Unternehmensjuristen werden in BRAO integriert und der Rentenversicherung entzogen
Spätestens im Frühjahr 2014 hatte das Thema Rentenversicherungspflicht die Mehrzahl der Juristen aufgeschreckt, die bei nicht anwaltlichen Arbeitgebern angestellt sind: In drei Urteilen hatte das BSG entschieden, dass sogenannte Syndikusanwälte, also Anwälte, die in Unternehmen oder Verbänden angestellt sind, nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 SGB VI befreit werden können.
BSG kehrte sich mit „Doppelberuf-Theorie“ von 30 Jahren dauernder Verwaltungspraxis ab
Eine seit mehr als 30 Jahren dauernde Verwaltungspraxis wurde damit für unrechtmäßig erklärt (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 3/14 R). Das BSG fällte die Urteile auf die Grundlage der „Doppelberuf-Theorie“, wonach ein Jurist in einem abhängigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis nicht als unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit als Rechtsanwalt tätig werden könne.
Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung plötzlich ausgeschlossen
Als Rechtsanwalt könne der Syndikus nur außerhalb des abhängigen Dienstverhältnisses tätig werden. Innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses sei daher eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung in Verbindung mit einem Beitritt zum Rechtsanwaltsversorgungswerk ausgeschlossen. Damit wackelte die Altersvorsorge vieler Juristen bedenklich.
RV machte zum 1.1. mobil gegen rentenversicherungsbefreite Unternehmensjuristen
Mit einer drastischen Information zur Umsetzung der BSG-Urteile zum Befreiungsrecht von Syndikusanwälten sorgte die RV im Dezember 2014 für neue Aufregung und
- läutete für Mehrzahl der Betroffenen ein nahes oder absehbares Ende der Versicherung im Versorgungswerk ein.
- Zum 1. 1. 2015 hat die Rentenversicherung damit begonnen, bestehende Befreiungen zu widerrufen.
- Nach Ansicht des Bundesverband der Unternehmensjuristen BUJ bedeuten dies eine unzulässige Einschränkung der nach Art. 12 GG gewährten Berufsfreiheit.
Widerstand gegen Versicherungspflicht
Mittlerweile ist die erste Verfassungsbeschwerde gegen die Rentenversicherungspflicht beim Bundesverfassungsgericht aufgeschlagen, das sich in großem Stil warm läuft.
Gleichzeitig wurde die Kritik laut, dass die Angelegenheit vom Bundesjustizminister noch nicht in Angriff genommen wurde. Nun wurde er aktiv und das Ministerium hat ein Eckpunktepapier vorgelegt.
BRAO-Reform: Syndikus wird echter Anwalt - und damit dem Zugriff der RVG entzogen
Die mit der Rückführung in die Rentenversicherungspflicht hervorgerufene bzw. untermauerte Spaltung der Anwaltschaft in echte und „unechte“ Anwälte soll nach dem Willen des BMJV nun der Vergangenheit angehören.
Maas will das leidige Thema auf berufsrechtlichem Wege lösen, indem er dem Syndikus einen Platz in der BRAO und damit in der Anwaltsschaft einräumt, der ihm den Zugriff der Rentenversicherung entzieht.
Dazu plant er eine Anpassung der BRAO zugunsten der Syndikusanwälte. Wenn künftig die Zulassung als Syndikusanwalt erfolgt ist, können die Deutsche Rentenversicherung und das BSG nicht mehr argumentieren, dass eine Befreiung für angestellte Anwälte grundsätzlich nicht möglich ist.
Was ist geplant?
Mit einem Eckpunkte-Papier hat das Ministerium die Initiative zur gesetzlichen Abschaffung der als wenig praxisgerecht empfundenen Doppelberuf-Theorie ergriffen. Dies sind die Grundzüge der geplanten Reform :
- Nach dem Vorbild des § 58 StBerG soll eine berufsrechtliche Regelung für die Tätigkeit angestellter Rechtsanwälte geschaffen werden. Hierbei soll klargestellt werden, dass das Berufsbild des Rechtsanwalts grundsätzlich mit der Stellung als Angestellter eines Unternehmens vereinbar ist.
