Städte- und Gemeindebund fordert verschärftes Baugebot

Bauland ist da, aber nicht überall, wo freie Flächen sind, werden auch die dringend notwendigen Wohnungen gebaut. Ein Baugebot fordern deshalb nicht nur Politiker, auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte das Thema bei der Tagung des Präsidiums auf der Agenda. Juristisch ist die Sache heikel.

Am 24. und 25. Juni tagte Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) in Freising bei München und diskutierte unter anderem über die Baulandmobilisierung und die Schaffung von Wohnraum, eines der wichtigsten Anliegen neben der neuen Grundsteuer, die für die Städte und Gemeinden an erster Stelle steht, weil sie die Grundlage für 14 Milliarden Euro pro Jahr eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen ist. Bereits im Vorfeld des Treffens hatte DStGB-Präsident Dr. Uwe Brandl ein verbessertes Baurecht und ein "verschärftes Baugebot" gefordert, um mehr Wohnungen bauen zu können.

Das Baugebot aus § 176 BauGB: Ein stumpfes Schwert?

Grundsätzlich sieht das Baugesetzbuch vor, dass Planungen eines Bebauungsplans in der Realität umgesetzt werden. Hierzu kommt eine ganze Palette städtebaulicher Gebote infrage, unter anderem das bereits von der Stadt Tübingen angekündigte Baugebot, das in § 176 BauGB geregelt ist.

Doch diese Grundlage sei nicht zuletzt wegen der Rechtsprechung dazu ein stumpfes Schwert, sagte Brandl in Bayern. Das Instrumentarium sei dringend reformbedürftig. Der DStGB-Präsident sprach sich zudem für ein verbessertes Vorkaufsrecht von Grundstücken aus, damit Kommunen der Bodenspekulation in innerstädtischen Lagen besser begegnen könnten.

Gemeinden können auf dieser rechtlichen Grundlage für unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke ein solches Baugebot aussprechen. Unter engen Voraussetzungen kann gegen einen bauunwilligen Eigentümer, der sich auch mit Zwangsgeldfestsetzungen nicht beeinflussen lässt, sogar die Einleitung eines Enteignungsverfahrens zur Durchsetzung der Bebauung beantragt werden.

Was Tübingens OB Palmer für die Forderung nach Zwangsbebauung unberücksichtigt ließ

Vor Ostern hatte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) für Furore gesorgt, als er Zwangsbebauungen forderte. Was die Stadt Tübingen nicht erwähnte: Die Anordnung des Baugebots gemäß § 176 BauGB setzt voraus, dass eine Maßnahme aus städtebaulichen Gründen zeitnah erforderlich ist. Das bloße Vorliegen eines Bebauungsplans reicht für die Anordnung eines städtebaulichen Gebots nicht aus. Die Gründe, die für eine sofortige Planverwirklichung sprechen, müssen die privaten Belange deutlich überwiegen.

Palmer soll bereits erste Briefe an Grundstückseigentümer verschickt haben, in denen er sie zum Verkauf ihrer Flächen zwingen will, wenn sie diese nicht bebauen. Laut einem Medienbericht soll er darin die Eigentümer zu einer "verbindlichen Erklärung" aufgefordert haben, "in spätestens zwei Jahren ein Baugesuch einzureichen" und innerhalb von vier Jahren "die Schaffung von Wohnraum" zu ermöglichen. Alternativ könnten sie das Grundstück zum Verkehrswert an die Stadt veräußern.

Palmer stützte sich dabei auf § 176 des BauGB und das darin formulierte Baugebot, offenbar ohne sich über die juristischen Möglichkeiten informiert zu haben. Der Tübinger OB soll damit gedroht haben, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, sollte ein Eigentümer der Aufforderung nicht folgen. Es soll um rund 550 baureife Grundstücke mit Platz für etwa 1.000 größere Wohnungen in Tübingen gehen. Nach dem Wunsch des Gesetzgebers sollten städtebauliche Gebote die Ultima Ratio darstellen. Zuletzt hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 1990 in einer Entscheidung zur Schließung einer Baulücke mit einem Baugebot beschäftigt. Gerichtsverfahren können Jahrzehnte dauern.

Land Berlin will Bezirke rechtlich dabei unterstützen, Baugebote durchzusetzen

Auch die Grünen-Fraktion im Bundestag hatten vor dem Hintergrund steigender Mieten und Wohnungsnot vor der Europawahl für die Möglichkeit einer Verpflichtung zum Bauen plädiert. Baugebote sollten demnach nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern für bestimmte Gebiete ausgesprochen werden können, heißt es in einem Beschluss der Abgeordneten. Wenn nicht gebaut werde, müsse "in letzter Konsequenz eine Enteignung gegen Entschädigung" möglich sein.

Die Berliner Landesregierung will die Bezirke künftig rechtlich dabei unterstützen, Baugebote durchzusetzen, teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit. Bezirke sollen dafür mit ausreichend Geld und Personal ausgestattet werden, um Baugebote nach § 176 BauGB durchzusetzen. Bislang wurde in Berlin noch nie ein Baugebot ausgesprochen. Man habe unter anderem deshalb keinen Gebrauch davon gemacht, weil damit "massiv" in das im Grundgesetz gewährleistete Eigentumsrecht eingegriffen würde, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Zulässigkeit der Enteignung streng geregelt

Die Zulässigkeit einer Enteignung ist unabhängig davon, ob ein Baugebot erlassen und bestandskräftig geworden ist, und nur nach strengen Voraussetzungen zu beurteilen. Soweit diese Voraussetzungen, die in den §§ 85 ff. BauGB festgeschrieben sind, nicht erfüllt sind, bleibt der Gemeinde zur Durchsetzung eines Baugebots nur der zeitaufwendige Weg der Verwaltungsvollstreckung. Daher bleibt das Baugebot in der Praxis regelmäßig nur ein Verfahrens-­ und Beratungsinstrument, von dessen Anwendung die Gemeinden Abstand nehmen. Damit tendiert die Bedeutung des Baugebots in der Praxis gegen null.


Ausführliche Erklärungen zu den rechtlichen Voraussetzungen für ein Baugebot gibt es im Magazin "Immobilienwirtschaft", Doppelausgabe 7+8/2019.


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Schlagworte zum Thema:  Baurecht, Wohnungspolitik, Wohnungsbau