Unwirksamkeit der sachgrundlosen Befristungsabrede nach § 242 BGB

Nach der bloßen Lesart des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) mag eine sachgrundlose Befristung in Ordnung sein. Auf den zweiten Blick haben die Richter des LAG Berlin-Brandenburg in einem Fall, in dem eine Mitarbeiterin zu einem verbundenen Unternehmen gewechselt hat, einen Rechtsmissbrauch gesehen.

Befristung innerhalb einer Arbeitsgruppe mit zwei Träger

Eine technische Assistentin (Klägerin) war seit 2012 im Bereich der molekularen Medizin in einer Laborarbeitsgruppe tätig.

  • Angestellt war sie zunächst bei dem Forschungsverbund,
  • jeweils mit befristeten Verträgen,
  • erst sachgrundlos,
  • dann mit Sachgrund.

Der Forschungsverbund betrieb die Arbeitsgruppe zusammen mit einer öffentlichen Körperschaft (Beklagte). Geleitet wurde die Arbeitsgruppe von einem gemeinsam berufenen Professor. Sämtliche Kosten der Arbeitsgruppe werden entweder aus Drittmitteln finanziert oder zwischen Forschungsverbund und Körperschaft geteilt.

Ziel: Weiterbeschäftigung in der Arbeitsgruppe

Neben der Klägerin gehörte eine weitere technische Mitarbeiterin zum Team der Arbeitsgruppe, die bei der Beklagten befristet angestellt war. Der Professor, der mit beiden Mitarbeiterinnen höchst zufrieden war, hätte die Arbeitsverhältnisse am liebsten entfristet gesehen. Stattdessen fand man folgende Lösung:

  • Der Klägerin wurde für die Jahre 2016 und 2017 ein sachgrundlos befristeter Vertrag beim Institut gegeben,
  • die andere Mitarbeiterin wechselte zum Forschungsverband.
  • Inhaltlich änderte sich nach dem Wechsel nichts an der Arbeit der Klägerin,
  • auch die sonstigen Konditionen und die Geltung des TVöD blieben gleich.

Mitarbeiterin erreicht Entfristung 

Kurz vor Ende des Vertrags mit dem Institut suchte die Klägerin Hilfe beim Arbeitsgericht Berlin und gewann den Rechtsstreit und damit die Entfristung ihres Arbeitsvertrages. Die Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg bestätigte dies.

Formal kein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG

Die Befristungsabrede war nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot einer sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung unwirksam (§ 14 Abs. 2 S.2 TzBfG), denn Forschungsverband und Beklagte sind nicht „derselbe“ Arbeitgeber.

Beide Instanzen nehmen jedoch den Schlenker über Treu und Glauben (§ 242 BGB) und kommen zu einem Rechtsmissbrauch, wobei sie die Rechtsprechung des BAG auf ihrer Seite haben. Insbesondere das Urteil des BAG v. 24.6.2015, 7 AZR 452/13 ziehen sie als Referenz heran.

Das Kniffelige an der Sache: mit der sachgrundlos befristeten Einstellung der Mitarbeiterin hatte die Beklagte eine an sich rechtlich zulässige Gestaltung gewählt. Trotzdem geriet sie zum Stolperstein. Die Konstellation wurde als mit Treu und Glauben nicht vereinbar angesehen, weil sie der Beklagten im Ergebnis einen Vorteil zu Lasten der Arbeitnehmerin verschafft hat, die dem Sinn und Zweck des § 14 Abs.2 S.2 TzBfG widerspricht.

Wirken verbundene Arbeitgeber zusammen, werden sie behandelt wie „derselbe“

Ein Rechtsmissbrauch wird bejaht, wenn

  • mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Arbeitgeber
  • in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb abschließen,
  • um auf diese Weise über die nach § 14 Abs.2 S.1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können.

Indizien, die auf die Missbräuchlichkeit nach § 242 BGB hinweisen:

  • rechtliche und tatsächliche Verbundenheit zwischen altem und neuem Arbeitgeber,
  • nahtloser Anschluss der beiden Arbeitsverträge,
  • gleicher Arbeitsbereich und unveränderte Arbeitsbedingungen,
  • gemeinsam ausgeübtes Weisungsrecht,
  • „Vermittlung“ des Arbeitnehmers an den neuen Arbeitgeber und erkennbar systematisches Zusammenwirken.

Umgehungsabsicht war nicht erforderlich

All diese Punkte trafen auf die medizinische Assistentin zu. Die Beklagten konnte dem nichts entgegensetzen. Mit ihrer Argumentation, ihr sei das alles nicht bewusst gewesen, drang sie nicht durch, denn

  • auf das Vorliegen einer Umgehungsabsicht oder
  • einer bewussten Missachtung der zwingenden Rechtsnorm kommt es nicht an.
  • Entscheidend ist allein die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 31.1.2019, 21 Sa 936/18)

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