- Das Profil des Syndikusanwalts wird dadurch gekennzeichnet, dass er seinen Arbeitgeber rechtlich beraten und vertreten darf. Gleichzeitig wird die Rechtsberatungsbefugnis auf die Beratung und Vertretung des Arbeitgebers begrenzt (= Legaldefinition des Syndikusanwalts).
Doch unabhängiges Organ der Rechtspflege
- Auch nach der neuen Regelung wird die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in seinen Stellungnahmen und Entscheidungen betont. Diese Unabhängigkeit darf durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers in keiner Weise beeinträchtigt werden. Eine entsprechende, die anwaltliche Unabhängigkeit garantierende Regelung muss im Anstellungsvertrag explizit enthalten sein.
- Eine Vertretung des Arbeitgebers vor den Zivil- und Arbeitsgerichten soll zulässig sein, soweit kein gerichtlicher Anwaltszwang besteht. Vor den Verwaltung-, Finanz-, und Sozialgerichten soll - außer im Fall einer Interessenkollision - eine Vertretung immer zulässig sein.
- Die Verteidigung des Arbeitgebers und auch die von Mitarbeitern des Arbeitgebers in Straf- und Bußgeldverfahren bleibt unzulässig.
- Soweit eine Vertretung vor Gericht durch den angestellten Anwalt zulässig ist, wird die Anwendbarkeit des er RVG ausgeschlossen. Kosten werden nach den allgemeinen Regeln wie Kosten anderer Vertreter des Unternehmens behandelt.
- Eine über die Angestelltentätigkeit hinausgehende Berufsausübung als Rechtsanwalt bleibt weiterhin zulässig, ist aber nicht erforderlich.
- Hinsichtlich der allgemeinen Berufspflichten des Syndikusanwalts bleibt es bei den allgemeinen Regeln, zum Beispiel der Verschwiegenheitspflicht, dem Verbot der Vertretung widerstreitenden Interessen, dem Erfordernis des Abschlusses einer Berufshaftpflichtversicherung, der Führung eines Fachanwaltstitels, die Mitgliedschaft in der Kammer.
- Die Geltung einiger Anwaltsprivilegien sollen für den Syndikusanwalt ausgeschlossen werden,. Hierzu zählen das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahmeverbote und weitere Einschränkungen von Ermittlungsmaßnahmen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Aufklärung von Straftaten nicht dadurch erschwert wird, dass beispielsweise Unternehmen im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses für die Strafverfolgung relevante Unterlagen durch Übergabe an ihren Syndikusanwalt den Strafverfolgungsbehörden entziehen.
Reaktionen überwiegend positiv
Nach einer ersten Bewertung dürfte eine Umsetzung des Eckpunktepapiers zu einer weitgehenden Wiederherstellung einer einheitlichen Anwaltschaft beitragen. Die ersten Bewertungen aus der Anwaltschaft sind denn auch eher positiv, teilweise geradezu begeistert. Sowohl der DAV als auch der BUJ (Bundesverband der Unternehmensjuristen) haben bereits grundsätzliche Zustimmung signalisiert.
In einigen Anwaltskammern wird die Reformabsicht, angestellte Anwälte den freien Anwälten weitgehend gleichzustellen - nicht zuletzt unter Konkurrenzgesichtspunkten - aber auch kritisch gesehen. Und auch die Deutsche Rentenversicherung wird über die Wiedereinführung der Befreiungsmöglichkeiten von der Rentenversicherungspflicht nicht vorbehaltlos erfreut sein. Das vom BMJV avisierte Gesetzgebungsverfahren dürfte also noch spannend werden.
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