Toolbox: Instrumente für Digital Leadership


Instrumente für Digital Leadership: Ansätze und Tools

Mit welchen konkreten Instrumenten können Digital Leader ihre Führungsaufgabe ausüben? Professor Thorsten Petry stellt verschiedene Ansätze und Tools vor.

Im Folgenden werden einige Ansätze und Tools vorgestellt, die zur Gewährleistung einer adäquaten Führung im Digitalzeitalter dienen können. Die vorgestellten Ansätze sind auf die Charakteristika des VOPA+ Modells (siehe Kapitel 1) ausgerichtet und dienen dazu, vernetzter, offener, partizipativer und/oder agiler zu handeln.

Digital Leadership: Ansätze zur Stärkung der Vernetzung

Einen Ansatz zur Stärkung der Vernetzung im Unternehmen bieten Social-Collaboration-Plattformen. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Unternehmen die Potenziale eines unternehmensinternen Einsatzes sozialer Medien zur Verbesserung der internen Kommunikation und Zusammenarbeit erkannt und entsprechende Initiativen gestartet.

Neben dieser Vernetzung über digitale Plattformen ist es aber auch im Digitalzeitalter weiterhin wichtig, Ansätze für physische Kontakte und Vernetzung anzubieten. Für solche physischen Netzwerkformate gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten - vom Early Bird Café, über Blind Lunch und Learning Lunch bis hin zum Feierabendbier.

All diese Ansätze dienen dazu, eine stärkere Vernetzung und auf dieser Basis mehr Austausch und Zusammenarbeit zu fördern. Sie unterstützen damit gleichzeitig auch eine größere Offenheit im Unternehmen.

Ansätze für Führungskräfte zur Stärkung der Offenheit

Weitere potenzielle Ansätze für die Förderung von Offenheit sind Reverse Mentoring, Working bzw. Leading Out Loud, Failure Awards und Learning Journeys. Reverse Mentoring eignet sich dafür, weniger digital-affine und für "IT-Spielereien" eher verschlossene Führungskräfte näher an digitale Technologien sowie die Werte und das Denken der Digital Natives heranzuführen. Dieser Ansatz kehrt die klassische Logik der Mentor-Mentee-Beziehung um, denn hier ist der junge Mitarbeiter der thematisch Erfahrenere, der sein Wissen an ältere Kollegen und Vorgesetzte weitergibt.

Ebenfalls primär auf Offenheit ausgerichtet ist das von John Stepper entwickelte Working Out Loud bzw. Leading Out Loud. Working Out Loud ist ein Ansatz zum lernorientierten Austausch im Netzwerk. Drei bis fünf Personen treffen sich – persönlich oder virtuell – zwölf Wochen lang für jeweils eine Stunde in Circles, um gemeinsam an individuellen Zielen der Teilnehmer zu arbeiten. Hierbei stehen drei Kernfragen im Fokus: Erstens, was will ich erreichen? Zweitens, wer kann mir dabei helfen? Und drittens, was kann ich anderen Personen meinerseits anbieten, um eine tiefere Beziehung aufzubauen? Die Kernidee dahinter ist es, das eigene Wissen und die eigene Arbeit sichtbar zu machen, damit alle davon profitieren können. Leading Out Loud steht in ähnlicher Weise für die Transparentmachung von Führung. In Unternehmen wie zum Beispiel Audi, Bosch, Klöckner oder Lufthansa nutzen Führungskräfte Executive Blogs, Podcasts oder Enterprise 2.0-Plattformen, um regelmäßig über ihre Arbeit, ihre Aufgaben, ihr Denken und ihre Entscheidungen zu berichten. (Hier erfahren Sie, wie Working out Loud bei Bosch funktioniert.)

Offenheit impliziert auch die Bereitschaft zu und einen offenen Umgang mit Fehlern. Getreu dem Google-Motto "fail fast, fail smart" muss allerdings darauf geachtet werden, dass Fehler frühzeitig auffallen, offen kommuniziert, klug behoben und nicht wiederholt dieselben Fehler gemacht werden. Zur Veränderung der Fehlerkultur arbeiten verschiedene Unternehmen mit Failure Awards, also Auszeichnungen für die "besten" Fehler. Das Hamburger Unternehmen EOS beispielsweise vergibt regelmäßig einen Wanderpokal für den "Fehler des Kwartals" (ganz bewusst falsch geschrieben). Andere Unternehmen veranstalten "Post-Mortem-Workshops" oder "Fuck-up-Nights".

