Befangenheit einer Richterin wegen Geschäftsführertätigkeit des Ehemanns
Einer Richterin wurde ein „Dieselgate“- Verfahren übertragen. Darin klagte ein Autokäufer auf Schadensersatz wegen der manipulierten Abgasregulierung seines Skodas Superb.
Ehemann der Richterin arbeitet in hoher Position für Zulieferer von Motorteilen
Die Richterin legte die Karten auf den Tisch und ließ die Parteien wissen, dass ihr Ehemann geschäftsleitend bei einem Automobilzulieferers tätig ist, der auch Komponenten für Dieselmotoren fertigt, die u.a. in Skodas verbaut werden. Reichte das aus, um einem Befangeheitsantrag zum Erfolg zu verhelfen?
Wonach entscheidet sich, ob Befangenheit zu befürchten ist oder nicht?
Zunächst einmal müssen es rein objektive Gründe sein und es kommt allein auf die Sicht des den Richter Ablehnenden an. Zu fragen ist daher:
- Liegen Umstände vor, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln?
- Ob der Richter tatsächlich befangen ist oder sich selbst für (un-)befangen hält, ist dagegen unerheblich.
Verbundenheit mit Unternehmen mit gleichen Belangen wie eine Partei
Lange anerkannt als Grund für die Besorgnis der Befangenheit ist eine nahe persönliche oder geschäftliche Beziehung des Richters selbst zu einer juristischen Person, die die gleiche wirtschaftliche Interessenlage hat wie eine der Parteien. Dann sind auch seine eigenen, wenn auch nur mittelbaren Interessen betroffen, sodass er der Sache nicht zu 100 % wertneutral gegenübersteht.
Rechtsanwaltstätigkeit nahestehender Person in Kanzlei des Prozessbevollmächtigten
Ebenso als befangen wird vom BGH ein/e Richterin angesehen, wenn eine ihm nahestehende Person, also Ehegatte oder sonstiger naher Verwandter, als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten tätig ist. Auch hier besteht begründeter Anlass zur Sorge, dass es dadurch zu einer unzulässigen Einflussnahme auf den Richter kommen könnte (BGH, Beschluss v. 15.3.2012, V ZB 102/11). →Richter wegen Ehefrau in Anwaltskanzlei befangen
Sachliche Nähe zum Prozessstoff über den Ehemann der Richterin reichte für Befangenheit
So nah zu einer Prozesspartei wie in den bislang bejahten Befangenheitsfällen standen in dem Rechtsstreit vor dem OLG München zwar weder die Richterin noch ihr Ehemann. Dennoch ließen es die Richter – noch anders als die Kollegen in der Vorinstanz - ausreichen, dass der Ehegatte in geschäftsleitender Funktion einer Zuliefererfirma tätig war. In dieser Position sei er
- in die konkreten Fragen der Zusammenarbeit mit der beklagten Autofirma eingebunden,
- die möglicherweise Gegenstände des Verfahrens betreffen.
Ablehnung wegen Befangenheit ist eine präventive Maßnahme, keine Schadensbegrenzung
An der tatsächlichen Unabhängigkeit und Distanz der Richterin wurde nicht gezweifelt. Das OLG München will es aber genauso wie der BGH der betroffenen Partei nicht zumuten so lange abzuwarten, bis / ob doch einmal unzulässig Einfluss genommen wird und sie hiervon erfährt. Dann könnte ein Richter erst dann abgelehnt werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist oder gar nicht, weil die Beeinflussung nicht nachweisbar ist.
(OLG München, Beschluss v. 7.1.2021, 19 W 1837/20)
Hintergrund: Rechtsgrundlagen und Fallgruppen
Alle Verfahrensordnungen gewähren die Möglichkeit, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§§ 41 ff. ZPO, §§ 22 ff. StPO, § 54 VwGO, § 18 BVerfGG).
Verfassungsrechtlich wird das durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt und den darin normierte Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter. Damit soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (BVerfG, 2 BvR 1837/00 v. 30.10.2002).
Die Verfassungsnorm garantiere, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet.
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