Automobilindustrie: Klimaschutz erfordert neue Personalplanung

Durch die von der Bundesregierung verabschiedeten Klimaschutzmaßnahmen wird sich die Elektrifizierung der Mobilität beschleunigen. Eine Analyse der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität" zeigt, wie sich dies auf die Beschäftigungsstrukturen in der Automobil- und Zulieferindustrie auswirkt.

Der Personalbedarf in der Produktion und in Teilen der Entwicklung wird abnehmen. Zugleich entstehen neue Berufsbilder und neue Qualifikationen werden erforderlich. Damit der Mobilitätssektor das Beschäftigungsniveau erhält, müssen die Beschäftigten für diese neuen Anforderungen ausgebildet oder weiterqualifiziert werden.

Klimaschutz verändert Beschäftigungsstrukturen im Mobilitätssektor

"Bereits heute zeichnet sich ab, dass sich nicht allein die Zahl der Arbeitsplätze im Mobilitätssektor verändern wird, sondern vor allem die Qualität der Arbeit. Die Ankündigungen der Automobilhersteller und -zulieferer in den vergangenen Wochen zeigen, dass sich die Branche mitten im Umbruch befindet. Der Markthochlauf der Elektromobilität bis 2030 aufgrund der europäischen und auch nationalen Klimaschutzregelungen und weitere Effizienzsteigerungen durch eine zunehmende Automatisierung in der Produktion wirken sich immer stärker auf die Beschäftigungsstrukturen aus. Wenn wir die industrielle Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der hiesigen Automobilwirtschaft erhalten wollen, brauchen wir die volle Wertschöpfungskette der Automobilindustrie in Zukunft hier," erläutert Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall und Leiter der Arbeitsgruppe 4 der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität" (NPM).

Personalbedarf geht durch Automatisierung zurück

Für die Analyse hat die Arbeitsgruppe 4 der NPM die Studien ELAB 2.0 des Fraunhofer IAO und den IAB-Forschungsbericht 08/18 um zwei Szenarien für das Jahr 2030 ergänzt. Im neuen Elektromobilitätsszenario auf Basis von ELAB 2.0 wird angenommen, dass die deutschen Automobilhersteller 2030 deutlich mehr rein elektrische (30 Prozent) und Plug-In-Hybride (15 Prozent) herstellen, um die CO2-Flottengrenzwerte der EU einzuhalten. Im Szenario Elektromobilität Plus auf Basis des IAB Forschungsberichts wird ein Bestand von zehn Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030 angenommen. Die Zusammenschau der beiden Berechnungen lässt eine breite Beschreibung der zu erwartenden Beschäftigungseffekte in Deutschland zu.

Im Vergleich mit den bisherigen Ergebnissen geht der Personalbedarf in den neuen Elektromobilitätsszenarien weiter zurück, auch weil die Produktivität durch eine höhere Automatisierung in Zukunft weiter steigen wird. Die Herstellung von Elektrofahrzeugen ist stärker automatisierbar. Wenn sich die Wettbewerbslage der deutschen Industrie im Bereich Elektromobilität in den kommenden Jahren nicht verbessert und der Importbedarf für Batteriezellen und Elektrofahrzeuge mit dem Markthochlauf weiterwächst, wären die Auswirkungen auf die Beschäftigungsstrukturen erheblich.

Transformation der Geschäftsmodelle erfordert Qualifizierungsmaßnahmen

Die Automobilhersteller werden zukünftig nicht im selben Maße für Wertschöpfung und Beschäftigung entlang der Zulieferketten sorgen können, wie es heute der Fall ist. Unternehmen müssen so bald wie möglich neue Wertschöpfungspotenziale identifizieren, die entsprechende Transformation ihrer Geschäftsmodelle einleiten und ihre Kräfte für Qualifizierungsoffensiven in relevanten Bereichen wie der Automotive Software bündeln.

Die Herausforderungen der Beschäftigungsqualifizierung im Strukturwandel können nicht allein von den Einzelunternehmen geleistet werden. Für den Mobilitätssektor ist deshalb ein zentrales berufliche Weiterbildungskonzept erforderlich, das insbesondere auch die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen berücksichtigt. Eine möglichst präzise Aussage über Personal- und Qualifikationsbedarfe in der Zukunft ist als Basis entscheidend, damit die gewählten Qualifizierungsinstrumente auf den zukünftigen Qualifikationsbedarf der Branche ausgelegt werden können.

Qualifizierung muss im Verbund geleistet werden

Die AG 4 schlägt deshalb die Errichtung von (regionalen) Verbünden, sogenannten Kompetenz-Hubs, vor, in denen die Bundesagentur für Arbeit, regionale Weiterbildungsträger und Betriebe mit Qualifizierungsbedarf zusammenarbeiten, um passende und bedarfsgerechte Qualifizierungsmaßnahmen zu entwickeln und anzubieten. Vorbild für mögliche Maßnahmen können Beschäftigungsinitiativen sein, die aus der Branche heraus bei Automobilherstellern und Zulieferern entwickelt wurden und bereits erfolgreich angewendet werden.

Auf die Situation der Beschäftigen in Regionen, die stark von der Automobil- und Zulieferindustrie geprägt sind, muss verstärkt eingegangen werden. Dies erfolgt teilweise schon in regionalen Transformationsgesellschaften. Sie können mit den angedachten Kompetenz-Hubs eng zusammenarbeiten oder diese als Baustein integrieren. Die AG 4 empfiehlt darüber hinaus, die bestehenden politischen Steuerungsinstrumente zu ergänzen. So könnten das Qualifizierungschancengesetz für kollektive Anträge geöffnet und damit die bisherige Individualförderung um die Möglichkeit der Förderung einer Gesamtmaßnahme ergänzt werden. Die Regelungen zum Kurzarbeitergeld sollten so angepasst werden, dass sie nicht nur zum Erhalt von Arbeitsplätzen genutzt werden, sondern viel stärker für Qualifizierung.


Mehr zum Thema Transformation in der Automobilindustrie lesen Sie in Personalmagazin Ausgabe 5/2019. Wie das Qualifizierungschancengesetz den Strukturwandel unterstützt, ist unter anderem Thema der Personalmagazin-Ausgabe 12/2019. Die gesamten Ausgaben lesen Sie auch in der Personalmagazin-App.


Schlagworte zum Thema:  Personalplanung, Personalentwicklung, Klimaschutz