Prüfungspflicht und Haftung des Abwesenheitspflegers bei Grundstücksverkäufen
Aufenthaltsort der Erben konnte nicht ermittelt werden
Der beklagte Rechtsanwalt wurde vom Vormundschaftsgericht als Abwesenheitspfleger bestellt, da nach dem Tod des Erblassers zwar die Erben, aber zunächst nicht deren Aufenthaltsort ermittelt werden konnte. Mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts verkaufte er im Mai 2001 ein zum Nachlass gehörendes verpachtetes Grundstück zu einem Preis von rund 78.000 EUR. In der Folgezeit steigerte sich der Wert des Grundstückes jedoch um rund 211.000 EUR. Diesen Betrag forderte nun einer der Miterben, der im Oktober 2010 von dem Nachlass erfahren hatte, als Schadenersatz für die Erbengemeinschaft vor dem Oberlandesgericht ein, da seiner Ansicht nach der Abwesenheitspfleger durch den Grundstücksverkauf seine ihm obliegende Pflichten verletzt habe.
OLG: Abwesenheitspfleger hätte Grundstück nicht verkaufen dürfen
Nachdem das Landgericht die Klage zunächst abgewiesen hatte, urteilte die Berufungsinstanz im Sinne des Klägers. Grundsätzlich habe der Abwesenheitspfleger die Vermögensangelegenheiten der Abwesenden in dessen Interessen treuhänderisch wahrzunehmen. Dabei ist er, wie der Nachlassverwalter, nur zu Rechtsgeschäften befugt, welche zur ordnungsgemäßen Sicherung, Erhaltung und Verwaltung des Erbes erforderlich sind. Ein Grundstücksverkauf sei daher nur dann zweckmäßig bzw. im Interesse der Erben, wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, beispielsweise zur Tilgung von dringenden Schulden des Verstorbenen. Dies lag nach Auffassung des Senats nicht vor. Der Pachtvertrag brachte den Abwesenden laufende Einnahmen ein. Auch drohte kein erheblicher Wertverlust, so dass ein Verkauf zur Erhaltung des Vermögens nicht notwendig war.
Verkauf durch Vormundschaftsgericht genehmigt – eigenständige Prüfungspflicht entfällt dadurch nicht
Ein Verschulden des Abwesenheitspflegers entfalle auch nicht deshalb, weil das Vormundschaftsgericht die Pflegschaft mit dem Wirkungskreis „Verkauf“ angeordnet und genehmigt hatte. Der Abwesenheitspfleger hafte für jeden Grad der Fahrlässigkeit, wobei er im vorliegenden Fall zumindest leicht fahrlässig gehandelt habe. Er hätte, unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse als Rechtsanwalt selbst prüfen müssen, ob das Fürsorgebedürfnis für den Verkauf vorlagen. Auch sei der Anspruch nicht verjährt, da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Kläger, ein sonstiger Miterbe oder gar alle Mitglieder der Erbengemeinschaft vor dem Jahr 2010 die notwendige Kenntnis hatten.
(OLG Brandenburg, Urteil v. 4.11.2014, 3 U 156/11)
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