Risikovorsorge – ja, Krisenmodus – nein!
Deutschland befindet sich im zweiten Lockdown. Der Optimismus ist verflogen, dass eine schnelle Erholung der Wirtschaft die Folgen der Corona-Rezession abmildert. Einige Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen für 2021 deutlich nach unten korrigiert. Dennoch haben Immobilienbanken die Folgen der Corona-Pandemie erstaunlich wenig zu spüren bekommen. „Wir hatten keine Zahlungsausfälle und kaum -stundungen“, bilanziert Peter Axmann, Bereichsleiter Immobilienfinanzierung der Hamburg Commercial Bank (HCOB). Ähnlich schildern andere große gewerbliche Immobilienfinanzierer die Situation, selbst wenn wie bei der Aareal Bank das Hotelsegment in ihrem Kreditportfolio einen vergleichsweise hohen Anteil ausmacht. Christof Winkelmann, Vorstandsmitglied der Aareal Bank, ist optimistisch gestimmt: Jede Krise biete schließlich auch Chancen.
„In den letzten Monaten haben die meisten Immobilienbanken ihre Risikovorsorge nachjustiert.“ Professor Steffen Sebastian, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierungen an der Universität Regensburg
Immobilienfinanzierung: BaFin warnt vor Welle von Kreditausfällen
Diese Aussage überrascht. Erst vor wenigen Tagen verschreckten die Hessen ihre Aktionäre mit einer Gewinnwarnung. Für das abgelaufene Geschäftsjahr rechnen sie mit einem zweistelligen Millionenverlust, weil die Risikovorsorge erheblich aufgestockt werden musste. Das ist kein Einzelfall. „Schon in den letzten Monaten haben die meisten Immobilienbanken ihre Risikovorsorge nachjustiert“, hat Professor Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierungen an der Universität Regensburg, beobachtet.
Deutschlands oberster Finanzaufseher, BaFin-Chef Felix Hufeld, ist ebenfalls alarmiert und warnte unlängst, dass auf die Kreditinstitute bald die erste Welle von Kreditausfällen zurollen könnte. Ein derartiges Szenario befürchtet auch Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling, der ankündigte, die gewerblichen Immobilienfinanzierer in den kommenden Monaten besonders im Blick zu haben. Die Corona-Krise erhöhe deren Kreditausfallrisiken, die Gefahr eines Preisrückgangs und somit das Verlustpotenzial für diese Banken.
Immobilienfinanzierer HCOB: Neugeschäft heruntergefahren
Axmann teilt diese Einschätzung, sieht sein Haus aber gut gerüstet: „Wir haben Risikoaktiva abgebaut, und die Kreditqualität steht bei uns ganz oben auf der Prioritätenliste.“ Die HCOB habe bereits vor der Corona-Krise ihr Neugeschäft heruntergefahren: von knapp vier Milliarden Euro 2019 auf 800 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Rückläufig war im abgelaufenen Geschäftsjahr ferner das Immobilienkreditgeschäft der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), einem der größten gewerblichen Immobilienfinanzierer hierzulande.
„Das turbulente vergangene Jahr hat gezeigt, dass unser Immobilienkreditportfolio krisenresistent strukturiert ist.“ Oliver Hecht, Bereichsleiter Immobilienfinanzierung Berlin Hyp
„Während des ersten Lockdowns im Frühjahr, als die Wirtschaft fast ganz stillstand, haben wir wegen der dadurch ausgelösten Marktstörungen das Neugeschäft vorsichtshalber kontingentiert“, sagt Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Real Estate Finance der Helaba. Weil das Investmentvolumen 2020 in manchen Nutzungssegmenten Corona-bedingt erheblich niedrig als 2019 gewesen sei, habe es weniger Finanzierungsanfragen gegeben. „Hotels und Shoppingcenter hatten wir zuvor ohnehin selten finanziert, auch bei Projektentwicklungen hatten wir schon vor Corona unser Engagement reduziert“, so Annecke.
Bürosektor wird verhalten positiv bewertet
Die Berlin Hyp sieht sich durch die Corona-Krise in ihrer Strategie bestätigt: „Das turbulente vergangene Jahr hat gezeigt, dass unser Immobilienkreditportfolio krisenresistent strukturiert ist“, betont Oliver Hecht, Bereichsleiter Immobilienfinanzierung. In den Krisenbranchen Hotel und Einzelhandel – ausgenommen Food-Segment – habe man seit Jahren zurückhaltend agiert. Die Zukunft des Bürosektors, der bei vielen Immobilienbanken der mit Abstand dickste Brocken im Kreditportfolio ist, sieht Hecht verhalten positiv.
„Das Homeoffice wird – auch nach überstandener Corona-Krise – eine Alternative zum klassischen Büroarbeitsplatz bleiben, dessen Vorteile Unternehmen und Arbeitnehmer dauerhaft nutzen wollen“, ist er überzeugt. Überflüssig machen werde es ihn jedoch nicht. „Momentan sind die Leerstände zudem niedrig und eine etwas schwächere Nachfrage wird dazu führen, dass sich die Marktsituation wieder normalisiert“, fügt Jan Polland, Leiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung der Münchener Hypothekenbank (MHB). hinzu. Dem geringeren Bedarf stehen aber strengere Hygieneauflagen und der Wunsch vieler Mieter nach einer flexibleren Gestaltung von Büroflächen gegenüber, woraus ein höherer Flächenbedarf pro Mitarbeiter resultiert. Daher rechnet der Banker in den nächsten Jahren allenfalls mit einem leichten Rückgang der Büroflächennachfrage von bis zu 15 Prozent.
