„Das Wunder des Lebens auch in Industriegebieten zulassen“


Interview mit Katrin Lechler von Stanova

Sockelleisten, Kabelkanäle, Preisauszeichnungsprofile – das und mehr können Extrusions-Folgemaschinen aus Kunststoffen herstellen. Das Berliner Unternehmen Stanova Stanztechnik entwickelt und vertreibt solche Maschinen, die prägen, stanzen, sägen und bohren. Wie Stanova aber auch die biologische Vielfalt fördert, erzählt Geschäftsführerin Katrin Lechler im Interview.

Selbst ist Stanova Stanztechnik nur ein kleines Unternehmen mit fünf Mitarbeitenden, doch als Ausgründung der PROMESS Montage- und Prüfsysteme GmbH nutzt es auch deren Firmengelände, zu dem auch mehr als 1300 Quadratmeter Grünfläche gehören. Im Frühjahr 2024 hat sich Stanova dem „Berliner Bündnis für Biodiversität“ angeschlossen, einer Initiative der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Das Bündnis will Biodiversität fördern und soll den Wissenstransfer sowie den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen erleichtern. 

Wir haben mit Katrin Lechler, Geschäftsführerin von Stanova und Gesellschafterin bei PROMESS, gesprochen. Und zwar darüber, wie der Sondermaschinenbauer das Thema Biodiversität umsetzt, welche Herausforderungen gemeistert werden müssen und welchen Nutzen Unternehmen aus einer solchen Strategie ziehen können – auch wenn sie (noch) nicht berichtspflichtig sind. 

Frau Lechler, was verstehen Sie unter Biodiversität, auch in Bezug auf Ihr Unternehmen? 

Katrin Lechler: Biodiversität bedeutet für mich, das Wunder des Lebens auch in Industriegebieten zuzulassen. Wir dürfen uns als Gesellschaft fragen, warum wir Natur und Arbeit überhaupt voneinander getrennt haben. Beides gehört für mich zusammen. Warum können wir nicht bei der Arbeit eine Wildblumenwiese und mächtige Bäume vor dem Fenster haben, die erwiesenermaßen eine beruhigende Wirkung auf uns haben? Auf unserem Firmengelände ist es stellenweise wie in einem Park, in dem Vögel singen und in dem wir Mittagspause machen können. Auf dem Weg dorthin können wir uns eine Pflaume oder ein paar Johannisbeeren pflücken. Das kann und sollte alles miteinander verbunden sein.

Das ungenutzte Potenzial von Industrie- und Gewerbeflächen

… aber Ihr Unternehmen hat seinen Sitz in Berlin, mitten in einer Großstadt.

Industrie und Gewerbeflächen nehmen in Deutschland rund 20 Prozent der Siedlungsflächen ein. Damit haben wir einen großen Hebel, insbesondere in den Städten, um Biodiversität zu fördern. Oft muss dafür gar nicht viel getan werden. Man darf Flächen auch sich selbst überlassen und die Natur machen lassen. Stellen Sie sich vor, Sie starren lange Zeit auf den Bildschirm, gehen zur Tür raus und können plötzlich Wildhummeln, Schmetterlinge oder Bachstelzen beobachten, mitten im Industriegebiet – das ist äußerst entspannend. Arbeit und Natur sollten also keine getrennten Lebensbereiche sein.

War das auch Ihr Antrieb, sich mit Ihrer Firma dem Bündnis für Biodiversität anzuschließen?

Im Industrie- und Gewerbebereich sind zahlreiche Flächen ungenutzt. Hier können wir viel für die Artenvielfalt tun. Das Bündnis ermöglicht es, dass die Auswertung von Maßnahmen auch anderen Unternehmen zugutekommt. Der Netzwerk-Charakter erleichtert es zudem, die eigenen Erfahrungen weiterzugeben. Letztlich ist es auch eine große Fortbildung für alle Ebenen. Vonseiten der DIHK werden regelmäßig Webinare, Exkursionen und Workshops vor Ort organisiert. Es ist ein tolles Zusammenkommen von Unternehmen und Menschen, die alle für das Gemeinwohl wirken wollen.

Englischer Rasen oder wilde Wiese: Das ideale Firmengelände

Welche Maßnahmen für Biodiversität haben Sie bereits umgesetzt?

