Die Energiekrise und die Folgen
"Perfekter Sturm", "Wirtschaftskrieg", "sozialer Sprengstoff", "Krise": Es waren große Worte, die beim 29. Brandenburger Hof Gespräch ausgesprochen wurden. Das Thema "Energiemangel, explodierende Energiekosten – Welche Konsequenzen müssen wir ziehen?" griff das derzeit dringendste Problem der Wohnungswirtschaft auf und traf offensichtlich den Nerv der Diskutanten, die aus unterschiedlicher Perspektive – aus Sicht von Wohnungswirtschaft, Banken, Energieversorgern und Verbraucherschutz – die Herausforderungen beleuchteten. Das Gespräch fand am 21. September statt und damit gut eine Woche, bevor die Bundesregierung die Einführung eines Gaspreisdeckels beschloss und auf die geplante Einführung der umstrittenen Gaspreisumlage verzichtete.
Wie sehr die steigenden Energiekosten die Menschen belasten, hob in der von Ulrike Trampe, Editor-at-Large der DW Die Wohnungswirtschaft, moderierten Runde Jutta Gurkmann des Verbraucherzentrale Bundesverbands hervor: "Die Verzweiflung der Verbraucherinnen und Verbraucher wird immer deutlicher". Sie erklärte, dass die Schuldenpräventions- und die Überschuldungsberatung einen größeren Anteil an der Beratungstätigkeit der Verbraucherzentralen einnehme. Auch ändere sich die Zusammensetzung der Ratsuchenden; so würden sich immer mehr Rentner an manche Verbraucherzentralen wenden.
Von Ratlosigkeit, Wut, Angst und Sorge unter seinen Mitgliedern berichtete auch Ringo Lottig, Vorstandsvorsitzender der Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft eG, einer Genossenschaft mit rund 5.000 Wohneinheiten. Immer mehr seiner Mitglieder hätten erhebliche Schwierigkeiten, die höheren Energiekosten zu bezahlen. "Die Belastungen für die Mieter und Mitglieder", sagte Lottig, "nähern sich einem unerträglichen Maß." Und weiter: "Dieses Land brodelt. Und wer das nicht versteht, wird es in drei, vier Wochen merken."
"Dramatische Liquiditätsengpässe"
Aber nicht nur die Mieter, sondern auch die Wohnungsunternehmen geraten durch die massiv gestiegenen Energiepreise in Schwierigkeiten. Das Hauptproblem liege darin, dass die Wohnungsunternehmen die Energiekosten vorfinanzieren müssten, ohne sicher zu sein, dass die Mieter diese dann bezahlen könnten, verdeutlichte Ringo Lottig das Problem. "Warum", fragte er rhetorisch, "soll ich als Wohnungsgenossenschaft für die überhöhten und absurden Energiekosten aufkommen?" Seine Genossenschaft könne das zwar eine Zeit lang durchhalten. "Aber für den einen oder anderen Kollegen wird das zu dramatischen Liquiditätsengpässen führen."
Lottigs Einschätzung bestätigte Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Rund 70 Prozent der GdW-Mitgliedsunternehmen verschöben wegen der energiebedingten Liquiditätsengpässe Neubauprojekte oder stornierten diese ganz, sagte er unter Verweis auf eine vom GdW durchgeführte Umfrage. Auch die Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft eG verzichtet derzeit auf Neubau, was Lottig allerdings in erster Linie damit begründete, dass es momentan keine Preissicherheit beim Bau gebe. Hingegen könne es sich seine Genossenschaft, die in einem Mietermarkt mit einem gesamtstädtischen Leerstand von rund zehn Prozent tätig sei, nicht leisten, bei Instandhaltung und Modernisierung Abstriche zu machen, da dies sofort zu noch größeren Vermietungsschwierigkeiten führen würde.
Liquidität erhöhen
Umso wichtiger ist ein zielführendes Liquiditätsmanagement, wie Lars Ernst, Managing Director Banking & Digital Solutions bei der Aareal Bank AG, betonte. In der ersten Hälfte des Jahres 2023, gab er zu bedenken, kämen große Abschlagszahlungen seitens der Energielieferanten auf die Wohnungsunternehmen zu. Diesbezüglich sei sein Institut in "intensiven Gesprächen" mit seinen Kunden aus der Wohnungswirtschaft. Zu beobachten sei, dass immer mehr Kunden nach kurzfristigen Krediten fragten, aber auch, dass zahlreiche Wohnungsunternehmen Liquiditätspositionen aufbauten, indem sie beispielsweise auf Investitionen verzichteten. Ein weiteres Thema in den Gesprächen mit Wohnungsunternehmen sei die Umwandlung von Barkautionen in Bürgschaften, um so den finanziellen Spielraum der Mieter zu erhöhen.
