Die Situation am Ausbildungsmarkt in Deutschland

Nach dem historischen Tief auf dem Ausbildungsmarkt im Coronajahr 2020 steigt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nunmehr seit drei Jahre kontinuierlich an. Dennoch lag das Niveau zu Beginn des Ausbildungsjahrs 2023/24 noch deutlich unter dem von 2019. Auch die Zahl der Unternehmen, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können, nimmt immer weiter zu. Was die Gründe dafür sind und was Unternehmen tun können.

Der Arbeitsmarkt und damit mittelbar auch das Ausbildungssystem stehen vor großen strukturellen Herausforderungen. Diese Herausforderungen ergeben sich zum einen aus den großen übergeordneten Trends Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie. Hinzu kommen aktuelle Ereignisse wie die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

Ausbildungsmarkt: Die Ausbildungssituation in Deutschland

Während im Jahr 2020 das Ausbildungsangebot und die Ausbildungsnachfrage junger Erwachsener
noch nahezu parallel zurückgingen und das Gesamtsystem in sich schrumpfte, zeigten sich in den
Folgejahren unterschiedliche Entwicklungen für Angebot und Nachfrage. So stieg das Ausbildungsan-
gebot seit dem Berichtsjahr 2021 wieder an, wohingegen die (erweiterte) Nachfrage nach Ausbildung
auch im Jahr 2022 noch weiter rückläufig war. Für das Jahr 2023 konnten sowohl für das Ausbil-
dungsangebot als auch für die Ausbildungsnachfrage Anstiege verbucht werden. Dabei fielen die An-
stiege bei Angebot und Nachfrage in etwa gleich hoch aus, sodass der Ausbildungsmarkt in sich stabil geblieben ist.

Abgeschlossene Ausbildungsverträge: Weniger als vor der Coronakrise

2023 ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im dualen System im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent gestiegen - auf 489.200, im Vergleich zum Ausbildungsniveau vor der Pandemie gibt es immer noch noch einen deutlichen Abstand (minus 6,8 Prozent im Vergleich zu 2019). Das zeigt der  aktuelle Berufsbildungsbericht, der die Situation des vergangenen Ausbildungsjahrs 2023/24 abbildet und auf Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) beruht.

Die Zahl der Ausbildungsplatzangebote stieg im vergangenen Jahr um 18.600 auf 562.600 Stellen (plus 3,4 Prozent). Bis Ende September 2023 wurden 489.200 Verträge neu abgeschlossen – 2.000 mehr als im Vorjahr (plus 3 Prozent). Die Ausbildungsnachfrage stieg erstmals seit 2018 wieder an, und zwar um 17.700 auf 515.600 (plus 3,6 Prozent).

Unbesetzte Ausbildungsplätze: Passungsprobleme nehmen zu

Bei  der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage zeigt sich, dass 2023 sowohl der Anteil der unbesetzten Stellen am betrieblichen Angebot, als auch der Anteil unversorgter Bewerberinnen und Bewerberweiter gestiegen sind: Die Zahl der unbesetzten Stellen stieg um 6,6 Prozent auf 73.400 (Vorjahr: 68.900), die Zahl der unversorgten Bewerber stieg um 16,3 Prozent auf 26.400 (Vorjahr: 22.700). Dies ist - abgesehen vom Corona-Jahr - der höchste Wert an unversorgten Bewerbern seit 2008.

Fasst man die dargestellten Kennwerte zusammen, so ergibt sich für das Jahr 2023 eine Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) von 109,1. Dies bedeutet, dass rechnerisch 100 ausbildungsplatznachfragenden Personen 109,1 angebotene Ausbildungsstellen gegenüberstanden. Damit war die ANR im Jahr 2023 leicht rückläufig. Zurückzuführen ist dies auf den merklichen Anstieg der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber.

In Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Zusammenführung von offenen Ausbildungsstellen und unversorgten Bewerbern sind auch die Ergebnisse der aktuellen Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) interessant:

  • 47 Prozent aller IHK-Ausbildungsbetriebe konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen.
  • Von diesen 47 Prozent, die nicht alle Ausbildungsplätze vergeben konnten, haben 37 Prozent keine einzige Bewerbung erhalten; dies bedeutet einen Anstieg um rund 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • Die Betriebe, die Bewerbungen erhalten, aber ihren Platz dennoch nicht besetzen konnten, haben die Bewerbungen zu einem Großteil als nicht passend (69 Prozent) eingeschätzt.
  • Als Konsequenz daraus wollen acht von zehn Unternehmen ihr Engagement in der beruflichen Orientierung ausbauen. Dazu bieten 61 Prozent der Unternehmen künftig mehr Praktikumsplätze an.

