Ohne Anwalt eingelegte Berufung kann durch PKH-Antrag gerettet werden


PKH-Antrag kann ohne Anwalt eingelegte Berufung retten

Wer als Nichtanwalt trotz bestehenden Anwaltszwanges selbst Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil einlegt, muss mit einer Klageabweisung mangels Zulässigkeit rechnen. Stellt die betreffende Person allerdings aufgrund finanzieller Bedürftigkeit parallel einen Antrag auf Prozesskostenhilfe, kann laut BGH Wiedereinsetzung gewährt werden.

Der Anwaltszwang, der dem Schutz der zu vertetenen Prozessparteien dient, bewirkt, dass in dem vom Anwaltszwang erfassten Verfahren nur der Rechtsanwalt wirksam Prozesshandlungen vornehmen, z. B. Klage erheben, Rechtsmittel einlegen oder Anträge stellen, kann.

Gleichzeitig PKH beantragt und Berufung eingelegt

In dem Fall fraglichen Fall war der Beklagte vom Amtsgericht Köln zur Zahlung von rund 1.300 Euro wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung verurteilt worden. Er war zugleich eine bedürftige Person im Sinne der Prozesskostenhilferechts.

  • In einem Schriftsatz hatte der Beklagte
  • persönlich gegen das Urteil Berufung eingelegt
  • sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie notwendige Belege hierzu
  • innerhalb der Berufungsfrist

beantragt.

Landgericht lehnte PKH-Bewilligung ab und verwarf Berufung als unzulässig

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde vom Landgericht Köln zurückgewiesen, weil die Berufung gegen das Urteil keine Aussicht auf Erfolg hätte. Mit demselben Beschluss wurde die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Beklagte die Berufung nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt habe.

BGH bewilligte PKH und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Nach der Rechtsbeschwerde gegen diese Beschluss gab es nicht nur eine PKH-Bewilligung. Der Bundesgerichtshof hat dem Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss gewährt. Begründung des BGH: Das Landgericht Köln habe das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nach Art. 2 Abs. I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt.

Antrag auf PKH verhindert Fristablauf für die Berufung

Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung des BGH,

  • dass ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat,
  • bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen ist, das Rechtsmittel wirksam einzulegen,
  • wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste. 

Dies gilt laut BGH auch dann, wenn neben dem Prozesskostenhilfegesuch eine unzulässige Berufung eingelegt worden ist.

Nach PKH-Entscheidung folgt Wiedereinsetzung

Da die Prozesskostenhilfe beantragende Partei wegen ihrer Prozesskostenhilfebedürftigkeit gehindert war, einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung im Berufungsverfahren zu beauftragen, ist ihr, wenn sie nach den gegebenen Umständen nicht mit der Ablehnung ihres Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste, nach Entscheidung über die Prozesskostenhilfe - wenn also der Verhinderungsgrund wegfällt - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das Gericht hatte daher zunächst über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden, um so der Partei Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, falls sie beabsichtigt, das Berufungsverfahren – im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe auf eigene Kosten – durchzuführen.

(BGH, Beschluss v. 14.3.2017, VI ZB 36/16).

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Hintergrund

§ 78 ZPO Anwaltsprozess

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.