Viele Nudges zielen darauf ab, Energieverschwendung zu reduzieren und den Energieverbrauch zu senken. Häufig wird dies durch die Visualisierung des ansonsten abstrakten und schwer fassbaren Energieverbrauchs erreicht. Für die Wirksamkeit der Nudges spielen auch kontextuelle Faktoren wie die Unternehmenskultur, handelnde Personen, das Timing oder der Standort eine entscheidende Rolle. Die folgenden Beispiele thematisieren zunächst nicht-nachhaltiges Verhalten und stellen anschließend einen „Green Nudge“ vor, der auf das gewünschte Verhalten abzielt.
Wie Smileys Energie sparen können
Ein zentrales Qualitätsversprechen des Tiefkühlwaren-Unternehmens Deutsche See ist, dass Fisch und Meeresfrüchte stets frisch sind. Dies erfordert eine ununterbrochene Kühlkette und eine konstante Tiefkühltemperatur. Allerdings ließen einige Mitarbeiter in den Kühlhäusern in Bremerhaven gelegentlich die Türen offen. Dies führte zu einem deutlich erhöhten Energieverbrauch, um die notwendige Temperatur aufrechtzuerhalten. Es stellt sich die Frage, wie man die Mitarbeiter dazu bringen könnte, die Türen möglichst immer geschlossen zu halten.
Für die Mitarbeiter waren die Folgen der offenen Türen und dem damit verbundenen erhöhten Energieverbrauch oft abstrakt und daher nicht greifbar. Die Lösung bestand darin, einen Feedback-Nudge zu implementieren, der Mitarbeitenden die Auswirkungen ihres Verhaltens bewusst machte. Um das ohne erhobenen Zeigefinger und groß aufgesetzte Info-Kampagne zu erreichen, wurden LED-Anzeigen mit lächelnden oder traurigen Smileys benutzt, ähnlich wie in den Tempo-30-Zonen. Das Resultat: 19 Prozent weniger Temperaturschwankungen in den Kühlhäusern und fünf Prozent niedrigere CO₂-Emissionen.
Wärmesensitive Farbe auf Heizungen macht Energieverlust sichtbar
Heizkörper in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Bibliotheken oder auch Unternehmen verschwenden oft Energie in Räumen, die nicht genutzt werden oder in denen Fenster lange geöffnet sind. Laut einer Studie des Department of Energy and Climate Change in Großbritannien kann ein einziges geöffnetes Fenster während der Wintermonate über Nacht den Heizenergieverbrauch um bis zu 8 Prozent erhöhen. Das Kernproblem auch hier: Menschen können nicht sehen, ob ein Heizkörper heiß, warm oder kalt ist. Das macht es schwierig zu wissen, ob sie das Thermostatventil herunterdrehen sollten.
Die Idee: hitzeempfindliche Farbe auf den Heizkörpern. Wenn ein Heizkörper in einem Raum einen Temperaturabfall ausgleicht, zum Beispiel wenn ein Fenster zu lange offen steht, ändert die hitzeempfindliche Farbe auf der Oberfläche des Heizkörpers ihre Farbe von blau zu rot. Diese Farbänderung gibt den Menschen direktes, visuelles Feedback, wann sie den Heizkörper herunterdrehen, ausschalten oder das Fenster schließen sollten. Dadurch wird Abstraktes konkret gemacht und gewünschtes Verhalten stimuliert.
Energiedisplays für Transparenz beim Energieverbrauch
Mieter in Mehrparteienhäusern haben oft nur begrenzte Einblicke in ihre Energieverbrauchsmuster. Die Herausforderung liegt in der immateriellen Natur von Energie. Es ist schwierig zu messen, wie viel Wasser beim Duschen verbraucht wird oder wie viel Energie benötigt wird, um die Raumtemperatur an einem Wintertag zu halten. Menschen fehlt es oft an Feedback zu ihrer Energienutzung, da sie abstrakte Faktoren wie Wasserverbrauch oder Raumtemperatur nicht genau einschätzen können.
Um dieses Problem anzugehen, wurden bereits in über 60.000 Wohnungen in den Niederlanden Energiedisplays für Mieter eingeführt. Im Gegensatz zu mobilen Apps bleiben die Displays ständig im Blickfeld, beispielsweise im Wohnzimmer, und sensibilisieren die Mieter für ihren Energieverbrauch. Dabei wird in Echtzeit angezeigt, wie viel das Duschen eines Haushaltsmitglieds kostet. Laut einer Studie der Universität Tilburg können Haushalte, die ein Energiedisplay verwenden, etwa fünf Prozent ihrer jährlichen Energierechnung einsparen. Das entspricht einer jährlichen Ersparnis von 100 bis 200 Euro.