Gründe für unbesetzte Ausbildungsplätze

Laut der Studie "Azubi-Recruiting-Trends 2024" sind die Hauptursachen für unbesetzte Ausbildungsstellen und unversorgte Bewerber mangelnde Berufsorientierung sowie das schlechte Image der dualen Ausbildung. Weitere Gründe sind laut der Studie, dass Unternehmen zu hohe Anforderungen an eine Bewerbung knüpfen und ihre Stellenanzeigen nicht in den Kanälen schalten, auf denen ihre Zielgruppe unterwegs ist. Der mit Abstand wichtigste Kanal für junge Menschen bei der Ausbildungssuche ist Google.

Schulmarketing und Berufsorientierung: Wie Unternehmen selbst aktiv werden können

Unternehmen sollten also auch in Sachen Berufsorientierung selbst aktiv werden und Angebote zur Berufsorientierung in ihr Ausbildungsmarketing integrieren. Viele Unternehmen setzen beispielsweise auf Schulmarketing. Hierunter fallen per Definition einerseits klassische Werbemittel im Schulumfeld – beispielsweise Plakate oder gebrandete College-Blöcke, Schulmäppchen und Stundenpläne, aber auch ausbildungsrelevante Unterrichtsmaterialen für Lehrer. Auch Informationsveranstaltungen sind Teil des Schulmarketings. Solche Orientierungsangebote in Zusammenarbeit mit Schulen bietet inzwischen die Mehrheit der ausbildenden Unternehmen an. Auch die Teilnahme an Aktionstagen, wie dem Girls‘ und Boys‘ Day sind eine Möglichkeit, junge Menschen im Dschungel der Ausbildungsangebote Orientierung zu bieten und den für sie passenden Beruf zu entdecken. Oft gibt es auch lokale Initiativen zur Berufsorientierung, an denen sich Unternehmen beteiligen können – Beispiele hierfür finden Sie im Beitrag "Schnitzeljagd im Jobwald".

Auszubildende: Digitale Recruiting-Prozesse sind Pflicht

Auch Fehler im Recruiting-Prozess können die Ursache dafür sein, dass Unternehmen ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können. So haben nur ein Drittel der für den Azubi-Report 2024 des Informationsportals Ausbildung.de den Bewerbungsprozess, den sie durchlaufen haben, als einfach bewertet. 47 Prozent beurteilen ihn weder als einfach noch als kompliziert, 22 Prozent haben ihn sogar als kompliziert, 17 Prozent als chaotisch und 12 Prozent als unprofessionell wahrgenommen.

44 Prozent der befragten Auszubildenden haben ihr Smartphone oder Tablet für die Bewerbung verwendet - dies ist ein deutlicher Anstieg von mobilen Endgeräten im Vergleich zur Umfrage 2022 (14 Prozent). Eine nicht mobiloptimierte Karriereseite kann daher für diese Zielgruppe eine unüberwindbare Hürde darstellen. 61 Prozent haben schon einmal eine Online-Bewerbung abgebrochen, weil sie sich nicht registrieren konnten (11 Prozent), ihre Unterlagen nicht hochladen konnten (20 Prozent) oder sich mit ihrem Endgerät nicht bewerben konnten (8 Prozent).

Azubis finden: Schnell sein lohnt sich

Doch auch jenseits der Technik sollten Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse hinterfragen. Manche sind einfach nicht schnell genug. Wer meint, auf perfekte Kandidatinnen und Kandidaten warten zu können, wird schnell feststellen müssen: Bewerbende sind schneller als je zuvor vom Markt. Wer zögert, verliert. 26 Prozent der für den Azubi-Report befragten Auszubildenden erhielten innerhalb einer Woche eine Rückmeldung des Ausbildungsbetriebs auf ihre Bewerbung. Und 29 Prozent bereits nach ein bis drei Tagen. Das heißt: Über die Hälfte aller Bewerberinnen und Bewerber ist nach spätestens einer Woche in den Bewerbungsprozess eingestiegen, der sie zu ihrem heutigen Ausbildungsplatz geführt hat. Und 46 Prozent aller Auszubildenden haben weniger als vier Wochen von der Bewerbung bis zur Zusage benötigt.

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