Rechtsfragen, wenn die Großmutter ein Enkelkind  betreut

Übernimmt die Großmutter die Pflege und Erziehung ihres Enkelkindes, kann sie unterstützend Pflegegeld nach §§ 27, 33 SGB VIII (Hilfe zur Erziehung) erhalten. Ist sie ihrem Enkel gegenüber auch unterhaltsflichtig, kann das monatliche Pflegegeld gekürzt werden. Bei der Ermittlung ihrer Leistungsfähigkeit ist auch ihr Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann zu berücksichtigen.

Wenn ein Kind von seinen Großeltern erzogen werden muss, haben diese u.U. einen Anspruch auf finanzielle Hilfe. Das BVerwG  entschied am 1.3. 2012, dass  auch die Großeltern beim Jugendamt Leistungen der Hilfe zur Erziehung einfordern können, wenn sie ihr Enkelkind als Pflegekind aufnehmen (5 C 12.11), selbst dann, wenn die Mutter des Kindes im gemeinsamen Haushalt lebt.

Unterstützung vom Jugendamt

Da die bei der Geburt alleinstehende und noch minderjähre Mutter mit Erziehung und Betreuung ihres Kindes überfordert war, kümmerte sich die Großmutter zusammen mit ihrem Ehemann, der nicht mit der Mutter verwandt ist, um den Enkel. Die Großmutter erhielt seit 2007 als Pflegeperson zunächst vom Jugendamt Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII.

Notwendig ist die Hilfe zur Erziehung, wenn sie zur Bedarfsdeckung erforderlich ist, weil andere Leistungen oder Maßnahmen des SGB VIII, die Hilfe Dritter oder die Eigenhilfe der Eltern nicht ausreichen, um den festgestellten erzieherischen Bedarf zu decken.

Eigene Unterhaltsverpflichtung gegenüber Enkel

Das Jugendamt war der Meinung, sie sei in der Lage ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Enkel nachzukommen.

  • Bei der Bemessung ihrer Leistungsfähigkeit, müsse auch ihr Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann und somit dessen Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden.
  • Hiergegen wehrte sich die Mutter des Kindes als Anspruchsberechtigte und reichte zunächst Klage beim Verwaltungsgericht ein. 

OVG: Ehegatteneinkünfte für Leistungsfähigkeit der Großmutter unbedeutend 

Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das danach mit Berufung durch das Jugendamt angerufene Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht gaben der Klage statt und verurteilten das Jugendamt zur ungekürzten Zahlung von Pflegegeld.

  • Die Großmutter sei nicht in der Lage den Unterhalt für ihren Enkel zu zahlen.
  • Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Ehemannes hat das OVG nicht getroffen, da es der Auffassung war, der Unterhaltsanspruch der Großmutter gegenüber ihrem Ehemann dürfe nicht bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, da dieser nicht in gerader Linie mit dem Kind verwandt sei.

BVerwG: Berücksichtigung des Ehegatteneinkünfte bei Enkelunterhalt rechtens

Das Bundesverwaltungsgericht korrigierte nun die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das OVG zurück.

Neben der Hilfe zur Erziehung (§ 27 Abs. 1, 2a, § 33 SGB VIII) hat die Klägerin grundsätzlich auch Anspruch auf ergänzende Leistung zum Unterhalt (§ 39 Abs. 1 SGB VIII), der u.a. die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft. Nach Auffassung der Richter wurde dieses Pflegegeld jedoch zu Recht durch das Jugendamt gekürzt.

Voraussetzungen für eine angemessene Kürzung des monatlichen Pauschalbetrages ist nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII, dass die

  • Pflegeperson mit dem Kind oder Jugendlichen in gerader Linie verwandt ist und
  •  in der Lage ist, unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts, dem Kind Unterhalt zu gewähren.

Gem. §§ 1601, 1606 Abs. 2 BGB ist die Großmutter als Pflegeperson ihrem Enkel gegenüber unterhaltsverpflichtet, soweit – wie im vorliegenden Fall – die Eltern dazu nicht in der Lage sind.

Die Ermittlung der Fähigkeit, diesen Enkelunterhalt zu leisten, richte sich nach zivilrechtlichen Regeln, bei denen nach §§ 1360, 1360a BGB das Familieneinkommen zugrunde zu legen sei. Daher sind nach Auffassung des BVerwG bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Großmutter auch die Einkünfte ihres mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandten Ehemannes zu berücksichtigt.

BVerwG, Urteil v. 19.5.2016, 5 C 36.15.



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