Wie soziale Normen die Wiederverwendung von Handtüchern fördern
Die Hotelbranche sieht sich täglich mit einer großen Menge an benutzten Handtüchern konfrontiert. Diese zu waschen, führt zu einem erheblichen Wasser- und Energieverbrauch.: Das Waschen einer 10 Kilogramm-Ladung Handtücher verbraucht mindestens 50 Liter Wasser und 1,2 Kilowattstunden Strom. Daher stellt sich die Frage, wie der Handtuchverbrauch der Gäste reduziert und sie dazu motiviert werden können, ihre Handtücher mehrfach zu verwenden.
Bereits 2008 wurden dazu Studien in Hotels durchgeführt, im Rahmen derer verschiedene Botschaften im Hotelbadezimmer auf ihre Effektivität getestet wurden. Am erfolgreichsten war dabei die Botschaft, die eine soziale Norm nutzte: "75 Prozent der Gäste, die in diesem Zimmer übernachtet haben, haben sich dafür entschieden, ihre Handtücher wiederzuverwenden." Dies führte letztendlich dazu, dass fast die Hälfte der Handtücher wiederverwendet wurde (49,3 Prozent).
„Uh, unsere Nachbarn haben viel weniger Strom verbraucht, als wir“
Die meisten Menschen erhalten einmal im Jahr ihre Strom- oder Heizkostenabrechnung. Doch nur wenige können wirklich einschätzen, ob diese hoch oder niedrig ist. In der Regel fehlt ein Bezugspunkt. Selbst der Vergleich mit der eigenen vorherigen Abrechnung gibt wenig Aufschluss darüber, ob das Verbrauchsverhalten effizient war oder nicht.
Energieunternehmen haben herausgefunden, dass Kunden ihren Stromverbrauch deutlich senken, wenn ihnen gesagt wird, wie hoch ihr Verbrauch im Vergleich zu dem ihrer Nachbarn ist. Das Energiemanagement-Unternehmen Opower verschickte diese Vergleichsberichte an Millionen Haushalte weltweit. Die Energieeinsparung, die damit erzählt wurde, würde ausreichen, um alle Wohnhäuser in San Francisco über zehn Jahre mit Strom zu versorgen.
Standardmäßiges Herunterfahren der Computer als Energie-Default
Viele Menschen neigen dazu, ihren Laptop am Ende eines Arbeitstages in den Ruhezustand zu versetzen, anstatt ihn komplett auszuschalten. Es ist einfacher und schneller, den Laptop zuzuklappen, statt ihn herunterzufahren. Der Stromverbrauch eines einzelnen Laptops mag über das Jahr hinweg nicht besonders hoch sein. In großen Organisationen mit mehreren Hundert Rechnern sieht das jedoch anders aus. Umso mehr, wenn sie Desktop-PCs mit höherem Energieverbrauch einsetzen.
Das Portland Community College will mit dem Projekt Power Shift Stromkosten senken und gleichzeitig die Umwelt schonen. Dabei werden die Campus-Computer jeden Abend um 23 Uhr automatisch heruntergefahren. Das College schätzt, dass dieses standardmäßige Abschalten mehrere tausend Kilowattstunden Strom und damit mehr als 80.000 US-Dollar pro Jahr an Energiekosten spart.
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Über den Autor
Matthias Höppner, der Initiator und Editor-in-Chief von green-nudges.com, und sein Team veröffentlichen auf ihrer Website, LinkedIn und Instagram jede Woche einen neuen Green Nudge aus aller Welt. Die Seite ist eine der führenden Plattformen für grüne Interventionen, die Menschen zur Inspiration für ihre Arbeit und Projekte nutzen können. Zusätzlich zur wöchentlichen Serie bieten Matthias und sein Team aus erfahrenen Verhaltenswissenschaftlern ein Beratungsangebot für Unternehmen oder andere Organisationen an, um ihnen dabei zu helfen, passende Green Nudges zu identifizieren, mit denen sie Mitarbeiter und Kunden zu nachhaltigem Verhalten bewegen können.