Gewerbeimmobilien: Kreditvergabe wird zum heiklen Balanceakt
Geschichte wiederholt sich: Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass in den USA aufgrund der abrupt gestiegenen Leitzinsen die Silicon Valley Bank (SVB) in eine Schieflage geriet.
Die 16. größte Bank (verwaltetes Vermögen: 200 Milliarden US-Dollar) ging pleite, da sie in der Niedrigzinsphase an den Kapitalmärkten massiv Kundeneinlagen in langlaufende amerikanische Staatsanleihen gesteckt hatte. Deren Wertverlust hatte ihre Zahlungsfähigkeit so sehr geschwächt, dass sie erst geschlossen und schließlich abgewickelt werden musste. Drei weitere Institute erlitten ein ähnliches Schicksal. Zu einem Flächenbrand kam es jedoch nicht. Die Pleite der SVB war der erste Bankencrash in den USA seit der Weltfinanzkrise 2008.
US-Gewerbeimmobilien: Schockwelle erreicht Deutschland
Die Kurse deutscher Bankaktien sackten daraufhin ab. Danach beruhigte sich die Situation zunächst erst einmal wieder relativ schnell. Wenngleich sich abzeichnete, dass das kein Dauerzustand sein würde: Denn nicht nur amerikanischen Regionalbanken setzen die hohen Zinsen zu, auch die Immobilienmärkte leiden unter ihnen – und da vor allem das Bürosegment. "Die Gewerbeimmobilienmärkte in den USA befinden sich im Abkühlungsmodus, die Kaufpreise fallen dort schneller als in der Rezessionsphase vor 40 Jahren", erklärt Professor Tobias Just, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg.
Er verweist darauf, dass der Preiseinbruch nicht nur auf das hohe Zinsniveau zurückzuführen sei, sondern auch auf ein verändertes Nutzungsverhalten seit der Corona-Pandemie. "Arbeitnehmer ziehen es seitdem vor, vermehrt von zu Hause aus zu arbeiten", so der Immobilienmarktexperte. Schätzungen zufolge wird der Bedarf an Büroflächen in den kommenden Jahren insbesondere außerhalb der Metropolen um 20 Prozent bis 30 Prozent unter dem vor der Pandemie liegen. Laut einer Studie von McKinsey resultiert daraus ein Wertverlust für Büroimmobilien allein für die neun wichtigsten globalen Immobilienmärkte – von Peking über London bis New York – von etwa 800 Milliarden US-Dollar.
Bei Vergabe neuer Kredite: US-Banken äußerst restriktiv
Die Büroleerstände in den wichtigsten Gewerbeimmobilienmärkten der USA haben mit aktuell knapp 20 Prozent ein neues Allzeithoch erreicht – zum Vergleich: in Deutschland sind es derzeit rund fünf Prozent. Doch Marktbeobachter befürchten, dass sich die Entwicklung im Laufe des Jahres weiter verschlechtern könnte, obwohl die Wirtschaft anders als in Deutschland wächst. Auch Investoren sind skeptisch gestimmt: Bei der Vergabe neuer Kredite seien Banken nach wie vor äußerst restriktiv – frühestens im Sommer sei mit einer spürbaren Entspannung zu rechnen, meint Fabian Spindler, Geschäftsführer von Jamestown US-Immobilien.
Helfen könnten sicherlich Leitzinssenkungen der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed). Wann die aber anfängt, die Zinsschraube wieder zu lockern, lässt sich gegenwärtig kaum seriös abschätzen. Die jüngsten Turbulenzen sind kein gutes Omen für die bevorstehenden Wochen und Monate. 70 Prozent der Bankkredite für Gewerbeimmobilienfinanzierungen entfallen in den USA auf kleine bis mittlere Geldhäuser als Darlehensgeber.
So wirkt die US-Krise auf deutsche Immobilienfinanzierer
Dass kürzlich auch die New Yorker Community Bancorp (NYCB) in den Abwärtsstrudel gerissen wurde und erneut Ängste vor dem erneuten Aufflammen einer Bankenkrise aufkommen ließ, entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Schließlich übernahm sie größtenteils die im Frühjahr 2023 kollabierte Signature Bank. Deutsche Institute, die wie die Deutsche Bank, die Deutsche Pfandbriefbank (PBB) und die Aareal Bank als Kreditgeber in größerem Stil mit von der Partie sind, setzt der schwächelnde amerikanische Gewerbeimmobilienmarkt ebenfalls zu. Die PBB wurde nicht nur an der Börse – geradezu brutal – abgestraft, sondern wie Aareal auch noch von den Ratingagenturen herabgestuft.
Die US-Gewerbeimmobilienkredite großer deutscher Banken summieren sich insgesamt auf mehr als 45 Milliarden Euro: Auf Branchenprimus Deutsche Bank, die PBB sowie die Aareal Bank zusammen entfällt hiervon der Löwenanteil mit rund 30 Milliarden Euro – auf die beiden Landesbanken Hessen-Thüringen (Helaba) und Baden-Württemberg etwas mehr als 15 Milliarden Euro. Allerdings knirscht es nicht nur auf dem amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt, auch hierzulande läuft es derzeit für Immobilienfinanzierer alles andere als rund.
Refinanzierung, Prolongation & Signa-Pleite
"Steigende Zinssätze und sinkende Immobilienwerte haben zu einer Verschärfung der Kreditvergabebedingungen auf den gewerblichen Immobilienmärkten geführt", stellte Daniel Sander, Head of Debt beim Maklerhaus CBRE, bereits Mitte Januar 2024 fest. Daraus resultiert folgendes Problem: Im Zeitraum von 2019 bis 2022 wurden gewerbliche Immobiliendarlehen von knapp 230 Milliarden Euro vergeben. Bei vielen Krediten steht in den kommenden drei Jahren die Prolongation an. Einer Analyse von CBRE zufolge dürfte sich für rund ein Drittel (etwa 77 Milliarden Euro) wegen gefallener Beleihungswerte und eines unzureichenden Zinsdeckungsgrades schwerlich jemand finden lassen, der diese refinanziert.
Etwas Entspannung verschaffen die jüngst – infolge fallender Teuerungsraten – gesunkenen Kapitalmarktzinsen. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren sich derzeit (Stand 21.2.2024) mit 2,45 Prozent und damit zirka 0,4 Prozentpunkten weniger als vor vier Monaten. "Die Inflation kann durchaus zurückkehren, die unsichere Wirtschaftsentwicklung belastet einige Mieter", warnt Sander. Auch seien viele Objekte nicht mehr marktgerecht. Inzwischen haben die Geldhäuser mitunter bereits mehrmals die Risikovorsorge kräftig aufgestockt. So legte beispielsweise die PBB für mögliche Kreditausfälle im vergangenen Jahr bis zu 215 Millionen Euro zurück. Ein großer Brocken – den so manche Ertragsrechnung verkraften muss – sind auch höhere Rückstellungen aus Kreditengagements im Zusammenhang mit der Milliardenpleite des Signa-Immobilienimperiums.
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