Kein Wachstum mehr bei Preisen und Mieten – aber Lichtblicke
Im Bulwiengesa-Immobilienindex 2024 wird erstmals seit 18 Jahren keine Steigerung mehr gegenüber dem Vorjahr registriert. Die Daten, die 2023 erhoben wurden, zeigen einen Gesamtindex (segmentübergreifend) von null Prozent. Im Vorjahresbericht gab es noch ein Plus von 4,6 Prozent. Der Teilindex Wohnen steigt noch leicht um ein Prozent (2022: plus 5,3 Prozent) – der Teilindex Gewerbe sinkt um 2,4 Prozent (2022: plus drei Prozent).
"Die Betrachtung des Immobilienmarktes in nominalen Werten täuscht derzeit über den Ernst der Lage hinweg", sagt Jan Finke, Niederlassungsleiter Essen und Projektleiter der Studie: "Der Spread zwischen nominalem Wachstum des Immobilienindex und der Inflationsrate liegt bei drastischen minus 5,9 Prozentpunkten. Das ist der niedrigste Wert seit 1996. Der Spread für Wohnen beträgt minus 4,9 und für Gewerbe minus 8,3 Prozentpunkte."
Wohnungsmieten steigen, Kaufpreise fallen (noch)
Der Teilindex Wohnen ist laut Bulwiengesa nur noch um ein Prozent gestiegen. Selbst in der Lehman-Krise 2007 bis 2009 lag demnach das Wachstum bei 1,1 Prozent bis 1,5 Prozent. Seit 1995 waren niedrige oder sogar negative Wachstumsraten charakteristisch, jedoch erreichte das Wachstum seit 2010 mindestens fünf Prozent pro Jahr. Nun gibt es eine Kehrtwende, die in den Einzelwerten sehr unterschiedlich ausfällt.
Die Betrachtung der Mietvariablen Bestand und Neubau zeigt jeweils ein deutliches Plus von 5,3 Prozent. Im Gegensatz dazu stagnieren die Preise für Reihenhäuser bei 0,1 Prozent. Die Preise für neue Eigentumswohnungen und Grundstücke für Einfamilienhäuser geben um 1,9 Prozent beziehungsweise um 1,8 Prozent nach.
"Das Zinsniveau und die Baukosten haben sich zwar stabilisiert. Allerdings ist die Investitionsneigung privater und institutioneller Investoren immer noch sehr gering", so André Adami, Bereichsleiter Wohnen bei Bulwiengesa. Infolge des akuten und künftigen Wohnungsbedarfs bei anhaltend niedriger Bautätigkeit wird sich das Angebot weiter deutlich verknappen. "Daher sind weitere deutliche Preisabschläge eher unwahrscheinlich", meint der Experte. Die Nachfrage werde sich aber stärker auf den Mietmarkt verlagern.
Büros: Mieten und Leerstand steigen
Die Büromieten sind nach Berechnungen von Bulwiengesa im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent gestiegen: nicht nur in den großen sogenannten A-Märkten, sondern auch in kleineren Märkten. Es fehlt an modernen, energieeffizienten Flächen in zentralen oder gut erreichbaren Lagen – trotz des Anstiegs der Leerstandsflächen um mehr als zehn Prozent in den analysierten 127 Marktstädten und des um ein Viertel gesunkenen Büroflächenumsatzes. Sie sind von Nutzern nachgefragt für hybride, flexible Arbeitsmodelle und um Nachhaltigkeitsstrategien umzusetzen.
"Mieter nehmen für moderne, flexible Büroflächen gerne deutlich höhere Quadratmeterpreise in Kauf, da sie in der Regel den Kostendruck durch eine Reduktion der Gesamtfläche oder effizientere Nutzung der Flächen steuern können", berichtet Oliver Rohr, Bereichsleiter Büro bei Bulwiengesa.
