Ohne Hinweise auf Kindeswohlgefährdung keine Auflagen zur Mediennutzung
Die Eltern leben seit Juli 2017 voneinander getrennt und stritten sich um das Aufenthaltsbestimmungsrecht der gemeinsamen, im Jahr 2009 geborenen Tochter. Das Amtsgericht Bad Hersfeld hatte das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge allein der Mutter übertragen.
Amtsgericht verpflichtet sorgeberechtigte Mutter Mediennutzung zu regeln
Gleichzeitig mit den Sorgerechtsentscheidungen wurde der Mutter aufgegeben,
- feste Regeln, insbesondere für die Mediennutzung zu finden
- und diese umzusetzen.
Da das damals achtjährige Kind bereits ein eigenes Smartphone besaß, wurde darüber hinaus von Seiten des Gerichts auferlegt, dem Kind kein eigenes und frei zugängliches Smartphone zur Verfügung zu stellen. Diese Auflage wurde bis zum 12. Geburtstag der Tochter befristet.
Gericht sah Gefahr der Konfrontation mit nicht altersgerechten Inhalten
Da in der gerichtlichen Anhörung deutlich wurde, dass das Kind in seiner Freizeit zu diversen Medien völlig freien Zugang hatte, vertrat das Amtsgericht die Auffassung, dass die erteilten Auflagen erforderlich seien, um bestehende Gefahren für das Kind abzuwenden. Insbesondere die Nutzungsmöglichkeiten wie „YouTube“ berge für das Kind die naheliegende Gefahr, mit nicht altersgerechten und für die seelische Entwicklung schädlichen Inhalte konfrontiert zu werden, so das Amtsgericht.
Mutter und Verfahrensbeistand der Tochter legten Beschwerde gegen Medienregelung ein
Der Vater legte gegen die getroffene Aufenthaltsbestimmung Beschwerde ein. Der Verfahrensbeistand der Tochter sowie die Mutter schlossen sich der Beschwerde hinsichtlich der erteilten Auflagen zur Mediennutzung an. Die Beschwerden vor dem OLG Frankfurt a.M. hatten Erfolg.
- Das OLG sah die Voraussetzungen für die Anordnung von Auflagen nach §§ 1666, 1666 a BGB nicht gegeben.
- Nach der Rechtsprechung des Bundeverfassungsgerichts bestehen hohe Hürden für staatliche Eingriffe in die elterliche Personensorge,
- da dadurch immer auch die Grundrechte der Eltern tangiert werden.
Subsidiaritätsvorbehalt: Familien müssen Regeln zur Mediennutzung selbst festlegen
Die staatlichen Organe haben sich daher immer von der Erwägung leiten zu lassen, dass die Interessen des Kindes in der Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden. |
Das gelte auch dann, wenn dabei im Einzelfall wirkliche oder vermeintliche Nachteile des Kindes durch bestimmte Verhaltensweisen oder Entscheidungen der Eltern in Kauf genommen werden müssen, so das OLG. Dieser Subsidiaritätsvorbehalt wurde bei der Anordnung der Auflagen durch das Amtsgericht nicht hinreichend beachtet. Die Anordnung habe verbindlichen Charakter und greife daher in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Mutter ein. Auch sei der Eingriff vorliegend nicht gerechtfertigt, da die Mutter von sich aus entsprechende Hilfsangebote wahrnehmen möchte.
Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls vorliegend nicht erforderlich
Ohne Vorliegen weiterer, erheblicher Anzeichen für eine konkrete Gefährdung des Kindes lasse sich nicht darauf schließen, dass ein Tätigwerden der Familiengerichte zulässig sei.
- Die allgemeinen Risiken der Nutzung von smarten Technologien und Internetangeboten durch Minderjährige
- begründen daher nicht per se eine hinreichend konkrete Kindeswohlgefährdung.
Vielmehr sei es Aufgabe der Eltern, die Nutzung pädagogisch zu begleiten. Hierbei ergeben sich jedoch individuelle Spielräume, welche innerhalb der Familien eigenverantwortlich festgelegt werden können.
(OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 15.06.2018, 2 UF 41/18).
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Hintergrund:
Wächteramt des Staates über das Kindeswohl
Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB sind zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird. § 1666 BGB ist eine Ausprägung des dem Staat gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG obliegendem Wächteramtes, das dem Schutz des Kindes bei Gefährdung seines Wohls dient.
Im Hinblick darauf, dass staatliche Maßnahmen insoweit immer auch die Grundrechte der Eltern nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG tangieren, stellt insbesondere das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen für staatliche Eingriffe in die elterliche Personensorge (st. Rspr. vgl. BVerfG FamRZ 2016, 439; FamRZ 2015, 112; FamRZ 12, 1127, FamRZ 14, 907, 1177 jeweils m.w.N.).
- Eine gerichtliche Maßnahme nach § 1666 Abs. 1 BGB setzt demgemäß zunächst die positive Feststellung voraus, dass bei weiterer Entwicklung der vorliegenden Umstände der Eintritt eines Schadens zum Nachteil des Kindes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist,
- die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts rechtfertigt eine eingreifende Maßnahme nicht. (vgl. Poncelet/Onstein in Herberger/Martinek-Rüßmann, Juris Praxiskommentar zum BGB, 8. Aufl., § 1666 Rdn. 20).
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