Auch Exkursionen bzw. Learning Journeys – zu geborenen Digitalunternehmen (zum Beispiel im Silicon Valley), in die Start-up Szene (zum Beispiel in Berlin), in Coworking Spaces (wie sie mittlerweile in vielen Großstädten zu finden sind) oder zu traditionellen Unternehmen, die im Prozess der Digitalisierung bereits weit vorangeschritten sind (zum Beispiel Axel Springer) – können helfen, mehr Offenheit für neue Technologien und eine andere Art von Führung zu erzeugen.

Ansätze zur Stärkung der Partizipation

Auch für die Erhöhung des Partizipationsgrades in Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Ansätzen. Im Folgenden werden zunächst einige Methoden vorgestellt, die darauf ausgerichtet sind, Workshops offener zu gestalten und dadurch mehr Partizipation zu ermöglichen oder zuzulassen. Vorgestellt werden Veranstaltungsformate, die nicht darauf abzielen, Wissen und Informationen in einer genau vorgeplanten Agenda von wenigen, ausgesuchten Experten oder Vorgesetzten an die Zuhörer zu vermitteln, sondern die versuchen, die individuelle und kollektive Intelligenz der Veranstaltungsteilnehmer zu nutzen, um Ideen, Konzepte oder Prototypen zu entwickeln.

Sinnvollerweise werden die vorgestellten partizipativen Workshopmethoden nicht einmalig durchgeführt, sondern inhaltlich sinnvoll kombiniert, und wiederholend und regelmäßig zum Einsatz gebracht. Nur bei einer wiederkehrenden Nutzung dieser Formate können sich die Grundgedanken in die DNA des Unternehmens übertragen und für eine grundsätzlich offenere und partizipativere Kultur sorgen.

Partizipative Workshop-Methoden

Jam

Wenn viele Personen eingebunden werden sollen, die man nicht so einfach an einem Ort zusammenbringen kann, kann ein Jam ein hilfreicher Ansatz sein. Der Begriff Jam stammt ursprünglich aus der Musikwelt bzw. der Jazzszene. Ein Jam im Digitalumfeld bezeichnet die virtuelle Zusammenkunft von Menschen zu einem spezifischen Thema über Social Collaboration-Plattformen, mit dem Ziel, für ein konkretes Problem durch die Nutzung von kollektivem Wissen online Lösungsansätze zu generieren. Die Teilnahme erfolgt ausschließlich online und ist dadurch unabhängig von Ort, Tageszeit, Hierarchie und Größe der Zielgruppe. Jams gleichen einem Onlinebrainstorming oder virtuellem Workshop, an dem sich über 100.000 Teilnehmer beteiligen können. Sie dauern in der Regel 24 bis 72 Stunden.

Open Space

Die Einbindung vieler Personen kann aber natürlich auch mit Präsenzformaten erfolgen, zum Beispiel einem Open Space. Open Space ("offener Raum") beruht auf den Prinzipien der Selbstorganisation und Selbstbestimmung der teilnehmenden Personen und dem Grundsatz einer Abkehr von Kontrolle. Es gibt zwar ein Oberthema, aber keine vorgegebenen Detailthemen/-fragen. Jeder kann ein Anliegen, das ihm besonders am Herzen liegt, im Plenum vorstellen. So entsteht ein großer Themenmarktplatz, auf dem sich die Teilnehmer zu Themengruppen zusammenschließen. In diesen werden Ideen zusammengetragen und mögliche Projekte erarbeitet. Die Ergebnisse werden am Schluss gesammelt und vorgestellt. Ziel dieser partizipativen Workshopmethode ist es, in kurzer Zeit mit einer großen Zahl von Menschen zu einem umfassenden Gesamtthema wesentliche Teilthemen anzustoßen (bzw. ggf. auch schon zu bearbeiten) und eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen.

Bar Camp

Sollen Themen partizipativ (weiter-)entwickelt, präsentiert und vertieft werden, eignet sich möglicherweise ein Bar Camp. Bei diesem, auch als "Unkonferenz" bezeichneten Format, handelt es sich um eine offene Tagung mit offenen Workshops bzw. Sessions, deren Inhalte und Ablauf zu Beginn der Tagung durch die Teilnehmer selbst – auf Whiteboards, Metaplänen oder Pinnwänden – entwickelt und über einen Stundenplan (Sessionplan) koordiniert werden.