Wir haben die Zufahrt zum Gelände entsiegelt und stattdessen einen mäandernden Sandweg mit einem Trockengras-Biotop drumherum angelegt, das nicht gegossen werden muss. Zwei Apfelbäume habe ich persönlich gepflanzt. Mit der Goldparmäne und dem Gravensteiner haben ich alte Sorten ausgesucht, die oft für Allergiker verträglicher sind. Außerdem haben wir im Eingangsbereich eine Fläche mit Storchenschnabel, Lavendel und anderen ‚Insekten-Tankstellen‘, die gleichzeitig auch sehr repräsentativ ist. Da eine hohe Anzahl an Insekten auch viele Vögel anlockt, gehört ein Nistkasten ebenfalls zum Ensemble. Außerdem gibt es einen wilderen Teil, der stärker sich selbst überlassen wird. 

Mit welchen Herausforderungen hat man zu kämpfen, wenn man Biodiversität als Firma leben möchte?

Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen, wie ein Firmengelände auszusehen hat. Ein kurzgeraspelter Rasen mit akkurater Rasenkante kommt für unser Gelände nicht mehr infrage. Auch haben wir uns gegen den Einsatz von Laubbläsern entschieden, die viele Kleintiere töten. Es hat uns geholfen, ein Leitbild zu entwickeln, eine Gruppe von Klimascouts aufzubauen, die die Verbindung zur Belegschaft herstellt, und alle Schritte zu kommunizieren. Nur wenn alle dahinterstehen, lässt sich Biodiversität in einem Industriegebiet umsetzen. 

Biodiversität im Unternehmen: Keine Frage der Größe oder Berichtspflicht

Ihr Unternehmen ist als KMU nicht zum CSRD-Reporting verpflichtet. Sie müssen also keine Informationen zur Auswirkung auf die Biodiversität offenlegen. Was bringt Ihr Engagement aus unternehmerischer Sicht?

Betriebswirtschaftlich hat es keinen Einfluss. Auch wenn die Biodiversität positiv auf unser Image einzahlt, die Maschinen müssen verkauft werden und sie müssen laufen. Dabei hilft uns leider auch kein noch so schöner Insektenvorgarten. Stand heute ist es sogar eher ein Wettbewerbsnachteil, weil man sich um Biodiversität kümmern und Zeit sowie Geld investieren muss. Als kleine Firma haben wir keinen Nachhaltigkeitsbeauftragten, also fällt das in mein Ressort. Nichtsdestotrotz finde ich es wichtig und richtig, die Biodiversität auch als Firma zu fördern, unabhängig von der Unternehmensgröße oder einer Reportingpflicht.

Wie messen oder bewerten Sie die Erfolge Ihrer Maßnahmen?

Wir sind GWÖ zertifiziert und haben somit eine nachvollziehbare Leistung erbracht. Das Problem ist, dass es neben dieser Zertifizierung für Gemeinwohl-Ökonomie viele weitere Zertifizierungen gibt und für Außenstehende oft unklar ist, welche Zertifizierung wofür steht und welche überhaupt miteinander vergleichbar sind. Dadurch sind die Bewertungen von Biodiversitätsbestrebungen momentan noch etwas unübersichtlich.

Was sind die nächsten Projekte?

Ich möchte auf dem gemeinsamen Firmengelände eine Fassaden-Begrünung mit schnell wachsenden Kletterpflanzen initiieren. Diese Pflanzen können einerseits das Gebäude besser verschatten und andererseits Lebensraum für Vögel und Insekten bieten. Dazu stimmen wir uns mit den Klima-Scouts unserer Partnerfirma ab, in deren Gebäude wir uns eingemietet haben. Wir werden mit unseren Biodiversitäts-Maßnahmen also nicht nur weiter in die Fläche, sondern künftig auch in die Höhe gehen.

Welche Rolle wird Biodiversität Ihrer Meinung nach für Firmen künftig spielen?

Biodiversität zu fördern, macht ein Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv. Davon bin ich überzeugt. Mit einer solchen Unternehmensstrategie erreicht man vor allem die jüngere Generation. Wir können ihnen sagen, wir sind noch nicht perfekt, aber wir haben einen Ansatz. Somit kann die Biodiversitätsstrategie einer Firma künftig sogar zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor werden. Noch befinden wir uns aber ganz am Anfang dieses Weges.

Schlagworte zum Thema:  Umweltmanagement, Umweltschutz