Die Vielfalt unter lebenden Organismen jeder Herkunft, darunter Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. Aber auch die Vielfalt innerhalb der Arten, zwischen verschiedenen Arten und die Vielfalt der Ökosysteme. Das alles ist Biodiversität. Und ihr Verlust, der sich im Artensterben unterschiedlicher Tier- und Pflanzenarten manifestiert, zählt zu den fünf größten globalen Risiken.
Bereits 1992 wurde die Biodiversitätskonvention verabschiedet, der fast 200 Vertragsparteien beigetreten sind. Und auch die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN beziehen sich in den Zielen 14 („Leben unter Wasser“) und 15 („Leben an Land“) auf Biodiversitätsziele. Nicht zuletzt können Biodiversitätsrisken zu betrieblichen Finanzrisiken werden: Dazu zählen physische Risiken wie der Wegfall von Dienstleistungen im Ökosystem und Übergangsrisiken wie ein geändertes Konsumentenverhalten.
Warum Biodiversität so relevant ist
Wenn der Mensch in biologische Lebensräume eingreift, kann das globale zoonotische Pandemien verursachen. Spätestens die Corona-Pandemie hat also die Notwendigkeit der Biodiversität verdeutlicht. Bei der 15. Weltbiodiversitätskonferenz (COP 15) in Montreal 2022 wurde schließlich das „Post-2020 Global Biodiversity Framework“ beschlossen, auch bekannt als „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“. Es zielt auf den Stopp und die Umkehr des globalen Biodiversitätsverlusts bis 2050 ab: durch vier langfristige Ziele bis 2050 und 23 kurzfristige Ziele bis 2030. Die Abschlusserklärung von COP 15 thematisiert das Ziel, mindestens 30 Prozent der globalen Landes- und Meeresflächen bis 2030 unter effektiven Schutz zu stellen.
Dies deckt sich mit der EU-Biodiversitätsstrategie. Zudem sollen, analog zu den Plänen der EU, 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme an Land und im Meer bis 2030 renaturiert werden. Des Weiteren ist geplant, den Eintrag von Düngemittelüberschüssen in die Umwelt und die Risiken durch Pestizide und sehr gefährliche Chemikalien bis 2030 zu halbieren. Auch dies deckt sich mit der EU-Biodiversitätsstrategie.
Biodiversität in der EU-Taxonomie-Verordnung
Basierend auf der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 wurde Biodiversität als zentrales Umweltziel der EU-Taxonomie-Verordnung 2020 klassifiziert. Artikel 9 der Verordnung benennt den „Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme“ als eines der sechs Umweltziele. In Bezug auf das Biodiversitätsziel wird in Artikel 15 der Verordnung näher ausgeführt, was ein wesentlicher Beitrag der betreffenden Wirtschaftsaktivität zum Schutz und zur Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme ist. Konkret können diesen Beitrag unter anderem die Erhaltung der Natur und der Biodiversität, die nachhaltige Landnutzung und -bewirtschaftung, nachhaltige landwirtschaftliche Verfahren sowie die nachhaltige Waldbewirtschaftung unter Angabe der benannten Beispiele leisten.
Biodiversitätsberichterstattung nach GRI 101 und TNFD
Zudem bildet die Biodiversität einen wichtigen Berichtsinhalt des neuen Nachhaltigkeitsberichts nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Jüngst hat auch die Global Reporting Initiative (GRI), mit der die EU-Kommission eng zusammenarbeitet, einen neuen Standard zur freiwilligen Biodiversitätsberichterstattung (GRI 101) veröffentlicht. Die globale Task Force on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) hat ebenfalls kürzlich ein freiwilliges globales Rahmenwerk für die Biodiversitätsberichterstattung vorgelegt.
Es ist davon auszugehen, dass das Rahmenwerk der TNFD analog zur Konsolidierung zwischen den Leitlinien der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und den Klimaberichtsstandards des International Sustainability Standards Board (ISSB) auch Eingang in den weiteren Standardsetzungsprozess des ISSB finden und an den internationalen Kapitalmärkten eine erhöhte Aufmerksamkeit genießen wird.
