BGH zur Erstattung der Reisekosten für einen gerichtsbezirksfremden Rechtsanwalt
Jeder Anwalt kennt das Problem der Reisekostenerstattung bei Wahrnehmung auswärtiger Gerichtstermine in Zivilsachen. Nimmt ein Düsseldorfer Rechtsanwalt in einem Zivilrechtsstreit einen Gerichtstermin in Frankfurt wahr und erstreitet ein obsiegendes Urteil, so kann er häufig die Reisekosten zwar seinem eigenen Mandanten, aber nicht der Gegenpartei in Rechnung stellen, weil es oft an der Notwendigkeit der Beauftragung eines auswärtigen Anwalts i. S. v. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehlt (vgl. BGH, Beschluss v. 12.9.2013, I ZB 40/13).
Kosten des Rechtsstreits sind von der unterliegenden Partei zu tragen
Diesen Grundsatz hat der BGH nun zwar nicht aufgehoben, aber zumindest relativiert. Im entschiedenen Fall hatte ein in Düsseldorf ansässiger Verband in einer Wettbewerbsangelegenheit eine Düsseldorfer Rechtsanwältin mit der Führung eines Rechtsstreits vor dem LG und dem OLG Frankfurt beauftragt.
Im Berufungsrechtszug erkannte die Gegenpartei den geltend gemachten Anspruch an, so dass ein Anerkenntnisurteil erging, in dem der beklagten Partei die Kosten des Rechtstreits komplett auferlegt wurden.
Unterschiedliche Entscheidungen zur Kostenerstattungspflicht
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger u.a. beantragt,
- die tatsächlich angefallenen Reisekosten
- bis zur höchstmöglichen Entfernung im Landgerichts- bzw. Oberlandesgerichtsbezirk Frankfurt am Main festzusetzen.
Nach unterschiedlichen Entscheidungen des LG und des OLG hatte sich der BGH im Beschwerdeverfahren mit dieser Frage auseinander zu setzen.
Nur notwendige Kosten sind zu erstatten
Der BGH stellte zunächst auf den Wortlaut der Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ab:
Hiernach sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
Beauftragung eines Anwalts im Gerichtsbezirk Frankfurt war für Wettbewerbsverband zumutbar
Nach Auffassung des BGH beurteilt sich die Frage der Notwendigkeit nach einer typisierenden Betrachtungsweise:
- Um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung handle es sich dann, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ortsansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt.
- Eine Ausnahme bestehe aber schon dann, wenn im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts feststehe, dass ein eingehendes persönliches Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sei.
- Dies sei unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der betreffenden Partei um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen handele, wie beispielsweise um einen Verband zum Schutz wettbewerbsrechtlicher Interessen wie im anhängigen Fall.
- Folglich sei es im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen, mit der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes eine Rechtsanwältin zu beauftragen, die nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist.
- Die tatsächlichen Reisekosten zu den Prozessgerichten seien deshalb keine notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (so auch BGH, Beschluss v. 12.12.2012, IV ZB 18/12).
Auch Anwälte in Randlagen des Gerichtsbezirks mandatierbar
Eine wichtige Relativierung dieser Grundsätze verfügte der Senat insofern, als zu den notwendigen Kosten im Sinne von § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO auch die Kosten zählen, die entstanden wären, wenn die obsiegende Partei eine Rechtsanwältin mit Niederlassung in einer Randlage des Gerichtsbezirks Frankfurt beauftragt hätte, und zwar am am weitesten entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks.
- Dies folge daraus, dass die Frage, ob Mehrkosten für die Anreise eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, sich grundsätzlich gemäß § 91 Abs. 2 ZPO erst dann stelle, wenn der Sitz des Anwalts außerhalb der Gerichtsbezirksgrenze liege.
- Die unterlegene Partei müsse also immer damit rechnen, einem Rechtsanwalt, der am Rande des Gerichtsbezirks wohnt, die Reisekosten erstatten zu müssen.
Gründe für eine Schlechterstellung des außerhalb des Bezirks niedergelassen Rechtsanwalts im Verhältnis zu dem in einer Randlage des Gerichtsbezirks ansässigen Anwalt seien nicht ersichtlich und auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar.
Vorinstanz muss nachrechnen und erneut entscheiden
Der Senat hat die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen, da das Beschwerdegericht noch keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Kläger die geltend gemachten fiktiven Reisekosten zutreffend berechnet hat.
(BGH, Beschluss v. 9.5.2018, I ZB 62/17
Hinweis: RVG Reisekostenrechner
Im Anschluss an die Entscheidung des BGH ist unter www.engebe.de ein Onlinetool verfügbar, dass für Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte, Verwaltungsgerichte, Arbeitsgerichte und Sozialgerichte die Suche nach dem im Gerichtsbezirk am weitesten vom Gerichtsort entfernten möglichen Anwaltssitz ermöglicht.
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Hintergrund:
Reisekosten: Übernachtung ja - Essen nein
Grundsätzlich gilt: Der in die Prozesskosten verurteilte Gegner muss gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO diejenigen Reisekosten tragen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder –verteidigung notwendig waren. War – wie im angefochtenen Beschluss bejaht – eine Übernachtung als notwendig anzuerkennen, sind entsprechend die Kosten für diese Übernachtung zu erstatten.
Mahlzeiten hingegen gehören nicht zu den notwendigen Reisekosten, weil die Aufnahme von Mahlzeiten auch ohne die Reise zum Prozessgericht notwendig gewesen wäre. Etwaige Mehrkosten, die der Rechtsanwalt durch eine auswärtige – statt häusliche - Verpflegung hat, werden durch das Tage- und Abwesenheitsgeld abgegolten.
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