Bewerbung: Warum Anschreiben das Recruiting erschweren

Wenn sich nur wenig Bewerber auf eine ausgeschriebene Stelle melden, kann das verschiedenste Ursachen haben. Ein Grund ist laut einer aktuellen Umfrage ein verpflichtendes Anschreiben.

Die Befragung von Meinestadt.de zeigt, was Bewerber über das Anschreiben denken: Über die Hälfte der 1.034 befragten Fachkräfte mit Berufsausbildung empfindet das Anschreiben als eine große Hürde. Der am häufigsten genannte Grund dafür ist, dass die Jobsuchenden nach eigenen Angaben nicht wissen, was sie schreiben sollen. Rund jeder Fünfte gibt an, das Anschreiben koste zu viel Zeit. 15 Prozent geben mangelnde Routine beim Verfassen von Texten als Hürde an. Viele Fachkräfte mit Berufsausbildung sind es nicht gewohnt, längere Texte zu schreiben.

Anschreiben hat im Tourismus das negativste Image

Innerhalb der verschiedenen Branchen gibt es leichte Unterschiede, was die Akzeptanz des Anschreibens betrifft. Am unbeliebtesten ist es mit über 60 Prozent bei Fachkräften im Gastgewerbe und Tourismus, gefolgt von jeweils über 57 Prozent im Handwerk, in der Produktion, im Rechts- und interessanterweise sogar auch im Personalwesen. Bei Unternehmen aus diesen Branchen besteht besonders großer Handlungsbedarf, was die Optimierung von Prozessen angeht, damit potenzielle Mitarbeiter nicht schon im Vorfeld abspringen. 

Aussagekraft von Anschreiben fraglich

Diejenigen, die das Anschreiben nicht als Hürde empfinden, geben dafür folgende Gründe an: Jeder Vierte greift auf eine Vorlage zurück, die nur minimal für die jeweilige Bewerbung angepasst wird. Weitere sechs Prozent berufen sich auf die gute Verfügbarkeit von Vorlagen im Internet und ein Prozent gibt sogar zu, dass ein Anschreiben kein Problem sei, weil sie es von jemand anderem erstellen lassen.

„Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Aussagekraft Anschreiben letztlich überhaupt für die Bewerberauswahl haben“, sagt Georg Konjovic, Geschäftsführer von meinestadt.de. Das spiegelt sich auch in der Aussage nieder, dass das Anschreiben eine Zeitverschwendung sei. Dieser Vergleich landet auf Platz 2 bei den Umfrageteilnehmern. Am häufigsten vergleichen sie das Anschreiben mit einer Schulprüfung; auf Platz 3 folgt der Vergleich mit einem Besuch beim Zahnarzt.

Fehlinterpretation der Bewerbungsunterlagen

Dass die diagnostische Aussagekraft von Bewerbungsunterlagen insgesamt fraglich ist, hat auch Professor Uwe Peter Kanning in seiner Kolumne unter dem Titel „Bewerbungsunterlagen: Wenn die Verpackung wichtiger ist als der Inhalt“ ausführlich erläutert. Er zeigt unter anderem Studienergebnisse auf, die belegen, dass dabei – immer noch – zu viele absurde Merkmale werden interpretiert werden. So wird sogar nicht zu selten die Länger des Anschreibens und die Papierqualität als Auswahlkriterium herangezogen.

Anschreiben für Nicht-Akademiker oft unnötig

Darüber hinaus berücksichtigen Unternehmen nach Ansicht der Studienautoren von Meinestadt.de immer noch nicht genug die Unterschiede in den Bewerbungsprozessen zwischen akademischen und nicht-akademischen Positionen: Für viele nicht-akademische Stellen reiche im ersten Schritt eine Kurzbewerbung aus, mit der sich die grundlegenden Qualifikationen prüfen lassen – ohne Anschreiben.

Mobile Recruiting: Anschreiben über das Smartphone zu umständlich

Hinzu kommt: Das mobile Recruiting ist längst Alltag, wie die Mobile Recruiting Studie 2017 von meinestadt.de belegt. Knapp die Hälfte der Befragten gab darin an, schon mal eine Bewerbung abgebrochen zu haben, weil sie mit dem Smartphone zu umständlich oder nicht möglich war. Auch hier spielt das Anschreiben eine große Rolle, da die kleinen Bildschirme und Tastaturen das fehlerfreie Verfassen längerer Texte erschweren.


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