EBO soll elektronischen Rechtsverkehr mit Justiz und Behörden ab 2022 massiv ausbauen
Die Bundesregierung hatte den „Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs“ bereits Anfang 2021 beschlossen, inzwischen haben Bundestag und Bundesrat (am 17. September 2021) zugestimmt.
Bald darf jeder Dokumente vom und zum Gericht elektronisch senden und empfangen
Mit dem eBO wird soll es Bürgerinnen und Bürgern, Organisationen, Verbänden und Unternehmen, Verfahrensbeteiligten wie Sachverständigen, Dolmetschern, Gerichtsvollziehern, Betreuern, Insolvenzverwaltern und Steuerberatern ermöglicht werden, Dokumente künftig, auf elektronischem Wege an die Gerichte zu übersenden und umgekehrt von den Gerichten zu erhalten.
- Die Einführung des eBO ist bereits zum 1.1.2022,
- das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zum 1.1.2023 geplant.
Zweck: Erleichterte Kommunikation mit Justiz und Behörden
Der Gesetzgeber will mit der Reform den Zugang zum Recht für all diejenigen vereinfachen, die in der Lage sind, diese digitalen Zugangsmöglichkeiten zu nutzen. Auch die Führung elektronischer Akten an den Gerichten soll damit erleichtert werden, indem Medienbrüche bei der elektronischen Aktenbearbeitung vermieden, Arbeitsabläufe optimiert und die Verfahren effizienter gestaltet werden.
eBO soll die Hemmschwelle für elektronischen Rechtsverkehr drastisch senken
Der Regierungsentwurf zielt insbesondere auf die Einrichtung sicherer Übermittlungswege für Privatpersonen, Verbände, Unternehmen und sonstige Organisationen sowie die weiteren Verfahrensbeteiligten ab. Innerhalb der bestehenden EGVP-Infrastruktur wird die Einrichtung eines besonderen „elektronischen Bürger- und Organisationen-Postfachs“ (eBO) ermöglicht, das sowohl den elektronischen Versand als auch den Empfang elektronischer Dokumente in der Kommunikation mit Gerichten erlaubt. Kritiker bezweifeln allerdings, dass die die Gewährleistung der datenschutzrechtlichen Erfordernisse innerhalb des kurzen, bis zum 1.1.2022 verbleibenden Zeitraums, möglich sein wird.
Der Gesetzgeber hält De-Mail-Infrastruktur für sicher
Nach Auffassung des Gesetzgebers bietet die De-Mail-Infrastruktur die Chance, den elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr beweissicher auszugestalten, ohne dass der Nutzer unbedingt über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen müsste. Durch eine vom Provider qualifiziert elektronisch signierte Absenderbestätigung ist nach Auffassung des Gesetzgebers die vom De-Mail-System gewährleistete Authentizität und Integrität als ausreichend anzusehen.
Änderung der „Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung“
Die „Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung“ (ERVV) erhält einen neuen § 10, der die Voraussetzungen für die Einrichtung eines eBO regelt. Gemäß § 10 Abs. 1 ERVV-E erhalten natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige Vereinigungen das Recht, zur Übermittlung elektronischer Dokumente an Gerichte und Behörden auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches „Bürger- und Organisationenpostfach“ zu verwenden.
Voraussetzungen der Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr
Die Neufassung der ERVV enthält eine Reihe von Vorbedingungen für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr. Wesentliche Voraussetzungen sind:
- Das vom Teilnehmer verwendete eBO beruht auf dem Protokollstandard OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard,
- bei dem die Identität des Postfachinhabers festgestellt worden ist,
- bei dem der Postfachinhaber in ein sicheres elektronisches Verzeichnis eingetragen ist,
- bei dem sich der Postfachinhaber beim Versand eines elektronischen Dokuments authentisiert,
- bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber selbst versandt wurde,
- dessen Postfach über eine Suchfunktion verfügt, die es ermöglicht, den Postfachinhaber aufzufinden und
- das barrierefrei im Sinne der „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung“ ist.
Eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen erforderlich
Daneben enthält die Reform weitere Vorschriften zur Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers, § 11 ERVV-E, zur Löschung des eBO, § 12 ERVV-E, sowie Vorschriften zu erforderlichen Änderungen u.a. der StPO, des ArbGG, der VwGO, des SGG, der FGO und der BRAO.
Bisherige Zustellungsmöglichkeiten bleiben erhalten
Im übrigen bleibt es bei den bisherigen Zustellungsregeln, die sich künftig in §§ 174 ff ZPO-E wiederfinden. Auch die Zustellung durch Telekopie gegen Empfangsbekenntnis bleibt danach unverändert möglich. Daneben ist gemäß § 176 ZPO-E eine Zustellung durch Einschreiben Rückschein möglich. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein, § 176 Abs. 1 Satz 2 ZPO-E.
Weitere Neuerungen
- Elektronische Zustellung durch Gerichtsvollzieher
In Anwendung der Ermächtigung des § 753 Abs. 4 Satz 4 ZPO wird künftig die elektronische Zustellung elektronischer Dokumente im Vollstreckungsverfahren durch den Gerichtsvollzieher unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht.
- Güteverhandlung per digitaler Videokonferenz
Nach dem neuen § 278 ZPO-E wird die Durchführung der Güteverhandlung in Zivilsachen im Wege der Zuschaltung von Verfahrensbeteiligten über die Videokonferenztechnik ermöglicht. Auch die Nutzung digitaler Videokonferenztechnik in der mündlichen Verhandlung wird erweitert.
- Klarstellungen für Arbeitsgerichtsverfahren
Mit einer Änderung des § 64 ArbGG wird klargestellt, dass die bereits seit längerem gültigen Vorschriften der §§ 46c ff ArbGG zum elektronischen Rechtsverkehr auch im arbeitsgerichtlichen Berufungs- und Revisionsverfahren gelten.
- Elektronischer Rechtsverkehr in anderen Verfahrensarten
Schließlich wird durch Änderungen der VwGO, der FGO und des SGG die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs auch in diesen Verfahrensformen erweitert, teilweise allerdings erst mit Wirkung zum 1.1.2026.
Anwaltschaft immer noch zurückhaltend
Ein nicht unerheblicher Teil der Anwälte lehnt trotz der unbestreitbaren Rationalisierungseffekte die Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr immer noch ab. Die Ablehnungshaltung ist insbesondere bei kleinen Kanzleien, Einzelanwälten und Anwälten, die nur in Teilzeit tätig sind, besonders groß. Dies dürfte auf die Furcht vor zusätzlichen Kosten zurückzuführen sein, die insbesondere für Kleinkanzleien, die nicht über ein umfassendes elektronisches Equipment verfügen, durchaus ins Gewicht fallen können. Auch die Justiz ist nicht frei von Vorbehalten. Trotz nicht zu übersehender Startschwierigkeiten, beispielsweise mit dem beA, ist die umfassende Digitalisierung der Justiz aber nicht mehr aufzuhalten.
Das eBO kommt Anfang 2022
Am 24.6.2021 haben der Bundestag in 3. Beratung und am 25.6.2021 der Bundesrat der Reform zugestimmt. Damit dürfte das eBO bereits Anfang 2022 Realität werden.
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