Hackathon

Sollen Teilaufgaben in einem agilen Umfeld abgearbeitet werden, bietet ein Hackathon eine Option. Der Begriff ist eine Kombination aus "Marathon" und "hacken". Im Gegensatz zu den vorher aufgeführten Ansätzen handelt es sich beim Hackathon um eine stark umsetzungsorientierte Arbeitssession. Ziel ist es, Ideen in kurzer Zeit umzusetzen (ähnlich zum Sprint im Scrum-Ansatz, d. h. Prototypen zu bauen bzw. zu programmieren oder Konzepte bzw. Beschlussvorlagen zu erstellen. Durch einen Hackathon kann man Themen innerhalb von 24 oder auch 48 Stunden sehr stark vorantreiben und beschleunigen.

Weitere Instrumente zur Stärkung der Partizipation

Daily Stand-up-Meeting

Eine einfache Methode zur Erhöhung von Offenheit und Partizipation ist ein Daily Stand-up-Meeting. Hierbei handelt es sich um ein tägliches Treffen in der Arbeitsgruppe, bei dem sich die Mitglieder kurz und im Stehen über ihren aktuellen Status austauschen, Abhängigkeiten feststellen und von den anderen Teilnehmern Hinweise/Ideen zum Lösen von Problemen bekommen. Es hat sich bewährt, dass jeder Teilnehmer ganz kurz auf folgende drei Punkte eingeht: Was habe ich seit dem letzten Meeting erledigt? Was werde ich bis zum nächsten Meeting tun? Was behindert mich in meiner Arbeit? Ein solches Daily-Stand-up-Meeting dauert i. d. R. ca. 15 Minuten und sollte möglichst immer zur gleichen Uhrzeit stattfinden, damit es für alle gut planbar ist.

Instant Feedback

Von sehr vielen Unternehmen eingesetzt werden Feedbackinstrumente. Dabei dominiert klassischerweise die (zwei-)jährliche, große Mitarbeiterbefragung. In einer VUCA-Umwelt ist eine Ergänzung um einfache, kontinuierliche Feedbackansätze (zum Beispiel Instant Feedback Apps) sinnvoll. Mitarbeiter und Führungskräfte sollten die Möglichkeit haben, über einen strukturierten Prozess jederzeit Feedback zu geben.

Social Forecasting

Ein etwas anderes, partizipatives Instrument ist das sogenannte "Social Forecasting". Ziel dieses Ansatzes ist es, verteiltes Wissen von Mitarbeitern und Experten zu aggregieren und in quantifizierbare Prognosen umzuwandeln, die dann dem Management für Geschäftsentscheidungen zur Verfügung stehen. Social Forecasting ist eine Kombination aus Crowdsourcing (Nutzung der kollektiven Intelligenz), Gamification-Elementen (als Anreiz für gute Prognosen) sowie einer virtuellen Prognosebörse (Teilnehmer setzen auf einer Handelsplattform eine Anzahl von Punkten auf einen bestimmten Ausgang der Fragestellung, ähnlich einer Wertpapierbörse). Unternehmen, die diese Methode erfolgreich einsetzen, berichten von besseren Prognosen, einer höheren Mitarbeitermotivation und auch niedrigeren Kosten gegenüber anderen Marktforschungsansätzen.

Ansätze zur Stärkung der Agilität

In einer immer dynamischeren Umwelt, die vor allem Schnelligkeit und Flexibilität verlangt, stoßen traditionelle, auf Perfektion und detaillierte Planung ausgerichtete Ansätze häufig an ihre Grenzen. Hier versprechen agile Managementansätze Abhilfe. Während traditionelle Ansätze auf detaillierte Analyse und (Vorab-)Planung ausgerichtet sind, zeichnen sich agile Managementansätze dadurch aus, dass sehr schnell gehandelt und aus den gemachten Erfahrungen gelernt werden soll. Traditionelle Formen der Strategiearbeit planen, bis sie genug wissen, um handeln zu können. Agile Formen der Strategiearbeit handeln zunächst, bis sie genug wissen, um planen zu können.

Die aktuell am häufigsten verwendeten agilen Managementansätze sind Scrum, Lean-Start-up und Design Thinking.


Prof. Dr. Thorsten Petry ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung im Studiengang Media Management an der Hochschule Rhein-Main. Als Berater, Coach, Referent und Trainer hilft er Unternehmen bei der Bewältigung der Managementherausforderungen des Digitalzeitalters.


Buchtipp:

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der 2. Auflage des Buchs "Digital Leadership. Erfolgreich Führen in Zeiten der Digital Economy", das von Professor Dr. Thorsten Petry herausgegeben wird. Darin stellen renommierte Experten aus Unternehmen, Beratung und Wissenschaft neue Managementansätze vor und sensibilisieren für Herausforderungen der Unternehmens- und Personalführung im Digitalzeitalter. Den Titel können Sie im Haufe-Shop erwerben.

Schlagworte zum Thema:  Leadership, Digitalisierung