Projektentwicklung der Zukunft – der holistische Ansatz
Eine holistische Projektentwicklung entwickelt ein Gebäude aus der jeweiligen Umgebung – wie einem städtebaulich geplanten Quartier – heraus, in dem die ökologischen, soziokulturellen und ökonomischen Dimensionen zusammentreffen und sich automatisch in dem Gebäude vereinen. So lässt sich ein Ergebnis aus dem Whitepaper "Die Stadtentwicklung 1950 bis 2050 – Vom Bauträgergeschäft zur holistischen Projektentwicklung" zusammenfassen.
Heute ist die Projektentwicklung ein "Push": Ein Gebäude wird in den Raum beziehungsweise in den Markt "gedrückt" – in Zukunft wird sie zu einem "Pull": Das Gebäude wird aus dem Raum oder dem Standort heraus entwickelt. Die holistische Projektentwicklung – der Begriff umfasst abgeleitet vom griechischen hólos (ganz) bildungssprachlich "das Ganze betreffend" – wird sich mit einer sich verändernden Gesellschaft und Politik an die urbane Transformation der Städte anpassen müssen.
Holistischer Ansatz: Was kommt auf Projektentwickler zu?
Die Erstellung eines Neubaus oder die bauliche Veränderung im Immobilienbestand ist immer auch ein Eingriff in die Struktur des öffentlichen Raums und damit in die soziale Interaktion von Menschen. Nach heutigem Verständnis ist eine Projektentwicklung die Raumproduktion innerhalb eines Flächennutzungsplans auf Basis einer Güter-dominierten Logik der Wertschöpfung: Idee, Grundstück und Kapital – mit diesem Projektentwickler-Dreieck beginnt jeder (privatwirtschaftliche) Wertschöpfungsprozess. Der "geschöpfte" Wert drückt sich in der Rendite beziehungsweise in der risikoadjustierten Kapitalverzinsung aus.
Seit Mitte der 1990er Jahre bezieht die Projektentwicklung gegenüber dem reinen Bauträgergeschäft auch Standortüberlegungen und ökonomische Langfristperspektiven (Lebenszyklus) mit ein. Es ist nicht kleinzureden, dass Projektentwickler sich mittlerweile ihrer sozialen Verantwortung – etwa bei der Quartiersentwicklung – bewusst sind, dennoch spielt etwa die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums immer noch eine geringere Rolle als zum Beispiel der Grad der Kommerzialisierung.
Es wäre jedoch naiv anzunehmen, dass diese "eingespielte und bewährte" Praxis in den kommenden 30 Jahren unverändert beibehalten werden kann.
Transformation der Städte: Generation Z und Nachhaltigkeit
Mit dem nächsten Generationenwechsel wird sich auch die Stadtentwicklung verändern: Die sogenannten Baby-Boomer, vom Industriezeitalter geprägt, gehen in Rente, die Generationen X (geboren zwischen 1965 und 1979) und die ältere Generation Y (geboren 1980 bis 1999) folgen bald nach.
Dass nichts so bleiben wird wie bisher, kündigt sich heute schon in der Arbeitswelt, den individualisierten Lebensstilen, in den politischen Ansichten, in den kulturellen Werten und in den Lebenseinstellungen an. Besitz und Eigentum verlieren an Bedeutung, weiche Faktoren nehmen an Bedeutung zu. Die Generation Y und ganz besonders die nachfolgende Generation Z definieren den Lebenssinn inhaltlich anders als die Generationen Baby-Boomer und X zuvor.
Nachhaltigkeitsdenken – insbesondere ökologisch – gehört quasi zu ihrer DNA. Auch auf globaler Ebene wird die "Nachhaltigkeitsbewegung" in den kommenden Jahren an Fahrt aufnehmen. Es besteht jetzt schon kein Zweifel mehr, dass neben der digitalen Transformation und Künstlicher Intelligenz (KI) die Nachhaltigkeit zu den Megatrends des 21. Jahrhunderts gehört. Die Transformation unserer industriell geprägten Gesellschaft in eine nach-industrielle Informations- und Wissensgesellschaft wird aber mindestens 15 Jahre dauern – revolutionäre Sprünge sind nicht zu erwarten.
Auch die Bundestagswahl im September wird nicht zum fundamentalen Wechsel führen, aber die Richtung zur behutsamen Veränderung der Gesellschaft in eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Zukunft wird beibehalten werden.
