Impfgegner wird als Berufsbetreuer entlassen und scheitert vor dem BVerfG
Auch im Betreuungsrecht wirft die Pandemie neue Rechtsfälle auf.
Anwalt war im Nebenberuf als Berufsbetreuer tätig
Ein Rechtsanwalt arbeitete nebenbei als Berufsbetreuer. Unter anderen war ihm die Verantwortung für eine 93-jährige demenzkranke Frau im Bereich der Gesundheitsfürsorge übertragen worden. Sie wurde zu Hause im Rahmen der Tagespflege versorgt.
Nach Betreuer-Ansicht war die Corona-Impfung zu gefährlich
Nicht nur bei der 93-Jährigen, sondern auch bei den zwei weiteren von dem Anwalt betreuten Personen wirkte er einer Covid-19-Impfung entgegen. Er schätzt das Risiko einer solchen Impfung im Verhältnis zu ihrem Nutzen für seine Betreuten als wesentlich höher ein. Wegen der noch nicht zu überblickenden Nebenwirkungen bezeichnete er diese als „Russisch Roulette“.
Betreuungsgericht hält Nicht-Impfung für lebensgefährlich…
Das Betreuungsgericht war anderer Meinung. Es hält die Impfung in der andauernden Pandemie als ärztliche Maßnahme für medizinisch angezeigt und fürchtet um Leben oder Gesundheit der Betreuten, wenn sie die Impfung nicht bekommen.
… und entlässt Betreuer wegen fehlender Eignung
Der Betreuer beschwerte und wehrte sich gegen diese Ansicht. Das Betreuungsgericht gab dem Anwalt noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme und entließ ihn danach als Berufsbetreuer. Es sprach ihm die Eignung ab, die Angelegenheiten der Betreuten zu besorgen.
Verfassungsbeschwerde, weil sich Betreuer sich nicht ausreichend angehört sah
Nachdem das Beschwerdegericht die Nichteignung bestätigte, versuchte es der Rechtsanwalt mit einer Verfassungsbeschwerde. Er rügte die Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Gerichte hätten seine Nutzen-Abwägung einer Impfung nicht angehört.
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen
Die drei zuständigen Verfassungsrichter kamen einstimmig zu dem Ergebnis, dass die Verfassungsbeschwerde erfolglos bleiben muss. Sie nahmen sie mangels Vorliegens eines Grundes (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) gar nicht erst zur Entscheidung an.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nur in Fällen,
- in denen die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- jemand in seinen Grundrechten oder anderen bestimmten im Grundgesetz verankerten Rechten verletzt ist (§ 90 Abs. 1 BVerfGG).
Das rechtliche Gehör ist eins dieser wichtigen, im GG verankerten Rechte, jedoch wurde der Anwalt insoweit nicht verletzt, weil er, bevor er als Betreuer entlassen wurde, Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen hatte.
BVerfG hatte nichts an der Entscheidung der Vor-Gerichte auszusetzen
Die Verfassungsrichter positionieren sich zwar nicht explizit dahingehend, dass eine Covid-19-Impfung eine medizinisch angezeigte Maßnahme ist, deren Nichtdurchführung eine Gefahr für Leib und Leben der Betreuten darstellt. Sie führen aber durch die Schritte bei Vorliegen einer solchen und lassen dadurch erahnen, welcher Meinung sie sind:
- Der Wille der betreuten Person ist maßgeblich und vorrangig.
- Nur wenn ihr tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille nicht feststellbar ist, kommt eine Ersetzung durch den Betreuer und das Betreuungsgericht infrage (§ 1904 BGB).
- Willigt der Betreuer in eine solche Maßnahme nicht ein, braucht er die Genehmigung des Betreuungsgericht.
- Bei Versagung der Genehmigung muss der Betreuer in die Maßnahme einwilligen (§ 1902 Abs. 2 BGB).
- Kommt der Betreuer dieser Verpflichtung dauerhaft nicht nach, kann das seine Entlassung zur Folge haben (§ 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB).
Fazit: Wenn der Wille der Betreuten zu einer medizinischen nicht festzustellen ist, die bei ihrer Unterlassung Gefahr für Leben oder Gesundheit des Betreuten darstellen kann, kann das Unterbinden der Maßnahme die Entlassung des Betreuers rechtfertigen.
(BVerfG, Beschluss v. 31.5.2021, 1 BvR 1211/21).
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