Steuerfortentwicklungsgesetz mit lohnsteuerlichen Änderungen

Das sogenannte Steuerfortentwicklungsgesetz sieht insbesondere Entlastungen bei der Lohn- und Einkommensteuer ab 2025/2026 vor. Von besonderer Bedeutung für den Lohnsteuerabzug ist aber auch die mittelfristig geplante Abschaffung der Steuerklassenkombination III/V. Der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahren bleibt sehr unsicher.

Die Bundesregierung hat Ende Juli den Entwurf für ein "Gesetz zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz)" beschlossen (Bundesrats-Drucksache 373/24). Das Gesetz wurde bislang nicht vom Bundestag verabschiedet. Eine Verabschiedung dieses Verfahrens bleibt weiterhin sehr unsicher. Es ist zu empfehlen, die aktuelle politische Situation rund um die Gesetzgebung zu beobachten.

Mit dem Gesetz soll einerseits die steuerliche Freistellung des Existenzminimums für die Jahre 2025 und 2026 sichergestellt werden. Das hat Auswirkungen auf den Lohnsteuertarif für die beiden Jahre. Zudem werden weitere Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Dazu gehört auch eine mittelfristige Einschränkung der Lohnsteuerklassenwahl.

Änderung der Lohnsteuertarife und Einkommensteuertarife 2025 und 2026

Die Lohn- und Einkommensteuertarife sollen wie folgt angepasst werden, um die sogenannte kalte Progression auszugleichen:

  • Anhebung des integrierten Grundfreibetrags um 300 Euro auf 12.084 Euro im Jahr 2025 und ab 2026 um weitere 252 Euro auf 12.336 Euro,
  • Anpassung der übrigen Tarif-Eckwerte (mit Ausnahme der sogenannten Reichensteuer).

Zudem erfolgt eine Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2025 um 60 Euro auf 6.672 Euro und ab dem Veranlagungszeitraum 2026 Anhebung um 156 Euro auf 6.828 Euro.

Die Folge der Änderungen sind für beide Jahre geänderte Lohnsteuertabellen und Programme. Mit einer rechtzeitigen Bekanntgabe vor der Anwendung ab Januar 2025/2026 ist nach derzeitigem Stand zu rechnen. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Zahlen zum Grund- und Kinderfreibetrag können sich allerdings im Herbst nach Vorlage des Progressionsberichts noch (leicht) ändern.

Die geänderten Kinderfreibeträge wirken sich lohnsteuerlich nur beim Solidaritätszuschlag und ggf. bei der Kirchensteuer aus.

Hinweis: Für 2024 plant der Gesetzgeber eine nochmalige Tarifentlastung, die in einem gesonderten Gesetz umgesetzt und im Dezember 2024 wirksam werden soll. Lesen Sie dazu unseren Beitrag: Änderungen bei Lohnsteuertabellen und Programmablaufplänen 2024.

Änderungen beim Kindergeld

Das Kindergeld soll zum 1. Januar 2025 von aktuell 250 Euro um 5 Euro auf einheitlich 255 Euro pro Kind im Monat angehoben werden. Ab 2026 soll ergänzend geregelt werden, dass die Anhebung von Kinderfreibeträgen eine entsprechende Anhebung des Kindergelds auslöst. Dementsprechend soll das Kindergeld 2026 um weitere 4 Euro auf 259 Euro im Monat für jedes Kind angehoben werden.

Hinweis: Grundsätzlich wird das Kindergeld durch die Familienkassen und unabhängig vom Lohnsteuerabzug ausgezahlt. Ausnahmsweise sind Arbeitgeber in der öffentlichen Verwaltung verpflichtet, das staatliche Kindergeld an ihre Beschäftigten mit der Entgeltabrechnung auszuzahlen (§ 72 Abs. 1 EStG).

Ergänzungen zur Förderung der Elektromobilität

Die Bundesregierung hat angekündigt, den Entwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch um zwei Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität ergänzen zu wollen. Vorgesehen ist:

  • Für neu zugelassene, rein elektrische und emissionsfreie Fahrzeuge sollen Unternehmen die Investitionskosten schneller steuerlich geltend machen können. Dazu soll eine neue Sonderabschreibung in Höhe von 40 Prozent eingeführt werden.  
  • Zudem soll der Vorteil der Dienstwagenbesteuerung für reine Elektro-Fahrzeuge erweitert werden. Beschäftigte, die einen Elektro-Firmenwagen auch privat nutzen, versteuern diesen Vorteil zurzeit vergünstigt. Bei der 1-Prozent-Regelung für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, das keine CO2-Emissionen hat (reine Elektrofahrzeuge, inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge) ist nur ein Viertel der Bemessungsgrundlage (Bruttolistenpreis) anzusetzen. Voraussetzung dafür ist derzeit, dass das Fahrzeug höchstens 70.000 Euro kostet (Bruttolistenpreis) und nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft wird bzw. wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 EStG, vorher 60.000 Euro). (Lesen Sie dazu: Steuerliche Förderung bei Elektro- und Hybridfahrzeugen). Dieser Betrag soll auf 95.000 Euro angehoben werden. Die neue Höchstgrenze soll rückwirkend bereits für Firmenwagen gelten, die ab Juli 2024 angeschafft werden bzw. wurden. Sicherheit bringt aber erst der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens.

Hinweis: Die Ergänzungen sind bisher noch in keiner Drucksache enthalten.

Abschaffung der Steuerklassenkombination III/V

Mit dem Gesetzentwurf soll die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren umgesetzt werden, um die Lohnsteuerbelastung gerechter auf Eheleute, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner zu verteilen (§§ 38b, 39 Abs. 4, 39a Abs. 1, 39b Abs. 2, 39e Abs 1a, 39g und 39g EStG des Entwurfs). Vorgesehen ist die Überführung allerdings erst für 2030. Aktueller Handlungsbedarf besteht also noch nicht.

