Wunsch des Betroffenen ist bei der Betreuerauswahl zu berücksichtigen
Benötigt eine Person einen Betreuer, weil sie aufgrund ihres Alters oder aufgrund geistiger oder körperlicher Einschränkungen nicht imstande ist, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, dann ist bei der Auswahl des Betreuers zu berücksichtigen, wen der Betroffene selbst als seinen Betreuer vorgeschlagen hat.
Weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit erforderlich
Nach § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB ist grundsätzlich die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Seinen Wunsch muss der Betroffene irgendwie kundtun bzw. erkennen lassen. Es ist aber weder seine Geschäftsfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit erforderlich. Ebenso ist irrelevant, was den Betroffenen zu dem Betreuervorschlag bewogen hat.
Keine Ermessensausübung durch das Betreuungsgericht
Liegt ein Betreuervorschlag des Betroffenen vor, dann hat der Richter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen und hat die gewünschte Person zu bestellen.
Nur wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des zu Betreuenden zuwiderläuft, hat sein Wille unberücksichtigt zu bleiben. Bei der Frage, ob das Wohl des Betroffenen tangiert wird, hat eine umfassende Abwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen. Ein Abweichen vom Vorschlag des Betroffenen hat nur zu erfolgen, wenn Gründe von erheblichem Gewicht vorliegen, die gegen die Bestellung der gewünschten Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass die vorgeschlagene Person die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will.
Ohne Betreuervorschlag Verwandtschaftsverhältnisse zu berücksichtigen
Hat der Betroffene keine Person als Betreuer vorgeschlagen und seinen Willen auch nicht auf sonstige Weise kundgetan, dann sind bei der Auswahl des Betreuers gemäß § 1897 Abs. 5 S. 1 BGB die verwandtschaftlichen Beziehungen und persönlichen Bindungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Diese Regelung hat zur Folge, dass für den Fall, dass der Betroffene einen nahen Angehörigen als Betreuer vorgeschlagen hat, dieser erst recht zu ernennen ist.
Der Fall:
Aufgrund dieser gesetzlichen Ausgangslage hat sich eine Tochter erfolglos gegen die Bestellung ihrer beiden Geschwister als Betreuer für den Vater zur Wehr gesetzt. Sie konnte nicht erreichen, dass anstelle ihrer Geschwister ein Berufsbetreuer für den Vater bestellt wird. Dieser hatte nämlich bei Erteilung einer Vorsorgevollmacht bestimmt, dass zwei seiner Kinder zu Betreuern bestellt werden sollen und hat diesen Wunsch bei seinen persönlichen Anhörungen vor dem Betreuungsgericht wiederholt.
Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich
Zwar war der betroffene Vater bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht und auch bei den späteren Anhörungen vor Gericht nicht mehr geschäftsfähig. Auf seine Geschäftsfähigkeit kommt es jedoch nicht an. Es genügt vielmehr, dass er seinen Willen oder Wunsch kundtut, dass eine bestimmte Person sein Betreuer werden soll.
Gründe dafür, dass die Bestellung der gewünschten Geschwister zu Betreuern dem Wohl des Vaters zuwiderlaufen könnte, waren nicht ersichtlich. Insbesondere ist in dem Zusammenhang nicht relevant, dass die Geschwister untereinander zerstritten waren. Im Ergebnis konnte die nicht ausgewählte Schwester nichts dagegen unternehmen, dass ihre beiden Geschwister zu Betreuern des Vaters bestellt wurden.
(BGH, Beschluss vom 18.08.2021, XII ZB 151/20).
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Hintergrund: Wie wird ein Betreuer bestellt?
Der Betreuer wird auf Antrag des Betroffenen durch das Gericht bestellt. Der gestellte Antrag begrenzt auch die Reichweite der Betreuung.
- Auch ein Geschäftsunfähiger kann einen diesbezüglichen Antrag stellen (§ 1896 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- Dritte, insbesondere Kinder für ihre Eltern oder das Krankenhauspersonal, können keinen Antrag stellen.
- Sie können lediglich ein Amtsverfahren anregen.
Betreuung soll Defizite des Betroffenen ausgleichen. Gleichwohl ist die Selbstverantwortung und die Autonomie des Betroffenen im rechtsgeschäftlichen Bereich zu achten.
Zahl der Betreuer und Betreuungen wächst rasant
Wurden im Jahr 1992 nach einer Zusammenstellung des Bundesamtes für Justiz lediglich 75.170 Betreuerbestellung angeordnet, waren es im Jahr 2000 bereits 192.281 Bestellungen. Nach einem zwischenzeitlichen weiteren Anstieg hat sich die Zahl inzwischen wieder ungefähr auf dem Niveau des Jahres 2000 eingependelt. Insgesamt stehen in Deutschland zur Zeit ca. 1,3 Millionen Menschen unter Betreuung.
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