Beeinträchtigt Cultural Fit die Diversity im Unternehmen?

Neue Mitarbeitende, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, die sich ins Team und ins Arbeitsumfeld einfügen – das wünschen sich alle Arbeitgeber und suchen im Recruiting nach dem "Cultural Fit". Aber dabei kann die Vielfalt verloren gehen. Wie die Diversity trotzdem erhalten bleibt.

Cultural Fit bedeutet so viel wie "kulturelle Übereinstimmung" und meint möglichst viele Gemeinsamkeiten bezüglich Wertvorstellungen, Einstellungen und Verhaltensweisen zwischen Bewerbenden und dem Unternehmen. Das kann zahlreiche Vorteile für beide Seiten mit sich bringen. Mitarbeitende, die gut zum Unternehmen passen, integrieren sich schneller in den Betrieb, sind oft engagierter und zufriedener mit ihrem Arbeitsumfeld. Außerdem profitiert die Teamdynamik von effektiverer Kommunikation und einer harmonischen Zusammenarbeit. Insgesamt wird dadurch auch die Fluktuation reduziert, was hohe Kosten für Neueinstellungen und Einarbeitung einspart.

Doch: Jede Medaille hat zwei Seiten. Dieses Sprichwort trifft gerade dann zu, wenn durch das Recruiting nach dem Cultural Fit die Vielfalt im Unternehmen verloren geht.

Diversity: Mit Vielfalt zum Erfolg

Diversity beschreibt die Vielfalt innerhalb einer Gruppe oder Organisation, insbesondere im Hinblick auf unterschiedliche Merkmale wie Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung und Bildungshintergrund. Im Unternehmenskontext bedeutet Diversity, dass eine Vielzahl von Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Hintergründen, Persönlichkeiten und Fähigkeiten zusammenarbeitet.

Das kann unter anderem die Entscheidungsfindung optimieren: Durch verschiedene Perspektiven und Erfahrungen werden unterschiedliche Aspekte berücksichtigt. Zudem kann Diversity zu einer höheren Innovationskraft und Kreativität führen, da Mitarbeitende mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten möglicherweise unterschiedliche Lösungsansätze und Ideen einbringen. Ein von Vielfalt geprägtes Arbeitsumfeld wird häufig als angenehmer und inklusiver wahrgenommen, da individuelle Unterschiede gesehen und geschätzt werden. Insgesamt wirkt sich Diversität also positiv auf die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aus.

Beeinträchtigt Cultural Fit die Diversität?

Sucht man im Recruiting ausschließlich nach Personen mit gleichem Hintergrund, ähnlicher Persönlichkeit oder ähnlichen Interessen, verringert sich nicht nur die Chance auf unterschiedliche Blickwinkel oder Herangehensweisen im Team. Im schlechtesten Fall kann es auch dafür sorgen, dass bestimmte Personengruppen per se ausgeschlossen werden. Das steht im Widerspruch zur Bemühung um Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration.

Solche Szenarien kommen häufiger durch Unachtsamkeit als durch böse Absicht zustande. Viele Personalverantwortliche sind sich beispielsweise nicht darüber bewusst, dass allein die Formulierung der Stellenbeschreibung erheblichen Einfluss darauf haben kann, wer sich auf eine vakante Position bewirbt und wer nicht. Spricht man von einem "jungen, dynamischen Team" oder "Digital Natives", werden Angehörige einer älteren Generation durch das Wording abgeschreckt und ausgegrenzt. Das Anpreisen eines regelmäßigen Feierabendbiers könnte Kandidatinnen und Kandidaten, die keinen Alkohol trinken, abschrecken. Dies sind nur wenige Beispiele einer breiten Palette an Formulierungen, auf die in Stellenbeschreibungen besser verzichtet werden sollte.

Weitere Konflikte zwischen Cultural Fit und Diversität können bei der Bewerberauswahl und im Vorstellungsgespräch auftreten. Wird der Cultural Fit nicht messbar gemacht, muss nach Bauchgefühl entschieden werden, ob das Talent zum Unternehmen passt. Letztendlich entscheidet dabei häufig die Sympathie. Oft finden wir aber gerade das sympathisch, was uns selbst am ähnlichsten ist. Die Entscheidung wird also rein subjektiv und oft auf Kosten der Diversität getroffen. Hinzu kommen Vorurteile. Auch, wenn Personalverantwortliche keine explizite Voreingenommenheit äußern, können durchaus implizite Vorurteile bestehen. Ohne es zu merken, verhalten sie sich distanzierter, stellen weniger Fragen, lächeln weniger. Das wiederum kann das Gegenüber verunsichern. Die Atmosphäre wird angespannt und ein kulturelles Match unwahrscheinlich.

Diversität durch die Unternehmenskultur schützen

Sollten Arbeitgeber also auf den Cultural Fit als Einstellungskriterium verzichten? Nein, denn mit der richtigen Herangehensweise und genügend Fingerspitzengefühl ist der Cultural Fit ein Konzept, von dem jedes Unternehmen stark profitieren kann. Dabei ist es allerdings entscheidend, dass er der Diversität nicht im Weg steht. Deshalb sollte diese direkt in der Unternehmenskultur verankert werden. Um eine vielfältige und integrative Kultur zu schaffen und aufrechtzuerhalten, sollte sie auf Werten wie Aufgeschlossenheit, Inklusion, Toleranz, Respekt und Fairness basieren.

Darüber hinaus sollten Personalverantwortliche aktiv dabei unterstützt werden, diskriminierende Verhaltensweisen zu erkennen und abzulegen. Dazu gehören beispielsweise Anti-Bias-Schulungen sowie ein regelmäßiger Austausch und Feedback zum Rekrutierungsprozess. Statt subjektiver Empfindungen sollten messbare Eigenschaften darüber entscheiden, wie gut ein Talent zum Unternehmen passt. Außerdem sollte die Kulturpassung nicht zu eng definiert sein oder an irrelevanten Merkmalen festgemacht werden.

Den Cultural Fit nicht als starre Schablone sehen

Kultur ist lebendig und entwickelt sich weiter. Deshalb ist es manchmal auch spannend, nach Ergänzungen, statt nach Ähnlichkeiten zu suchen. Der Cultural Fit sollte nicht als starre Schablone gesehen werden. Vielmehr sollten Personalverantwortliche regelmäßig reflektieren, welche Perspektiven, Kenntnisse und Eigenschaften das Team vervollständigen könnten.


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