Kaum ein Unternehmen kann von heute auf morgen klimaneutral wirtschaften. Wer dennoch eine saubere Klimabilanz aufweisen will, kompensiert seine Treibhausgas-Emissionen freiwillig, indem er mit Geld dafür sorgt, dass andernorts auf der Welt weniger CO2 entsteht.
Die Liste der Anbieter, die dabei behilflich sind, ist lang. Ebenso lang ist die Liste der möglichen Klimaschutzprojekte, mithilfe derer sich Treibhausgas-Emissionen freiwillig kompensieren lassen.
„Moderner Ablasshandel!“, „Ein Freifahrtschein, um fröhlich weiter so zu wirtschaften wie bisher!“, wettern die Kritiker des freiwilligen Ausgleichs. Sie beklagen, dass sich Unternehmen mit den Kompensationszahlungen davon freikaufen, ihre eigene Organisation und Produktion klimafreundlicher zu machen. Die Befürworter hingegen argumentieren damit, dass der Menschheit angesichts des Klimawandels schlicht die Zeit wegläuft und deshalb jede Kompensation eine gute Sache ist.
Reduktion vor Kompensation
Ausnahmslos alle, die sich ernsthaft mit dem Klimawandel auseinandersetzen, betonen immer wieder nachdrücklich, dass Vermeidung und Reduktion immer vor Kompensation rangieren: Erst wenn Unternehmen ihre eigenen Emissionen nicht vermeiden oder senken können, sollten sie darüber nachdenken, andernorts Emissionen einzusparen. Dann allerdings ist es sinnvoll. „Problematisch wäre die Kompensation nur dann, wenn die Unternehmen im Gegenzug andere Klimaschutzaktivitäten zurücknehmen“, sagt Professor Andreas Ziegler, Leiter des Fachgebiets Empirische Wirtschaftsforschung der Uni Kassel. Das sei aber meist nicht der Fall. Im Gegenteil: Unternehmen, die Treibhausgasemissionen ausgleichen, engagieren sich eher häufiger im Klima- und Umweltschutz.
Problematisch wäre die Kompensation nur dann, wenn die Unternehmen im Gegenzug andere Klimaschutzaktivitäten zurücknehmen.
(Prof. Andreas Ziegler)
Eher Unkenntnis als Unwillen
In der 2021 veröffentlichten Studie „ Kompensationszahlungen kleiner und mittlerer deutscher Unternehmen für CO2-Emissionen“ untersuchte die Universität Kassel mit Unterstützung der Allianz für Entwicklung und Klima den Stand der Dinge. Ein eher ernüchterndes Ergebnis: Nur rund 24 Prozent der befragten kleineren und mittleren Unternehmen kompensieren überhaupt einen Teil der eigenen CO2-Emissionen. Ziegler, Mit-Autor der Studie, führt das nicht auf eine generelle Ablehnung von Kompensationen, sondern auf häufig herrschende Unkenntnis zurück: Er beklagt das mangelnde Wissen darüber, wie die Ausgleichszahlungen funktionieren. Die gute Nachricht: Das Potenzial derer, die künftig Ausgleichszahlungen leisten könnten, ist groß.
Und noch eine gute Nachricht: Diejenigen Unternehmen, die bereits Ausgleichszahlungen leisten, wollen das meist auch weiterhin tun. Am häufigsten kompensieren KMU den eigenen Energieverbrauch, gefolgt von eigenen Logistikleistungen (Versand) und Emissionen durch Autofahrten für Dienst- und Geschäftsreisen. In aller Regel holen sich die Firmen dafür Unterstützung von entsprechenden Anbietern, wie zum Beispiel Atmosfair, ClimatePartner oder Myclimate. Wie gut einzelne Anbieter sind, hat unlängst die Stiftung Warentest in „Finanztest 11/2022“ unter die Lupe genommen, die Ergebnisse finden Sie hinter der Paywall der Kollegen hier.
CO2-Kompensation: Kriterien für gute Möglichkeiten
Emissionszertifikate geraten immer wieder in die Kritik, weil gern Schindluder mit ihnen getrieben wird. Es gilt bei der Auswahl also, sehr aufmerksam zu sein. Volkswirt Andreas Ziegler nennt drei Kriterien für eine sinnvolle freiwillige Kompensation:
- die Zusätzlichkeit: Ausgleichszahlungen sollten in Projekte fließen, die ohne dieses Geld gar nicht stattfinden würden.
- die Zertifizierung: die Projekte sollten von vertrauenswürdiger Stelle zertifiziert sein.
- die Überprüfung: die Projekte sollten regelmäßig unabhängig überprüft werden.
Aldi Süd zum Beispiel fördert Klimaschutzprojekte in Ghana, Indien, Brasilien und auf den Philippinen und unterstützt ein weltweites Projekt gegen den Plastikmüll. Der Discounter arbeitet mit ClimatePartner zusammen und bietet auf seiner Website einen Link zu den Projekten, zur kompensierten CO2-Menge sowie eine Tracking ID. Hier herrscht also Transparenz.
Gleiches gilt für den familiengeführten Kosmetikhersteller Dr. Babor. Der hat sich auf die Fahnen geschrieben, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2025 um 50 Prozent zu reduzieren. Bei den Kompensationsprojekten ist dem Unternehmen wichtig, dass die Maßnahmen über das Notwendige hinausgehen: Babor fördert deshalb neben einem nach Gold Standard zertifizierten Klimaschutzprojekt für Windkraft auf den Philippinen auch die weltweit agierende Initiative Plastik Bank. Dafür sammeln Menschen auf Haiti, in Indonesien und den Philippinen Plastik von Stränden und verbessern dadurch ihr Einkommen. Das gesammelte Plastik wird als Social Plastik recycelt. Laut Eigenangaben kompensiert Babor auf diese Weise mit jeder kompensierten Tonne CO2 gleichzeitig 10 Kilo Plastikmüll. Auch Babor arbeite mit ClimatePartner zusammen.
Seriosität der Klimaschutzprojekte entscheidet
Die Sinnhaftigkeit von Ausgleichszahlungen steht und fällt mit der Seriosität der Klimaschutzprojekte. Es ist unbedingt angeraten, Projekte auszuwählen, die nach seriösen internationalen Standards zertifiziert sind, Dazu zählen zum Beispiel der Verified Carbon Standard (VCS) oder der Gold Standard.
Im Mai stellte die Carbon Credit Quality Initiative (CCQI) ein neues Online-Tool vor, mit dem sich die Qualität von Emissionszertifikaten bewerten lässt. Es soll dabei unterstützen, „fundiertere Entscheidungen beim Kauf solcher Zertifikate [zu] treffen, was die Qualität der gehandelten Gutschriften insgesamt verbessern soll“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Das gemeinsam vom Environmental Defense Fund, World Wildlife Fund (WWF USA) und dem Öko-Institut entwickelte Tool steht kostenlos unter www.carboncreditquality.org zur Verfügung.