Der Berliner „Sonderweg“: Neugeschäft besser als erwartet
Kaum zugesetzt hat die Corona-Krise dem gewerblichen Immobilienkreditgeschäft der Berliner Sparkasse. „Das Neugeschäft lief besser als in diesem Umfeld zu erwarten war“, resümiert Marcus Buder, Leiter des Geschäftsbereichs Gewerbliche Immobilienfinanzierung. Über 90 Prozent der Darlehen werden für Berliner Objekte (Schwerpunkt: Wohnungen und Büros) ausgereicht. Deutschlands größte Stadt boomt: Die Bevölkerung wächst, und gerade innovative Firmen zieht es verstärkt in die Hauptstadt. Kein Wunder, dass Buder trotz Lockdown Bauträger- und Projektentwicklungsfinanzierungen für unproblematisch hält.
Corona-Verlierer ist der Non-Food-Einzelhandel
Das gilt allerdings nicht für alle Assetklassen. Zu den von der Corona-Krise besonders betroffenen Branchen zählen er sowie Kollegen nahezu aller anderen Geldhäuser den Non-Food-Einzelhandel und – zumindest für Berlin auf den ersten Blick überraschend – die Hotellerie. Von Mietausfällen blieb die Berliner Sparkasse zwar noch verschont. Doch wie andere Immobilienbanken bot sie etwa in die Bredouille geratenen Hoteliers Liquiditätsentlastungen an, indem Tilgungen ausgesetzt und Kreditlaufzeiten verlängert wurden.
„Immobilien sind Spätzykliker“, erklärt Branchenexperte Sebastian. Ihn würde es nicht überraschen, wenn in diesem Jahr infolge steigender Insolvenzen ein höherer Wertberichtigungsbedarf auf die Immobilienbanken zukäme. Das werde jedoch kein Institut in Bedrängnis bringen. „Wir verfügen mit einer Eigenkapitalquote von mehr als 20 Prozent über ein üppiges Kapitalpolster“, pflichtet ihm HCOB-Banker Axmann bei. Die HCOB will im laufenden Geschäftsjahr sogar im Neugeschäft wieder viel aktiver werden (siehe Tabelle).
Aareal Bank: Liquiditätshilfen bei jeder dritten Hotelfinanzierung
Auf eine stärkere Wiederbelebung der Wirtschaft hofft auch die Aareal Bank. Obwohl sie bei mehr als jeder dritten Hotelfinanzierung (Portfoliovolumen: drei Milliarden Euro) Liquiditätshilfen leisten musste, hält man das Segment immer noch für vielversprechend. „Menschen werden, sobald es möglich ist, wieder privat oder geschäftlich verreisen und in Hotels übernachten“, argumentiert Winkelmann. Nicht nur Aktionäre hoffen, dass hinter dieser Prognose mehr steckt als purer Zweckoptimismus.
Die MHB will beim Neugeschäft vor allem im Logistiksektor zulegen. „Der florierende Onlinehandel bedingt den weiteren Ausbau von Logistikkapazitäten“, ist Polland überzeugt. Der Beleihungsauslauf der Finanzierungen soll im Schnitt 60 Prozent nicht überschreiten. Dieses Niveau streben andere Immobilienfinanzierer ebenfalls an. Dann sei die Kapitaldienstfähigkeit durch den Objekt-Cashflow gewährleistet, so Polland.
Immobilienfinanzierung in der Krise: Chancen für alternative Finanzierer
Die meisten Immobilienbanken starten trotz zweitem Lockdown und erneuter Einschränkungen des Wirtschaftslebens also mit einer Portion Zuversicht ins neue Geschäftsjahr. Doch es ist für Kreditnehmer mitunter weit schwieriger als vor einem Jahr, Finanzierungen unterzubringen. „Das eröffnet Chancen für alternative Finanzierer“, sagt Anke Herz, Leiterin Debt Advisory beim Immobiliendienstleister JLL. Diese Einschätzung teilt auch Lucas Boventer, Investment Director von Linus Digital Finance, aber er schränkt ein: „Aktuell sind auch wir bei Hotels und Shoppingcenter bei Lage-, Qualitäts- und Mieterbonitätskriterien strikter.“
Neugeschäft wichtiger gewerblicher Immobilienfinanzierer
Name der Bank | Neugeschäft 2020* | geplantes Neugeschäft 2021* |
Aareal Bank | 4,0** | keine Angaben |
Bayern LB | 4,9 | keine Angaben |
Berlin Hyp | keine Angaben | keine Angaben |
Berliner Sparkasse | 4,0** | keine Angaben |
Deutsche Pfandbriefbank | 4,5** | keine Angaben |
Deutsche Hypo | 2,3 | 2,5** |
DZ Hyp | 8,0** | keine Angaben |
Hamburg Commercial Bank | 0,8 | 2,3 |
Landesbank Hessen-Thüringen | keine Angaben | keine Angaben |
Münchener Hypothekenbank | 2,0** | 2,4 - 2,7 |
* ohne Prolongationen
** eigene bzw. vorläufige Schätzung
*** inklusive Prolongationen
Quelle: Angabe der Banken, eigene Recherche
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