Biodiversitätsreporting nach der CSRD
Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) führt in den Erwägungsgründen die Zielsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 an, dass bis 2050 alle Ökosysteme weltweit wiederhergestellt, widerstandsfähig und angemessen geschützt sind. Der neue Nachhaltigkeitsbericht nach der CSRD als Pflichtbestandteil des Lageberichts bezieht – analog zu den Umweltzielen der EU-Taxonomie-Verordnung – auch die Biodiversität explizit ein.
ESRS E4 – Biodiversität und Ökosysteme
Zur Operationalisierung der Berichtsinhalte der CSRD liegt mit dem ESRS E4 ein eigenständiger Berichtsstandard mit gleichlautendem Titel „Biodiversität und Ökosysteme“ vor. Der ESRSE 4 weist Parallelen zum ESRS E1 „Klimaschutz“ auf, um die inhaltlichen Schnittmengen beider Umweltziele zu verdeutlichen. Eine erfolgreiche Klimatransformation im Unternehmen setzt die Beachtung von Biodiversität voraus und vice versa. Diese zentralen Angabepflichten zur Biodiversität sind in ESRS E4 enthalten:
- Übergangsplan und Berücksichtigung biologischer Vielfalt in Strategie und Geschäftsmodell
- Wesentliche Auswirkungen, Risiken, Chancen und Zusammenspiel mit Strategie und Geschäftsmodell
- Beschreibung der Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen bezogen auf Biodiversität
- Strategien, Maßnahmen und Mittel im Zusammenhang mit Biodiversität
- biodiversitätsbezogene Ziele
- Auswirkungsparameter im Zusammenhang mit biologischer Vielfalt (Inside-Out-Perspektive)
- erwartete finanzielle Auswirkungen von biodiversitätsbezogenen Auswirkungen, Risken und Chancen (Outside-In-Perspektive)
Erleichterungen bei der Biodiversitätsberichterstattung nach ESRS E4
In einem direkten Vergleich zu den Klimaangaben nach ESRS E1 fallen die Berichtspflichten im Nachhaltigkeitsbericht zur Biodiversität deutlich geringer aus. Dies gilt insbesondere für die quantitativen Leistungsindikatoren. Für die ersten zwei Berichtsjahre können Unternehmen mit maximal 750 Beschäftigten sogar alle Angaben aus ESRS 4 unterlassen.
Im Unterschied zu anderen Umweltthemen, wo quantitative Leistungsindikatoren mit vertretbarem Aufwand abgeleitet werden können – wie beim Wasserverbrauch, den (C02-)Emissionen oder beim Abfall – ist dieser Zustand bei der Biodiversitätsmessung (noch) nicht gegeben. Daher ist zu vermuten, dass die CSRD-pflichtigen Unternehmen in den kommenden Jahren primär qualitative, zukunftsorientierte und wenig objektivierbare Informationen zur Biodiversität vorlegen werden.
Biodiversitätsexpertise in der Internen Revision, im Aufsichtsrat und bei Wirtschaftsprüfern
Eine empirische Befragung von deutschen Aufsichtsräten, Internen Revisoren und Wirtschaftsprüfern aus dem Jahr 2023 weist darauf hin, dass bei den drei Überwachungsinstanzen die fachliche Expertise und die praktischen Erfahrungen mit der Biodiversität im Vergleich zu anderen Umweltthemen oder Sozialthemen weniger stark ausgeprägt ist. Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen in diesem Kontext aufgebaut werden oder externe Umweltgutachter hinzugezogen werden.
Zudem zeigte eine Aufsichtsratspanel-Befragung deutliche Lücken in der Biodiversitätsexpertise bei den befragten Aufsichtsräten gegenüber anderen Umwelt- und Sozialthemen auf. Insofern ist davon auszugehen, dass zur Überwachung der Biodiversitätsangaben im Nachhaltigkeitsbericht in höherem Umfang externe Gutachter ergänzend herangezogen werden, um die eingeschränkten naturwissenschaftlichen Kenntnisse der Überwachungsinstanzen auszugleichen.