Zuweisung sinnloser Tätigkeiten

Weist ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer sinnlose Tätigkeiten zu, so kann dies einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers auslösen. Voraussetzung ist, dass der soziale Geltungsanspruch des Arbeitnehmers verletzt wurde.

Die 1958 geborene Arbeitnehmerin war in der Bundeswehrverwaltung zunächst als Botin in der Registratur und später als Kammerarbeiterin in der Kleiderkammer zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von zuletzt 1.600 EUR beschäftigt.

Infolge einer frühkindlichen Schädigung ist die Arbeitnehmerin seit ihrer Kindheit zu 100 % schwer behindert. Sie ist lediglich zur Erledigung einfacher Tätigkeiten ohne eigenen Entscheidungsspielraum in der Lage. Auch bestehen erhebliche Probleme in der Kommunikation mit anderen Personen. Ihre Tätigkeit in der Kleiderkammer bestand in der Lagerung, Pflege und Sortieren von Bekleidung und persönlicher Ausrüstung.

Aschenputtel lässt grüßen

Infolge der Neuausrüstung der Streitkräfte und der Abschaffung des allgemeinen Wehrdienstes verringerten sich seit 2010 die Aufbereitungsarbeiten erheblich. Darauf bot die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine Freistellung von der Arbeitsleistung ab. Diese wies das Freistellungsangebot zurück und verlangt vertragsgerechte Beschäftigung. Darauf wurde die Arbeitnehmerin mit betriebswirtschaftlich wertlosen Tätigkeiten wie dem Bündeln von Kleiderbügeln und dem Zerreißen vom Pappkartons beschäftigt.

Knöpfe zum Sortieren vorgelegt, die abends durcheinandergebracht wurden

Freitags wurden ihr Knöpfe zum Sortieren vorgelegt, die abends wieder durcheinandergebracht und am Montag erneut sortiert werden sollten. Durch die Zuweisung dieser aus ihrer Sicht sinnlosen Tätigkeiten sah die Arbeitnehmerin sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte von der Arbeitgeberin ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 EUR. Nach ihrer Ansicht hatte die Arbeitgeberinnen unter Verletzung von § 81 Abs. 4 SGB IX nicht alle zumutbaren Anstrengungen übernommen, um ihr eine vertragsgerechte und menschenwürdige Beschäftigung zu ermöglichen.

ArbG gewährt 5.000 EUR Entschädigung

Vor dem ArbG erzielte die Arbeitnehmerin zunächst ein Teilerfolg. Das ArbG verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.000 EUR. Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste LAG beurteilte den Fall anders. Das LAG betonte, die Zubilligung einer Geldentschädigung bei einer allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhe auf dem Gedanken, dass die Verletzung der Würde und der Ehre eines Menschen nicht ohne Sanktion bleiben dürfe. Insoweit stünden bei einem Entschädigungsanspruch - anders als beim Schmerzensgeldanspruch - die Gesichtspunkte der

  • Genugtuung des Opfers
  • und der Prävention

im Vordergrund (LAG Düsseldorf, Urteil v. 17. 11.2011, 14 Sa1021/11).

Entschädigung nur bei schwerwiegenden Rechtsverletzungen

Nach dem LAG setzt ein Entschädigungsanspruch allerdings eine schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts sowie ein schweres Verschulden des Verletzenden voraus. Hierbei seien

  • die Bedeutung und Tragweite der Verletzung,
  • Anlass und Beweggrund des Handelnden
  • sowie der Grad des Verschuldens

maßgeblich (BAG, Urteil v. 24.9.2009, 8 AZR 636/08). Nach Ansicht des LAG bedeutet die Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit sinnlosen Tätigkeiten grundsätzlich eine Verletzung der Wertschätzung seiner Persönlichkeit, da hierdurch der soziale Geltungsanspruch des Arbeitnehmers negativ betroffen und der Arbeitnehmer durch die Art der Beschäftigung in seiner Wertschätzung abgewertet werde. Dies sei bei Zuweisung sinnloser Tätigkeiten wie dem täglichen Sortieren von Knöpfen, die abends wieder durcheinander gemischt würden, der Fall.

Kein Anspruch auf Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes

Eine solche Verletzung des Persönlichkeitsrechts löst nach dem Gericht aber nur dann einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers aus, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach den Gesamtumständen so schwer wiegt, dass die Verletzung ohne Sanktionierung nicht hingenommen werden kann. In konkreto sei zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin glaubhaft dargelegt habe, dass nach der Umstrukturierung der Bundeswehr die Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung der Arbeitnehmerin objektiv nicht bestanden habe. Es sei nicht ersichtlich, welche sinnvolle Tätigkeit die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung ihres Behinderungsgrades hätte noch zuweisen sollen. Hierzu habe die Arbeitnehmerin auch keine nachvollziehbaren Alternativen vorgetragen. Insbesondere habe die Arbeitgeberin ihre gegenüber einem schwer behinderten Arbeitnehmer gesteigerte Fürsorgepflicht gemäß § 81 Abs. 4 SGB IX nicht verletzt. Diese Vorschrift verpflichte den Arbeitgeber nicht zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes, um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer dort leidensgerecht beschäftigen zu können (BAG, Urteil v.  22.11. 2005 1 ABR 49/04).

Keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin

Schließlich verneinte das Gericht auch einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Durch die Zuweisung der beanstandeten Beschäftigung sei die Arbeitnehmerin weder gegenüber anderen Arbeitnehmern unangemessen benachteiligt worden, noch sei in den zugewiesenen Tätigkeiten eine Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG zu sehen. Das LAG versagte der Arbeitnehmerin daher den mit der Klage geltend gemachten Entschädigungsanspruch.

(LAG Schleswig Holstein, Urteil v. 30.9.2014, 1 Sa 107/14).

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Schlagworte zum Thema:  Arbeitsrecht, Entschädigung