BGH zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs bei hohem Einkommen
Ein Auskunftsanspruch über das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten besteht immer dann, wenn die Auskunft Folgen für den Unterhaltsanspruch haben kann. Das gilt unabhängig davon, ob der Unterhaltspflichtige sich selbst als leistungsfähig bezeichnet.
Keine Festlegung der „relativen Sättigungsgrenze“ bei hohem Einkommen
Geht eine Ehe in die Brüche, kann der finanziell schlechter gestellte Ehepartner für die Zeit des Getrenntlebens Trennungsunterhalt verlangen (§ 1361 BGB). Ab welchem Einkommen erfolgt die Ermittlung des Ehegattenunterhalts nicht nach der Quotenberechnung, sondern durch konkrete Bedarfsermittlung, weil vermutet wird, die Einkünfte würden nicht vollständig zur Deckung des Lebensbedarfs verbraucht, sondern diene auch der Vermögensbildung?
- Dies bleibt laut BGH weiter der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall vorbehalten. Es gibt also weiter keine klare Grenze.
- Es ist laut BGH jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte als Grenze des Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle ansetzen.
Auskunftsklage gegen den getrennt lebenden Ehemann
Die Beteiligten des Rechtsstreits um Trennungsunterhalt heirateten 1998, haben keine Kinder und leben seit 2012 getrennt. Die 1956 geborene Ehefrau bewohnt das in ihrem Alleineigentum stehende Einfamilienhaus und bezieht eine Berufsunfähigkeitsrente.
- Von ihrem Ehemann, einem Rechtsanwalt und Notar,
- verlangt sie im Wege des Stufenantrags Auskunft über sein 2013 bis 2015 erzieltes Einkommen
- sowie die Vorlage entsprechender Belege.
Ehemann will keine Auskunft geben und erklärt sich für unbegrenzt leistungsfähig
Da sich der Ehemann für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt hatte, wies das Amtsgericht Potsdam den Antrag der Ehefrau auf Auskunftserteilung durch Teilbeschluss zurück. Auf die Beschwerde der Ehefrau hin gab das OLG Brandenburg dem Antrag statt. Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hatte schlussendlich keinen Erfolg.
Auch bei unbegrenzter Leistungsfähigkeit entfällt der Auskunftsanspruch nicht
Der BGH entschied ebenfalls wie das OLG, dass die Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann gem. § 1580 Abs. 1 BGB einen Auskunftsanspruch habe. |
Ein solcher Anspruch bestehe nur dann nicht,
- wenn feststehe, dass die begehrte Auskunft
- den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung
- unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen könne.
Der Ausnahmefall, dass eine Auskunft mit Blick auf Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit nicht geschuldet sei, liegt nur ausnahmsweise vor, so der BGH.
Auskunftsanspruch besteht immer bei Bedarfsermittlung nach der Quotenmethode
Aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei "unbegrenzt leistungsfähig", entfällt der Auskunftsanspruch noch nicht,
- denn der Auskunftsanspruch dient auch dazu, dem Unterhaltsberechtigten ein Bild über die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu machen
- und somit das Prozess- und Verfahrensrisiko einschätzen zu können.
Wann enfällt der Auskunftsanspruch
Eine Auskunftspflicht entfällt laut BGH somit nur, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben könne. |
- Erklärt sich der Unterhaltspflichtige, wie vorliegend, für „unbegrenzt leistungsfähig“, bedeutet dies lediglich, dass er darauf verzichte, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben.
- Es stehe hingegen noch nicht fest, dass auch der nacheheliche Unterhaltsbedarf, welcher sich gem. § 1578 Abs.1 S.1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen bzw. nach dem Familieneinkommen bemisst, ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann.
Bei hohen Einkommen ist eine konkrete Bedarfsermittlung notwendig
In den meisten Fällen wird in der Praxis bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen der Unterhaltsbedarf nach der Quotenmethode ermittelt. Hierbei wird vermutet, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird.
Bei guten #Einkommensverhältnissen und einem hohen #Lebensstandard ist die Berechnung des Unterhalts nach der #Quotenmethode nicht angemessen, da hier die Vermutung nahe liegt, dass ein Teil des Einkommens der #Vermögensbildung zufließt.
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Daher muss in diesen Fällen der Unterhaltsbedarf für Konsumzwecke konkret vorgetragen und dargelegt werden. Ab welcher Einkommensgrenze die tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte für den laufenden Lebensbedarf entfalle, bleibe jedoch der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall vorbehalten, denn hierbei haben sich bisher auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung keine festen Erfahrungssätze herausgebildet.
Keine einheitliche konkrete Sättigungsgrenze – aber: Einkommensgrenze von 11.000 EUR nicht zu beanstanden
Es sei jedoch zur praktikablen Bewältigung des Massenphänomens Unterhalt nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte von einer Grenze des Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle (2 x 5.500 EUR, sog. relative Sättigungsgrenze) ausgehen, so der 12. Senat.
Im Streitfall verfügte der Ehemann über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 6.000 bis 7.000 EUR. Daher liege dies - auch unter Berücksichtigung der weiteren Einkünfte der Ehefrau - noch im Bereich einer zulässigen tatsächlichen Vermutung des vollständigen Einkommensverbrauchs für den Lebensbedarf.
Auch wenn das Familieneinkommen darüber hinausgehen sollte, könne die Ehefrau ihren Unterhaltsbedarf ausgehend von der Einkommensquote beziffern lassen. Hierzu müsste sie jedoch die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darlegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang beweisen.
(BGH, Beschluss v. 15.11.2017, XII ZB 503/16).
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