Stadtentwicklung: "Entkommerzialisierte" öffentliche Räume
Die Städte sind die ökonomischen, sozialen und kulturellen Mittelpunkte unserer Gesellschaft. Die Charta von Leipzig 2020, basierend auf einer EU-Konvention, lässt erkennen, wie die Meta-Ziele auf der gesellschaftlich-politischen Ebene in der zukünftigen Stadtentwicklung umgesetzt werden sollen. Für die Stadtentwicklung des 21. Jahrhunderts werden diese Ziele vorgegeben:
- Die gerechte Stadt: formiert eine inklusive Stadtgesellschaft, die jedem Bürger gleiche Chancen einräumt;
- Die grüne Stadt: nachhaltige Flächen- und Bodenpolitik, klimaneutrale Energieversorgung, Einsatz erneuerbarer Ressourcen, gesundes Lebensumfeld durch grüne und blaue Infrastrukturen, Biodiversität und nachhaltige Mobilität;
- Die produktive Stadt: ist eine nachhaltige urbane Ökonomie, die sich durch innovative, klima- und umweltfreundliche Strukturen als Basis für eine starke Nutzungsmischung von Quartieren auszeichnet. Die Digitalisierung wird als Querschnittsaufgabe definiert.
Das sind keine Sprechblasen, sondern manifestierter politischer Wille von Politik und Gesellschaft zur völligen Umgestaltung der Städte hin zur bildungsorientierten Stadtgesellschaft. Für diese urbane Bildungsgesellschaft werden Begriffe wie persönlicher Reichtum und Besitz, Arbeit, Wohnen, Karriere, Konsum semantisch völlig anders definiert werden als heute.
Wir erkennen heute schon, dass für die jüngeren Generationen Z und Y die heute noch geltenden materiellen Ziele zunehmend verblassen und weichere, immaterielle Ziele wie Freundschaft, Freizeit und Familie (Work-Life-Balance), sinnstiftende Arbeit, umweltbewusster Konsum, Naturerhaltung, Tierwohl immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Zukünftige Städte sind nicht mehr Orte, die auf Business, Traffic, Turbo-Konsum in großen Shopping-Centern mit hektischem Treiben reduziert sind, sondern Orte der Entschleunigung, der natürlichen Umgebung mit gesundem Mikroklima, des ausgeglichenen Verhältnisses von Arbeit-Leben-Freizeit mit einem hohen Sozialkapitalfaktor und entkommerzialisierten öffentlichen Räumen.
Holistische Projektentwicklung: Nachhaltigkeit und Rendite
Bauträger und Projektentwickler werden den Fokus künftig nicht mehr auf eine kurz- bis mittelfristige, nutzungsorientierte Raumproduktion an einem Standort legen können. Die Gebäude der Zukunft werden keine unabhängigen Einzelbauten mehr sein, sondern stehen in Gestaltung, Funktion und Infrastruktur in enger Wechselwirkung mit ihrer Umgebung.
Die infrastrukturelle Grundlage wird die Zunahme von städtischen Grünflächen sein. In dieser Logik müssen wir uns darauf einstellen, dass die Städte, die in den 1960er Jahren an den Autoverkehr "ausgeliehene Flächen" konsequent zurückfordern werden. Aus den asphaltierten Flächen sollen überwiegend Grünflächen und davon abgetrennte Verkehrswege für smarte Fortbewegungsvehikel (E-Bikes, E-Cars, E-ÖPNV) werden.
Wenn auch in der modernen Projektentwicklung bereits heute schon auf der Quartiersebene gedacht und ökologische Aspekte wie Energieeffizienz berücksichtigt werden, so ist der Blickwinkel dennoch immer noch vom Gebäude aus in Richtung öffentlicher Raum. Mit dem Ziel, die Fläche des Gebäudes maximal ökonomisch unter gegebenem Baurecht zu nutzen.
Diese Blickrichtung muss sich ändern: Eine holistische Projektentwicklung entwickelt ein Gebäude aus der jeweiligen Umgebung wie einem städtebaulich geplanten Quartier heraus, in dem die ökologischen, soziokulturellen und ökonomischen Dimensionen zusammentreffen und sich automatisch in dem Gebäude vereinen. So lassen sich tendenziell höhere Renditen erwirtschaften, weil die Nutzung der Gebäude nachhaltiger, gesellschaftlich akzeptierter und durch die bessere Drittverwendungsfähigkeit höhere Wertsteigerungspotentiale haben, was auch das Investitionsrisiko vermindert.
Im Ergebnis wird die heutige vom Cash-Flow getriebene Projektentwicklung von einer stärker am Total Return (Cash-Flow-Rendite plus Wertänderungsrendite) orientierten Projektentwicklung abgelöst werden. Nachhaltigkeit und Rendite sind kein Gegensatz, sondern eine Symbiose.
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