Die Steuerklasse IV soll – wie bisher – der Grundfall für den Lohnsteuerabzug bei unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten / Lebenspartnerinnen und -partnern bleiben, die nicht dauernd getrennt leben. Die (dann einzige) Wahlmöglichkeit für den Lohnsteuerabzug ist das Faktorverfahren (Steuerklasse IV mit Faktor). Sie existiert bereits heute, wird in der Praxis aber kaum genutzt. Neu vorgesehen ist, dass auch alleinverdienende Ehegatten/ Lebenspartnerinnen und -partner das Faktorverfahren nutzen können und die Parameter der bisherigen Steuerklasse III im Faktorverfahren abgebildet werden.

Mehrheit der Ehepaare betroffen

Ehepaare beziehungsweise in eine Lebenspartnerschaft eingetragene Paare entscheiden sich bisher mehrheitlich für die Steuerklassenkombination III und V, wie Daten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik für das Veranlagungsjahr 2020 zeigen. Wie das Statistische Bundesamt aktuell mitgeteilt hat, wählten von den insgesamt rund 5,3 Millionen zusammenveranlagten Steuerpflichtigen mit ausschließlich Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit knapp 2,1 Millionen Paare (39 Prozent) diese Steuerklassenkombination. Bei weiteren 1,3 Millionen Paaren (25 Prozent) erzielte nur eine der beiden Personen Arbeitseinkommen und war entsprechend in Steuerklasse III eingruppiert. 1,9 Millionen zusammenveranlagte Steuerpflichtige (36 Prozent) waren in Steuerklasse IV eingetragen.

Neues Faktorverfahren: Berechnung und Anwendung des Faktors

Auf Basis der voraussichtlichen Jahresarbeitslöhne ermittelt das Finanzamt die voraussichtliche Jahreslohnsteuer in der Steuerklasse IV getrennt für jeden Ehe-/Lebenspartner. Bei jedem Ehe-/Lebenspartner werden die ihm persönlich zustehenden Freibeträge berücksichtigt (Grundfreibetrag, Vorsorgepauschale, Arbeitnehmer-Pauschbetrag).

Der Faktor ist ein Multiplikator Y : X. Die Summe der Lohnsteuer, die sich für beide Ehepartner nach Steuerklasse IV ergibt, ist die Ausgangsgröße X im Nenner des Faktors. Der Zähler Y ist die voraussichtliche Jahreslohnsteuer, die sich für den voraussichtlichen Gesamtjahresarbeitslohn beider Ehe-/Lebenspartner nach dem Splittingtarif ergibt.

Beispiel: Für den Lebenspartner A ergibt sich in Steuerklasse IV bei einem Bruttoarbeitslohn von 30.000 EUR eine (fiktive) Jahreslohnsteuer von 4.800 Euro und für Lebenspartner B bei einem Bruttoarbeitslohn von 10.000 Euro eine Jahreslohnsteuer von 0 EUR. Die Summe der Jahreslohnsteuer bei der Steuerklassenkombination IV/IV beträgt 4.800 Euro. Das Finanzamt berechnet die voraussichtliche Einkommensteuer im Splittingverfahren mit 4.000 Euro.

Ergebnis: Der Faktor berechnet sich mit 4.000 : 4.800 = 0,833.

Für Lebenspartner A mit einem Bruttoarbeitslohn von 30.000 Euro beträgt die Lohnsteuer nach Steuerklasse IV mit Faktorverfahren: 4.800 Euro x Faktor 0,833 = 3.998,40 Euro.

Für den Lebenspartner B mit einem Bruttoarbeitslohn von 10.000 Euro beträgt die Lohnsteuer auch nach Steuerklasse IV mit Faktorverfahren (0 EUR x 0,833 =) 0 Euro.

Für das bereits jetzt mögliche Faktorverfahren ist ein gemeinsamer Antrag beider Ehe-/Lebenspartner erforderlich. Zur Ermittlung des Faktors wird insbesondere die Höhe der jeweiligen voraussichtlichen Bruttoarbeitslöhne im Kalenderjahr benötigt. Der Faktor gilt für zwei Jahre. Zur Beantragung verwenden Sie am besten den Vordruck "Antrag auf Steuerklassenwechsel bei Ehegatten/Lebenspartnern".

Steuerklassenkombination III/V: Umstellung und neues Verfahren ab 2030

Durch eine weitgehende Digitalisierung und Automatisierung soll das aktuell nur wenig genutzte Verfahren in der Zukunft vereinfacht werden. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) soll in allen Fällen, in denen zum 30. September 2029 bei Ehegatten/Lebenspartnern die Steuerklassenkombination III/V für den Lohnsteuerabzug angewendet wird, automatisiert zum 1. Oktober 2029 einen Faktor bilden, der sich anhand der Daten ergibt, die spätestens zum 28. Februar 2029 vom jeweiligen Arbeitgeber mit den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen für das erste Dienstverhältnis an die Finanzverwaltung übermittelt worden sind.

Der ab dem Umstellungsstichtag 1. Januar 2030 geltende Faktor wird den Ehegatten/Lebenspartnerinnen und -partnern einmalig elektronisch mitgeteilt. Im laufenden Betrieb wird dann der neue automatisierte Faktor jeweils zum 1. April eines Kalenderjahres anhand der Daten gebildet, die dem BZSt von den Landesfinanzbehörden aus den für das vorangegangene Kalenderjahr übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen (§ 41b Absatz 1 EStG) mitgeteilt werden.


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Schlagworte zum Thema:  Lohnsteuer, Gesetzgebung