Lebenslange Unterhaltsverpflichtung nicht ausgeschlossen
Ehen sind immer seltener für die Ewigkeit und auch der nacheheliche Unterhalt hat nach der Unterhaltsrechtreform seine Halbwertszeit schnell erreicht. Doch manchmal bleibt zumindest der Unterhaltsanspruch "bis dass der Tod Euch scheidet".
Klassiker-Ehe
Das OLG Brandenburg hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die Parteien hatten im Jahr 1980 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen. Der Ehemann und Antragsteller arbeitete vollschichtig als Kraftfahrer, die Antragsgegnerin und Ehefrau war in Teilzeit beim Kreissportbund tätig. Mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 830 EUR.
Ausbildung wegen Geburt gemeinsamer Tochter abgebrochen
Ihre Ausbildung zur Gärtnerin hatte sie im Hinblick auf die Geburt der gemeinsamen Tochter bereits 1979 abgebrochen. Sie versorgte in der Folgezeit die Tochter und besorgte den Haushalt. Teilweise arbeitete sie stundenweise als Aushilfe in einer Kindertagesstätte.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Der Antragsteller ist der Auffassung, er sei zur Zahlung von Unterhalt nicht verpflichtet, weil die Ehefrau sich um eine lukrativere Arbeit bemühen müsse. Zumindest sei der Unterhaltsanspruch zeitlich zu befristen.
Ehefrau zur Berufstätigkeit verpflichtet
Das OLG teilte die Auffassung des Antragstellers, dass die beruflichen Aktivitäten der Ehefrau nicht ausreichend waren. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung nach der Ehe gem. § 1569 BGB sei es der Antragsgegnerin zuzumuten, vollschichtig zu arbeiten.
Unter Berücksichtigung ihrer Erwerbsbiografie und einiger qualifizierender Maßnahmen in der Vergangenheit wäre die Antragsgegnerin nach Auffassung des OLG bei entsprechenden Bemühungen in der Lage, ein monatlich bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1.000 EUR zu erzielen.
Gesundheitlichen Einschränkungen müssen konkretisiert werden
Die Behauptung der Ehefrau, sie leide unter gesundheitlichen Einschränkungen, war dem OLG zu allgemein, um daraus Rückschlüsse auf eine Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit zu ziehen. Das OLG stellte daher zu Lasten der Ehefrau ein monatliches fiktives Einkommen in Höhe von 1.000 EUR in die Unterhaltsberechnung ein.
Dauerhafte Nachteile aus Kinderbetreuung
Das OLG prüfte die Möglichkeit der Befristung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b BGB. Gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB hängt die Möglichkeit der Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts insbesondere davon ab, ob durch die Ehe Nachteile in der beruflichen Weiterentwicklung eingetreten sind und damit die Möglichkeiten, für den eigenen Unterhalt selbst zu sorgen, nachhaltig eingeschränkt wurden (BGH, Urteil v. 24.03.2010, XII ZR 175/08). Diese Nachteile können vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes entstehen.
Unterhaltsschuldner ist beweispflichtig
Hierbei trifft nach Auffassung des OLG den Unterhaltsschuldner, der eine Befristung anstrebt, die primäre Darlegungs- und Beweislast für die für eine Befristung sprechenden Tatsachen (BGH Urteil v. 14.11.2007, XII ZR 16/07).
Hierzu gehöre die Darlegung beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten, die der Unterhaltsberechtigte vorwerfbar nicht in Anspruch genommen habe. Nach diesen Grundsätzen ist nach Auffassung des OLG im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die damalige Ehefrau wegen der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes ihre berufliche Ausbildung als Gärtnerin aufgegeben hatte. Die abgebrochene Ausbildung sei damit ein ehebedingter Nachteil, der die Antragstellerin auch im Hinblick auf die über dreißigjährige Dauer der Ehe nachhaltig daran hindere, eine der abgebrochenen Qualifikation entsprechende Stelle anzutreten.
Langjährigen Ehe = ausgeprägte wirtschaftliche Verflechtung
Das OLG betonte in seiner Entscheidung, dass in einer langjährigen Ehe eine ausgeprägte wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten entstehe, die die Ehepartner zu wirtschaftlicher Solidarität auch über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus verpflichtet. Deshalb ging der Senat davon aus, dass der Abbruch der Ausbildung als Gärtnerin ein durch die Ehe bedingter dauerhafter Nachteil ist, der die Ehefrau daran hinderte, ein Einkommen zu erzielen, das dem der abgebrochenen Berufsausbildung entsprechen würde.
Kein Anlass für zeitliche Begrenzung
Eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs komme aus diesen Gründen nicht in Betracht. Der Unterhaltsschuldner ist also – entsprechende Leistungsfähigkeit vorausgesetzt – dann lebenslang zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet, wenn der Unterhaltsberechtigte infolge ehebedingter Nachteile dauerhaft an der Erzielung eines seinen Fähigkeiten entsprechenden eigenen Einkommens gehindert ist.
(Brandenburgisches OLG, Urteil v. 21.02.2012, 10 UF 253/11).
Hintergrund: Allgemein geht allerdings die Tendenz zur Befristung und nachträglicher Befristung von nachehelichem Unterhalt.
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