Zukunft von Coworking: Vom Reflex zur Realität

Deutsche Bank, Siemens, Facebook – immer mehr Unternehmen reagieren auf die Pandemie mit Ankündigungen flexibler Arbeitsmodelle für ihre Mitarbeitenden. Doch die Alternativen zielen nicht zwingend auf den heimischen Arbeitsplatz. Hier kommt Co-Working ins Spiel.

Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate heraus wird flexibles Arbeiten allzu oft mit dem Modell Homeoffice gleichgesetzt. Doch so ein heimischer Arbeitsplatz steht bei Weitem nicht jedem zur Verfügung – zumindest nicht in der Form, dass er sich als Dauerlösung eignet. Das gilt auch und besonders vor dem Hintergrund, dass im Homeoffice der Austausch, zumal der persönliche, mit Kollegen zumeist auf der Strecke bleibt. Hier kommt Co-Working ins Spiel.

Die Krise hat das Segment hart getroffen, doch die Erholung schreitet schnell voran. Mehr noch: Das neue digitale Selbstbewusstsein von Unternehmen und ihren Mitarbeitenden könnte die Nachfrage nach Co-Working- und Flexible-Office-Spaces spürbar erhöhen. Dafür gilt es einige Hürden zu überwinden.

Co-Working: Der Büroflächenbedarf wird sich ändern

Eine Untersuchung von Catella zeigt, dass sich 20 Prozent der Befragten eine vollkommen freie Einteilung von Arbeitszeit und -ort wünschen, für zwei Drittel stellen ein bis drei solcher flexiblen Tage den Idealzustand dar. Gleichzeitig postuliert die Analyse, dass Face-to-Face-Kontakte in der Pandemie-bedingten Homeoffice-Phase am meisten vermisst wurden. Auch das Fehlen von Büroinfrastruktur wie Drucker, Scanner und Meetingräume wurde reklamiert.

Das legt den Schluss nahe, dass das Homeoffice nicht auf alle Herausforderungen des Remote Working die passende Antwort liefert. Fest steht allerdings auch: Das Votum der Befragten dieser und anderer Untersuchungen fällt so eindeutig aus, dass ein Zurück zum Status ante quo als das unwahrscheinlichste Szenario gelten kann.

Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Co-Working- oder Flexible-Office-Spaces werden an Bedeutung gewinnen und der Büroflächenbedarf wird sich verändern – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Die Prognosen zur Entwicklung der Büronachfrage gehen derzeit auseinander, nicht zuletzt weil sich die Folgen der Pandemie erst zeitverzögert zeigen werden. Ein Rückgang des Bedarfs um 20 bis 30 Prozent erscheint jedoch realistisch.

Das heißt nicht, dass ein Fünftel der Flächen in den zentralen Lagen grundsätzlich an Bedeutung verlieren wird. Eingebettet in eine lokal vielseitige Infrastruktur bleiben sie auch künftig gefragt. Anspruchsvoller wird die Vermietung dagegen an reinen Bürostandorten, die den Nutzern vor Ort nur wenig Abwechslung bieten, etwa mit Blick auf Gastronomie, Einzelhandel und Unterhaltung, und die lange Fahrtwege zur und von der Arbeit mit sich bringen.

Auch die Flächen selbst müssen sich wandeln und angesichts der potenziell reduzierten Anwesenheit der Mitarbeitenden verstärkt zu identitätsstiftenden Orten werden, die die Unternehmenskultur spiegeln sowie die Austausch, Kollaboration und kreatives Arbeiten in den Mittelpunkt stellen.

Flexible-Office-Spaces sind die logische Konsequenz

Flexibilität, Kollaboration, Infrastruktur – innerhalb wie außerhalb der Flächen und Nähe zum Wohnort – nicht für jeden Mitarbeitenden muss es zu jeder Zeit das Headquarter der Firma sein. Denn das bieten auch Co-Working-Spaces und Business Center. Und – nicht zu vernachlässigen – sie geben Arbeitnehmern das Gefühl, "auf Arbeit" zu gehen. Die Co-Working-Community wird (vorübergehend) zu Kollegen, die Mittagspause verbringt man mit immer neuen Gesichtern. Das ist sicherlich nichts für jeden, spricht aber doch viele an. Und im Sinne der New-Work-Bewegung ist es unerlässlich für die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden.

Damit der Schritt in die Realität gelingt, müssen Betreiber, Vermieter und auch Nutzer von Büroflächen aber die Möglichkeit des flexiblen Arbeitens mitdenken. Das ist zugegebenermaßen leichter gesagt als getan. Es mag aus Nutzersicht verlockend klingen, ungenutzte Flächen temporär unter- oder zwischenzuvermieten. Zwischen Absicht und Umsetzung stehen jedoch unter anderem zu klärende Vertragsmodalitäten, Umbauerfordernisse und damit verbundene Kosten oder auch Zugangs- und Sicherheitsaspekte.

Und doch werden wir, davon bin ich überzeugt, eine Entwicklung in diese Richtung sehen, denn sie bedient die Bedürfnisse aller Beteiligten. Schon heute gibt es Geschäftsmodelle, die Büromietern den Kontakt zu Untermietern erleichtern. Oberstes Ziel des Eigentümers ist ein sicherer Cashflow nah an der Marktmiete. Der Mieter wünscht sich maximale Flexibilität – sowohl jener, der Flächen zur Verfügung stellt als auch der, der sie temporär nutzt. Co-Working bedient beides.

Co-Working-Spaces auch eine Alternative fürs platte Land

Dieses (bislang vielfach noch) Gedankenspiel beschränkt sich keineswegs auf die Innenstädte der Ballungsregionen. Flexible Arbeitsplätze sollten dort entstehen, wo Menschen wohnen, also auch in ländlichen Regionen und Vorstädten. Aktuell siedeln sich in vielen Randlagen großer Städte und auch im ländlichen Raum Co-Working-Spaces und Business-Center-Anbieter an und bieten Möglichkeiten zum Remote Working. In neuen Quartieren entstehen sogenannte Community Hubs, in denen Bewohner flexibel arbeiten können. Leerstehende Gewerbeimmobilien und Retailflächen werden zu Pop-Up-Offices umgenutzt.

Natürlich werden wir uns nicht alle in Co-Working-Spaces wiederfinden, aber der Marktanteil dürfte deutlich steigen, wie aktuelle Marktbeobachtungen bereits andeuten: Sie attestieren dem Markt für flexible Büroflächen eine schnelle Rückkehr des Vertrauens und der Nachfrage auf Anbieter- und Nutzerseite. In diesem Sinne gilt es, die in der Krise geradezu reflexartig geäußerten Bekenntnisse hin zu flexibleren Arbeitsmodellen in die Praxis zu transferieren. An Flexible-Office- und Co-Working-Spaces führt dabei kein Weg vorbei.


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