Einzelhandel: Stabile Frequenzen, sinkende Mieten
Die Frequenzen im Einzelhandel haben sich im aktuellen Bulwiengesa-Immobilienindex auf hohen Niveau stabilisiert. Gastronomische und diskontierende Konzepte streben wieder stärker in die Innenstädte. Die Nachfrage vor allem nach mittelgroßen Flächen (bis 250 Quadratmeter) ist gestiegen, die Einzelhandelsmieten sind aber sukzessive gefallen: in 1A-Lagen um 2,4 Prozent, in Neben- und Stadtteillagen moderat um 0,3 Prozent.
Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel bei Bulwiengesa, sieht weitere Herausforderungen auf den Einzelhandel in Innenstadtlagen zukommen, gibt aber auch Anlass zur Hoffnung: "Die erneute Insolvenz von Galeria wird die Neuausrichtung der Innenstädte weiter vorantreiben. Auch wenn weitere Häuser aus dem Markt heraustreten, werden Mixed-Use-Nutzungen und spezialisierte Konzepte die entstehenden Lücken zum großen Teil wieder schließen können." Er beobachtet, dass die krisenresistenten Lebensmittel- und Drogeriewarenhändler expansiv bleiben.
Grundstücke für Gewerbe: Dämpfer nach Preisrallye
Die Preise für Gewerbegrundstücke sind nach Bulwiengesa-Daten von 2023 deutlich um 5,9 Prozent gesunken. Damit sind sie im aktuellen Index das Schlusslicht unter den analysierten gewerblichen Variablen. Hier wirken die derzeitigen Marktentwicklungen von zwei Seiten: Zum einen sind die Bau- und Finanzierungskosten gestiegen, zum anderen die erwarteten Verkaufserlöse der Gebäude stark gefallen. Trotzdem spüren Logistik- und Gewerbeimmobilien weiterhin einen anhaltenden Nachfrageüberhang. Das führt zu deutlich steigenden Mieten.
"Trotz verschiedener Herausforderungen wie globalen Unruhen, Lieferengpässen und Personalmangel sehen wir weiterhin eine stabile Nachfrage nach modernen Logistikflächen, die vom Neubauangebot auch perspektivisch nicht vollständig bedient wird", erklärt Felix Werner, Teamleiter Logistik- und Unternehmensimmobilien bei Bulwiengesa. Trotzdem sei die Abhängigkeit von der gesamtkonjunkturellen Lage groß und exogene Faktoren, wie die Abwanderung von Unternehmen wegen zu hoher Energiepreise, könnten direkten Einfluss auf die Nachfrage nehmen.
Um in Zukunft nachhaltig zu handeln, ist es laut Bulwiengesa unerlässlich, die Flächenversiegelung zu minimieren und sich auf Brownfield-Entwicklungen zu konzentrieren. Auch der Wandel der Industrielandschaft wird demnach großen Einfluss auf künftige Immobilienprojekte haben.
Bulwiengesa-Immobilienindex: Methodik
Der Bulwiengesa-Immobilienindex analysiert die Marktentwicklung auf Basis von 49 westdeutschen Städten seit 1975 und 125 deutschen Städten seit 1990. Die Ergebnisse basieren auf der Datensammlung von Bulwiengesa und der unabhängigen Gutachtertätigkeit mit der Erstellung von Standort- und Marktanalysen. Die Datenbasis wird jährlich durch empirische Erhebungen, Befragungen vor Ort und Zeitungsanalysen ergänzt und in der RIWIS-Datenbank publiziert. Auf Basis dieser Daten wird der Index berechnet und aktualisiert. Die Nutzungsteilmärkte sind gleichgewichtet. Neben dem Gesamtindex wird sowohl für den Wohn- als auch für den gewerblichen Immobilienmarkt ein Teilindex angegeben. Die Daten fließen unter anderem in die Preisindizes der Deutschen Bundesbank ein.
Bulwiengesa-Immobilienindex 2024
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