Von einem "Krisenmodus, wie wir ihn noch nie hatten", sprach Dr. Jan Witt, Geschäftsbereichsleiter Energieeffizienz und Vertrieb beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Auch die Mitglieder seines Verbands hätten mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. "Ein für uns sehr wichtiger Aspekt ist, dass der Staat natürlich nicht alles ausgleichen kann", sagte Dr. Witt weiter. Man müsse sich darauf einstellen, dass die Energiepreise perspektivisch hoch bleiben würden. "Das ist eine langfristige Sache, die organisiert werden muss", betonte der Vertreter der Energiewirtschaft. Wichtig sei es dabei, die Investitionen nicht zu vergessen – schließlich seien weiterhin die Ziele gültig, die Energieeffizienz zu steigern und mehr für den Klimaschutz zu tun. Ohne die Forderung nach einer Übergewinnsteuer direkt anzusprechen, wandte sich Dr. Witt deshalb gegen "Gewinnschabschöpfung oder alle möglichen Dinge, bis es quietscht".
Gaspreisdeckel gefordert
GdW-Präsident Axel Gedaschko plädiert vehement für ein energisches Eingreifen des Staates, um die Energiekrise schnell in den Griff zu bekommen. "Wir brauchen keine Lösung, die irgendwann funktioniert, sondern eine Lösung, die spätestens ab dem 1. Januar funktioniert", erklärte er. Die vom Bundeskabinett beschlossene Wohngeldreform sei zwar zu begrüßen, bringe aber kurzfristig keine Entlastung bei den explodierenden Energiepreisen. Das einzige Mittel sei ein Gaspreisdeckel, "auch wenn das ordnungspolitisch höchst fraglich sein mag", wie Gedaschko einräumte. Dabei argumentierte der GdW-Präsident sehr grundsätzlich, indem er darauf hinwies, es gehe "um den gesellschaftlichen Zusammenhalt". Ein Teil der Menschen habe den Glauben an den Staat verloren, und die Lage sei sozial explosiv. "In einer solchen Situation", betonte Gedaschko, "können wir nicht jedem Einzelfall gerecht werden, sondern müssen auch mal fünfe gerade sein lassen – Hauptsache, es wirkt." Das wiederum wollte Jutta Gurkmann so nicht stehen lassen: Sie sprach sich gegen das Gießkannenprinzip aus und forderte, öffentliches Geld "sinnvoll und zielgerichtet" einzusetzen.
Dass das Bundeskabinett gut eine Woche nach dem Brandenburger Hof Gespräch einen Gaspreisdeckel beschließen würde, konnte die Diskussionsrunde noch nicht wissen. Dennoch widmete sie sich der Frage, wie ein solcher Gas- oder auch Strompreisdeckel ausgestaltet sein könnte. Dr. Witt vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft verwies auf das Modell, das Österreich bei der Strompreisbremse anwendet: Demnach wird der Preis für ein gewisses Kontingent pro Haushalt gedeckelt, wobei zusätzlich nach Haushaltsgröße differenziert wird. Diese Differenzierung, gab Dr. Witt zu bedenken, könne die Energiewirtschaft aber nicht leisten, da ihr die erforderlichen Daten zur Haushaltsgröße gar nicht vorlägen.
Auf jeden Fall gelte es, das vergünstigte Kontingent nicht zu hoch anzusetzen und so den Sparanreiz aufrechtzuerhalten, wandte Jutta Gurkmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband ein. Sie wies auf die Herausforderung hin, dieses Instrument "fair und sozial ausgeglichen" auszugestalten. Denn von einem Gaspreisdeckel profitierten vor allem Haushalte, die viel Energie verbrauchten, und das seien in der Regel diejenigen Haushalte, die mehr verdienten. Ihr Verband bevorzuge als Mittel gegen überbordende Energiepreise deshalb nicht den Gaspreisdeckel, sondern eine EU-weite Gas-Einkaufsgemeinschaft.
Ein wichtiger Punkt: Die Rolle der Mieter
Angesprochen auf das Energiesparen, ging die Runde auf die Rolle der Mieter ein. Jutta Gurkmann berichtete, dass die Berater der Verbraucherzentralen immer wieder zu hören bekämen, dass die Mieter zwar Energie sparen möchten, dass aber sogar im Sommer die Heizung im Treppenhaus laufe. Bestimmt gebe es hier und da Nachlässigkeit bei Wohnungsunternehmen, räumte GdW-Präsident Gedaschko ein, aber auch Mieter verhielten sich nicht immer richtig.
In diesem Zusammenhang wies der Chemnitzer Genossenschaftler Ringo Lottig darauf hin, dass diejenigen Menschen den größten Anreiz hätten, Energie zu sparen, die selbst dafür bezahlen müssten. Wer dies nicht tue, habe auch keinen Sparanreiz, wie auch GdW-Präsident Axel Gedaschko feststellte. "Wir haben ja gerade bei unseren Wohnungsunternehmen einen großen Kreis von Mietern, die die Energiekosten nicht selbst tragen", sagte Gedaschko. Für diese Mieter gebe es keinen Anreiz, verstärkt auf den Energieverbrauch zu achten.
