Bald automatische Vorsorgevollmacht für Ehe- und Lebenspartner?
Am 16.2.2017 hat der Bundestag in erster Lesung über eine entsprechende Gesetzesinitiative des Bundesrats beraten. Das Kabinett trägt die Gesetzesinitiative des Bundesrats im Grundsatz mit.
Vorsorgevollmacht: Wechselseitiges Vertretungsrecht
Viele Menschen drücken sich vor Regelungen für den Ernstfall. Die Angehörigen stehen dann oft vor einer ungeregelten und schwierigen Situation. Dem trägt eine neues Gesetzesvorhaben Rechnung:
Ehegatten und Lebenspartnern sollen bei Unfall und schwerer Krankheit gesetzlich ein wechselseitiges Vertretungsrecht eingeräumt werden, auch wenn keine besondere Vorsorge- oder Betreuungsvollmacht errichtet wurde.
Große Informationslücken in der Bevölkerung
Schon bisher haben Ehepartner und Lebenspartner die Möglichkeit, den jeweils anderen Teil durch eine Vorsorge- oder Betreuungsvollmacht zu bevollmächtigen, ihre Angelegenheiten im Krankheitsfall zu regeln.
- Zwar hat eine nicht geringe Zahl von Paaren von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht,
- dennoch geht immer noch die Mehrheit davon aus, in einem Notfall, in dem der andere Partner durch einen Unfall oder einen Gehirnschlag nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln, automatisch berechtigt zu sein, dies für ihn zu tun
Nach einer Forsa-Umfrage sind fast zwei Drittel der Eheleute dieser unrichtigen Annahme. Andere wieder üben sich in der Verdrängung so unschöner, aber möglicher Situationen.
Gerichtliche Bestellung eines Betreuers erforderlich
In Wahrheit hat ein Ehepartner, dessen Ehegatte beispielsweise durch einen Gehirnschlag außer Stande ist, über notwendige medizinische Eingriffe selbst zu entscheiden, nicht das automatische Entscheidungsrecht über die Art der Behandlung oder die Ablehnung bestimmter Behandlungsalternativen.
Tatsächlich muss er in einem solchen Fall erst dafür sorgen, dass er gerichtlich zum Betreuer bestellt wird. Gemäß § 1897 BGB hat ein Gericht bei der Bestellung eines Betreuers zwar auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen der betreffenden Person Rücksicht zu nehmen, jedoch ist hierdurch keinesfalls sichergestellt, dass der Ehepartner zum Betreuer bestellt wird. Außerdem geht durch die erforderlichen Formalitäten möglicherweise wertvolle Zeit verloren.
Gesetzliche Vermutung einer partiellen Betreuungsvollmacht
- Die Gefahr, dass ein Gericht eine vom Betroffenen nicht gewünschte Person zum Betreuer bestellt,
- konnte bisher nur durch die Errichtung einer Vorsorge- oder Betreuungsvollmacht ausgeschlossen werden,
- also durch die privatrechtliche Willenserklärung, dass im Notfall eine bestimmte Person die Betreuungsaufgaben übernehmen soll.
Diese vom Bundesrat kritisierte Situation soll in Zukunft geändert werden. Durch eine Änderung des § 1358 BGB soll eine gesetzliche Vermutung eingeführt werden, wonach für den Bereich der Gesundheitssorge die Vollmacht des Lebens- oder Ehepartners gesetzlich vermutet wird.
Umfang der Vollmacht
Die gesetzliche Vermutung umfasst
- die Vollmacht zur Einwilligung in Notfalloperationen,
- die Vollmacht, grundlegende Entscheidungen zur Pflege und Rehabilitation zu treffen,
- die Vollmacht zur Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen wie die Fixierung eines verwirrten Menschen am Bett sowie
- die gezielte Verabreichung bestimmter Medikamente wie Schlafmittel oder die Verabreichung sonstiger stark dämpfender Medikationen.
Beschränkung auf den Bereich der Gesundheitssorge
Die gesetzliche Vermutung soll auf den Bereich der Gesundheitssorge beschränkt werden, also insbesondere kein Vertretungsrecht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten enthalten.
Auch die Erstreckung der Vollmacht auf freiheitsentziehende Maßnahmen ist noch umstritten und wird von der SPD teilweise abgelehnt. Außerdem soll das Vertretungsrecht auf einen noch näher zu definierenden begrenzten Zeitraum beschränkt werden, um möglichen Missbrauch auszuschließen.
Komplikationslose Anwendung ist oberstes Gebot
Die zeitliche Begrenzung sowie die Beschränkung auf die Gesundheitsvorsorge sollen zugleich dazu dienen, die Anwendung des Gesetzes so unkompliziert wie möglich zu gestalten, um im Anwendungsfall keine unnötigen Unsicherheiten zu schaffen. Gemäß dem neuen § 1358 Abs. 3 BGB sollen Ärzte von dem Bestehen der Vollmacht ausgehen dürfen, sobald der Partner erklärt,
- mit dem Betroffenen verheiratet zu sein oder mit ihm in einer Lebenspartnerschaft zu leben,
- ausdrücklich versichert, dass die Partner nicht getrennt leben
- und erklärt, keine Kenntnis von einem entgegenstehenden Willen des Partners zu haben.
Kritik von Seiten der Opposition
Die Opposition übte zum Teil heftige Kritik an dem Gesetzesvorhaben. Die Abgeordnete des Bündnis 90/Die Grünen, Katja Keul, monierte, der Gesetzesentwurf öffne Missbrauch Tür Tor. Wer einmal miterlebt habe, wie schwer in einem Scheidungsverfahren oft festzustellen sei, ob Ehepartner getrennt leben oder nicht und seit wann, der könne beurteilen, was von der im Gesetzentwurf vorgesehenen Eigenerklärung eines Partners über das Zusammen- bzw. Getrenntleben zu halten sei. Die Grünen möchten es deshalb bei der bisherigen gesetzlichen Regelung belassen, die nach ihrer Auffassung dem Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Partners nach ihrer Auffassung am besten gerecht.
Vorsorgevollmacht weiterhin von hoher Bedeutung
Ob die beabsichtigte Reform noch in dieser Legislaturperiode Gesetz wird, bleibt abzuwarten.
Schon jetzt steht fest, dass auch nach einer möglichen Gesetzesänderung die Bedeutung einer Vorsorgevollmacht als Instrument der Selbstbestimmung und der Entscheidung darüber, wer im Fall des Verlustes der eigenen Einsichts- und Handlungsfähigkeit über gesundheitliche, persönliche und vermögensrechtliche Angelegenheiten bestimmen soll, in vollem Umfang erhalten bleibt.
Wer nicht möchte, dass im Falle schwerer Krankheit oder eines Unglücks fremde Personen über die eigenen Angelegenheiten bestimmen, ist weiterhin gut beraten, eine Vorsorge- oder zumindest eine Betreuungsvollmacht zu errichten.
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Die Reform, die schon länger im Raum steht, wird von der Deutschen Stiftung Patientenschutz kritisch gesehen, da Bevollmächtigungen höchstpersönliche Entscheidungen seien und es eine automatische Stellvertretung bei Entscheidungen über Vermögenswerte, den Aufenthalt im Pflegeheim oder über lebensbegrenzende Maßnahmen eines anderen Menschen nicht geben könne.
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