschied das Land endgültig, von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger abzusehen.
Ohnmachtsanfall als Dienstunfall?
Bereits im Februar 2012 hatte der Kläger beantragt, das Geschehen in dem dienstlichen Gespräch vom März 2010 als Dienstunfall anzuerkennen und ihm ein Unfallruhegehalt zuzusprechen. Nach Ablehnung durch die zuständige Behörde und erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgte der Kläger sein Begehren vor dem Verwaltungsgericht weiter.
Dienstunfall?
Das VG stellte zunächst auf die Rechtsgrundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG BW ab. Danach ist ein Dienstunfall
- ein auf äußerer Einwirkung beruhendes,
- plötzliches,
- örtlich und zeitlich bestimmbares,
- einen Körperschaden verursachendes Ereignis,
- das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
Der Vorgang, der zur Ohnmacht geführt hatte, also das dienstliche Gespräch im März 2010, war somit anhand dieser Kriterien zu überprüfen.
Dienstliches Gespräch als plötzliches Ereignis
Nach Auffassung des VG konnte das dienstliche Gespräch vom März 2010 durchaus als plötzliches Ereignis eingestuft werden. Das Gespräch habe nur wenige Minuten gedauert, bevor der Kläger das Bewusstsein verlor. Damit sei es als plötzliches Ereignis einzustufen. Unerheblich war nach Auffassung des VG, ob das Gespräch in seiner konkreten Form für den Kläger vorhersehbar war oder nicht. Auch ein vorhersehbares Ereignis könne ein plötzliches sein.
Vorhaltungen als äußere Einwirkungen
Das VG stufte das dienstliche Gespräch auch grundsätzlich als äußere Einwirkung auf den Beamten ein. Der Begriff der „äußeren Einwirkung“ diene lediglich zur Abgrenzung von Vorgängen im Inneren des Körpers. So kämen auch Beleidigungen und Beschimpfungen als äußere Einwirkung in Betracht; es genüge jede die bisherigen Verhältnisse ändernde äußere Begebenheit (VG Bayreuth, Urteil v. 10.07.2009, B 5 K 07/123).
Dienstunfallbegriff des Dienstunfallrechts ist enger
Von diesem allgemeinen Dienstunfallbegriff ist nach Auffassung des VG aber der Dienstunfallbegriff des Dienstunfallrechts scharf abzugrenzen.
Im Dienstunfallrecht komme als äußeres Ereignis nur ein solches in Betracht, das nicht zu den typischen Ereignissen des Beamtenverhältnisses gehört. (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10. 08. 2011,1 A 1455/09).
Hielt sich das Dienstgespräch noch im Rahmen?
Die Qualifizierung eines Dienstgesprächs als Dienstunfall hänge im Ergebnis davon ab, ob das Gespräch sich im typischen beamtenrechtlichen Rahmen bewege oder aus diesem herausfalle.
- Letzteres sei dann der Fall, wenn während des Gesprächs durch den Vorgesetzten unflätige verbale oder gar körperliche Angriffe erfolgten.
- Dann weiche das dienstliche Gespräch so von den üblichen dienstlichen Gepflogenheiten ab, dass es als äußeres Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts eingestuft werden könne.
- Dies sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Die Konfrontation des Beamten mit dem Vorwurf der Verletzung eines Dienstgeheimnisses sei angesichts des eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ein normaler dienstlicher Vorgang, der den Usancen des Beamtenrechts entspreche.
Eventuelle spätere Rehabilitierung ist unerheblich
Für die Einordnung als Dienstunfall spielt es nach Auffassung des VG keine Rolle, ob die gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe sich später als zutreffend oder als völlig haltlos herausstellen. Maßgeblich für die Beurteilung sei allein die Sachlage zum Zeitpunkt des Dienstgesprächs. Zu diesem Zeitpunkt sei die Konfrontation mit den staatsanwaltschaftlichen Vorwürfen durch den Dienstvorgesetzten angemessen und den Gepflogenheiten des Beamtenrechts entsprechend gewesen. Als von außen wirkendes Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts könne das dienstliche Gespräch daher unter keinem Gesichtspunkt eingeordnet werden. Die Klage auf Gewährung eines Unfallruhegehalts blieb daher erfolglos.
(VG Stuttgart, Urteil v. 09.04.2014, 12 K 998/13).
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