Jutta Gurkmann wies auf die Möglichkeit hin, dass Verbraucher, die nicht Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch sind, einen Zuschuss oder einen zinslosen Kredit für Energiekosten bekommen können, wenn andernfalls eine Energiesperre droht. Darüber hinaus fragte sie Ringo Lottig, stellvertretend für die Rolle der Wohnungsunternehmen: "Warum haben Sie denn nicht den neuesten KfW-Standard? Dann müssten Ihre Mieterinnen und Mieter in der jetzigen Situation nicht so viel zahlen." Lottig wies diesen Einwand mit dem Argument zurück, dass der Wohnungsbestand seiner Genossenschaft zu 100 Prozent energetisch saniert sei. "Ich werde mir diesen Schuh nicht anziehen, dass wir etwas nicht getan haben", betonte er. Seine Genossenschaft mache auch bei der energetischen Optimierung der Anlagetechnik alles, was möglich sei, sagte er weiter. Das sei selbstverständlich, "dafür brauche ich im Übrigen keinen Oberlehrer".
Darüber hinaus helfe seine Genossenschaft den Mietern bei der Beantragung von Unterstützungsleistungen und habe sie überdies aufgefordert, die Betriebskostenvorauszahlungen anzupassen. GdW-Präsident Gedaschko wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass aus Sicht des GdW auch eine unterjährige Anhebung der Vorauszahlungen rechtssicher machbar sei. Nicht zu vergessen sei angesichts der Nöte der Mieter und der Wohnungsunternehmen die volkswirtschaftliche Gesamtsituation, ergänzte Lars Ernst von der Aareal Bank: Viele Betriebe in anderen Branchen befänden sich wegen der Energiekrise ebenfalls in Existenznöten, und auch für sie müsse eine Lösung gefunden werden.
Energieproduktion im Quartier
Die Diskussion beschränkte sich jedoch nicht auf die Analyse des Ist-Zustands und die Forderung nach politischen Maßnahmen, sondern blickte auch nach vorn. Moderatorin Ulrike Trampe fragte nach den Möglichkeiten der Wohnungswirtschaft, im Quartierszusammenhang selbst in die Energieversorgung einzusteigen. Eigentlich müssten aus Wohnungsunternehmen Energieversorgungsunternehmen werden, antwortete Axel Gedaschko; dabei gebe es aber große Hemmnisse.
Gerade der Mieterstrom funktioniere "derzeit nicht unbedingt optimal", bestätigte Dr. Jan Witt vom BDEV, dessen Mitgliedsunternehmen auch beim Contracting aktiv sind. Als Beispiel nannte er, dass es erlaubt sein müsste, eine Photovoltaik-Anlage auch auf Dächern von anderen Häusern im Quartier zu installieren. "Wer Energieversorger werden will", ergänzte er, "muss natürlich auch die volle Gewerbesteuer zahlen."
Aber genau das ist das Problem für die Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft eG, wie Vorstand Ringo Lottig ausführte. "Beim Thema Energieversorgung im Quartier könnte ich platzen", rief er aus. Seine Genossenschaft betreibe Photovoltaikanlagen, biete in kleinem Ausmaß Mieterstrom an und habe eine Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge aufgebaut; es sei ihr aber nicht erlaubt, das weiter auszurollen – "weil es, und anders kann ich es nicht sagen, politisch nicht gewollt ist". Mehrmals habe er in den letzten sechs Jahren Vertretern politischer Parteien das Problem geschildert, ohne dass sich etwas geändert habe. Im Übrigen sei er nicht bereit, die geeigneten Flächen anderen zur Verfügung zu stellen, machte Lottig klar. "Wir können es selbst, und wir brauchen keinen Dritten, der es teurer macht."
Einen anderen Aspekt brachte Dr. Jan Witt in die Diskussion ein: Man müsse nicht in jedem Fall die Energieversorgung komplett umstellen. Auch die vorhandene Infrastruktur biete Chancen, etwa wenn für Gasheizungen Biogas zum Einsatz komme. Seinem Verband sei es wichtig, "alle Optionen offenzuhalten, die technisch möglich sind". Axel Gedaschko wies zudem auf das Potenzial von Wasserstoff hin, machte aber gleichzeitig deutlich, dass dieser Energieträger die Probleme nicht kurzfristig lösen könne.
Keine Denktabus!
Am Ende der in Teilen durchaus kontroversen Debatte herrschte dann doch kein rabenschwarzer Pessimismus, sondern der Wille, gemeinsam eine tragfähige Lösung zu finden. "Ideologiefreies, pragmatisches Handeln" forderte Ringo Lottig, während Lars Ernst erklärte: "Wir sind in einer Situation, die Sprengstoff hat, und da dürfen wir durchaus einmal Denktabus beiseitelegen." Dr. Jan Witt ließ sogar eine gewisse Zuversicht aufscheinen, indem er empfahl, "die Angst aus der Debatte rauszunehmen". "Märkte, die einen Mangel feststellen, sind auch in der Lage, neue Quellen zu erschließen", begründete er dies – deshalb werde die Energiekrise auch wieder einmal ein Ende habe.
Dieser Beitrag ist im Fachmagazin DW Die Wohnungswirtschaft in der Ausgabe 11/2022 erschienen.
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