Gewerblich-technische Ausbildungen werden unter Wert verkauft
Der Berufsbildungsbericht 2019 macht es deutlich: Unter den zehn Berufen mit einem hohen Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen finden sich in erster Linie gewerblich-technische Berufe. Warum entscheiden sich Jugendliche gegen diese Berufe und stattdessen für Ausbildungsgänge wie Mediengestalter oder Sport- und Fitnesskaufmann, bei denen die Ausbildungsplatznachfrage in den meisten Fällen erfolglos ist?
Dieser Frage ging die Studie "Azubi-Recruiting Trends 2019" von U-Form Testsysteme mit wissenschaftlicher Begleitung von Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz nach. Für die doppelperspektivische Untersuchung wurden 3.542 Schüler und Azubis sowie 1.634 Ausbildungsverantwortliche befragt im Zeitraum von von Januar bis März 2019.
Azubis fehlt das Interesse an gewerblich-technischen Berufen
Zwei Drittel der Befragten, die keine gewerbliche Ausbildung absolvieren, geben schlichtweg an, dass sie kein Interesse an diesen Berufen haben. Weitere 18 Prozent sind der Ansicht, dass diese Berufe "körperlich zu anstrengend" sind. 17 Prozent entschieden sich gegen eine solche Ausbildung wegen des "unattraktiven Arbeitsumfelds".
Ausbilder sehen Eltern und Arbeitsumfeld als Hemmnis an
Die befragten Ausbilder sehen die Probleme eher im unattraktiven Arbeitsumfeld (37 Prozent) und darin, dass technisches Interesse in der Schule und zu Hause nicht mehr gefördert wird (34 Prozent). Auch die Eltern spielen aus Sicht der Ausbildungsverantwortlichen eine wichtige Rolle. So glauben 34 Prozent der befragten Ausbilder, dass die Eltern den Jugendlichen empfehlen, eine Ausbildung in einem anderen Bereich zu machen.
Es gibt auch Jugendliche, die die guten Zukunftsperspektiven schätzen
Bei den Jugendlichen, die sich für eine gewerbliche Ausbildung entschieden haben, ist das "technische Interesse" mit fast 80 Prozent der am häufigsten genannte Beweggrund für die Berufswahl. Für rund 58 Prozent waren die guten Zukunftsperspektiven ein Grund, sich für eine gewerbliche Ausbildung zu entscheiden.
Die Bezahlung erscheint vielen als schlecht – zu Unrecht
Ein Blick in die Freitextfelder-Einträge der Jugendlichen zeigt einen weiteren spannenden Aspekt: Hier ist ein oft genannter Grund die "schlechte Bezahlung". Das überrascht, weil die Ausbildungsvergütungen in den Metall- und Elektro-Berufen eher überdurchschnittlich sind. So lag die durchschnittliche Ausbildungsvergütung bei Mechatronikern im Jahr 2018 bei 1.003 Euro. Im Vergleich dazu belief sich die durchschnittliche Ausbildungsvergütung für Kaufleute für Büromanagement auf 840 Euro.
Handlungsempfehlungen für mehr Ausbildungsattraktivität
Die Studien gibt auch Handlungsempfehlungen an Unternehmen und Schulen, um für mehr Interesse an gewerblich-technischen Ausbildungen zu sorgen:
- Interesse wecken: Um gewerbliche Ausbildungsberufe attraktiver für die Jugendlichen zu machen, müssen Schulen und Unternehmen das Interesse an technischen Zusammenhängen wecken, zum Beispiel durch Fächer wie "Technik" oder Praxisprojekte. In ihrem Alltag haben viele Jugendliche keinen Bezug mehr zu diesen Themen. Da wird nicht mehr mit Papa am Auto geschraubt oder am eigenen Mofa.
- Berufe vorstellen: Viele gewerblich-technische Berufsbilder sind schlichtweg unbekannt und müssen bei den Jugendlichen bekannt gemacht werden. Auch bei den Berufsbeschreibungen in Stellenanzeigen für Azubis und auf Karriereseiten herrscht großer Nachholbedarf. Die wenigsten Stellenanzeigen beschreiben die gewerblichen Berufe so spannend, dass Jugendliche daran Gefallen finden.
- Perspektiven aufzeigen: Wichtig ist, dass die Arbeitgeber die Zukunftsperspektiven dieser Berufe aufzeigen und deutlich machen, dass ausgebildete Fachleute auch in zehn oder 20 Jahren noch gefragte Leute sein werden. Wer möchte schon einen Beruf erlernen, bei dem er Angst haben muss, dass er in den nächsten Jahren durch Kollege Roboter ersetzt wird?
- Transparente Vergütung: Mehr Transparenz muss es auch bei der Ausbildungsvergütung und den Gehaltsperspektiven geben. Ein Blick in die Jobbörse der Arbeitsagentur zeigt, dass nach wie vor sehr wenige Unternehmen die Ausbildungsvergütung angeben. Wer nicht offen über Geld spricht, braucht sich nicht zu wundern, dass bei den Jugendlichen schnell ein falsches Bild entsteht.
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