Mitarbeitergespräche steigern Arbeitszufriedenheit

Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen stehen seit einigen Jahren verstärkt in der Kritik. Leistungsbeurteilungen sind zwar nicht beliebt, schaffen bei Mitarbeitern aber eine höhere Arbeitszufriedenheit. Dirk Sliwka, Professor an der Universität zu Köln, erklärt, warum das so ist.

Haufe Online Redaktion: Im Forschungungsprojekt Linked Personnel Panel (LPP) suchen Sie nach dem Zusammenhang von wirtschaftlichem Erfolg und professioneller Personalarbeit. Gibt es diesen?

Dirk Sliwka: Es gibt eine wachsende Zahl von Studien, die aufzeigen, dass bestimmte Instrumente den wirtschaftlichen Erfolg signifikant beeinflussen. In den vergangenen Jahren gab es hier deutliche Fortschritte in der Forschung. Es kommt allerdings immer auf die genaue Fragestellung an, etwa wie variable Vergütungssysteme gestaltet werden müssen, dass sie für Teams oder Einzelne einen Anreiz darstellen. Ein gut designtes und professionelles Personalmanagement kann also den wirtschaftlichen Erfolg beeinflussen.

Haufe Online Redaktion: Ihre Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter, mit denen ein strukturiertes Mitarbeitergespräch geführt wird, eine höhere Arbeitszufriedenheit haben. Was ist Ihre Erklärung?

Sliwka: Das ist erst einmal ein Korrelationsbefund. In Betrieben, in denen regelmäßig Mitarbeitergespräche geführt werden, ist die Arbeitszufriedenheit signifikant höher. Es spricht  vieles dafür, dass hinter dem Befund ein Kausaleffekt steckt. Meine Erklärung ist, dass  Vorgesetzte im Alltag häufig Feedback vermeiden oder einfach vergessen und durch eine Struktur gezwungen sind, sich für Mitarbeiter Zeit zu nehmen, und damit Dinge auf den Tisch kommen, die im Alltag untergehen. Übrigens ist auch die Gesprächsdauer ein signifikanter Prädiktor für die empfundene Qualität der Arbeit.

Haufe Online Redaktion: Kritiker des Mitarbeitergesprächs wenden ein, entscheidend sei der Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Das Mitarbeitergespräch sei bürokratisch und hinderlich.

Sliwka: Dialog und Mitarbeitergespräch kann man natürlich nicht sauber trennen. Bei der Kritik am klassischen Mitarbeitergespräch sehe ich zwei Richtungen. Die eine Richtung ist,  formalisierte Instrumente abzuschaffen und den Führungskräften zu sagen, sie sollen stattdessen intensiver mit ihren Mitarbeitern im Alltag reden. Sich alleine auf die Empfehlung zu verlassen, halte ich aber für gefährlich, weil die einzelne Führungskraft dann wieder allein darüber entscheidet, ob Dinge wie die persönliche Entwicklung ein Thema werden. Gerade die Vorgesetzten, die Feedbackgesprächen lieber aus dem Weg gehen, können es dann wieder leichter vermeiden. Die andere Richtung der Diskussion ist es, die Frequenz der Gespräche und Beurteilungen zu erhöhen und dies auch durch systematische Instrumente – beispielsweise die Erfassung von unterjährigem Feedback in IT-Systemen – zu fördern. Dies scheinen mir dagegen sehr sinnvolle Überlegungen zu sein.

Haufe Online Redaktion: Die engagierten Mitarbeiter haben für den Erfolg der Betriebe eine besondere Bedeutung. Bewerten Sie auch diese Mitarbeitergespräche positiv?

Sliwka: Ja. Wertschätzung wirkt sich positiv auf die Arbeitsleistung aus. Viele Experimente zeigen, dass viele Menschen eher bereit sind, eine Arbeitsleistung abzuliefern, die über das Normale hinausgeht, wenn sie großzügig behandelt werden. Man muss allerdings beachten, dass Menschen unterschiedlich sind. Es gibt auch eher egoistisch veranlagte, bei denen Sanktionsmechanismen und materielle Belohnung Leistung steigern. Auch hier sind Mitarbeitergespräche wichtig, um diese Regeln klarzumachen.


Download-Tipp: Vom Mitarbeitergespräch zum Entwicklungsdialog

Mitarbeitergespräche können das Performance Management von Unternehmen auf ein neues Level heben: Als Format bieten sie Personalentwicklern und -entwicklerinnen sowie Führungskräften die Möglichkeit, die Belegschaft gezielt in ihren Stärken weiterzuentwickeln. Wie Mitarbeitergespräche als strategische Performance Tools für HR funktionieren, erfahren Sie in diesem kostenlosen Whitepaper.


Haufe Online Redaktion: Leistungsbeurteilungen sind nicht beliebt. Ihre Forschung zeigt aber, dass sie zu mehr Arbeitszufriedenheit führen. Wie erklären Sie sich das?

Sliwka: Der Befund in den Daten des LPP scheint in der Tat robust. Das zeigen auch Längsschnittuntersuchungen meines Kollegen Patrick Kampkötter: Führt ein Unternehmen Leistungsbeurteilungen ein, so steigt die Arbeitszufriedenheit. Wahrscheinlich es es hier wieder so: Leistungsbeurteilungen zwingen Führungskräfte dazu, sich detailliert mit ihren Mitarbeitern zu beschäftigen.

Haufe Online Redaktion: Das für mich überraschendste Ergebnis ist, dass Verteilungsvorgaben bei der Leistungsbeurteilung zu höherer Arbeitszufriedenheit führen.

Sliwka: Das hat mich auch überrascht, weil man gemeinhin denkt, dass Verteilungsvorgaben von Mitarbeitern negativ bewertet werden. Meine Interpretation dieses Befundes ist, dass Verteilungsvorgaben die Leute nicht glücklicher, aber die Konsequenzen von  Leistungsbeurteilungen fairer machen. Die Mitarbeiter empfinden das als ein Zeichen, dass die Betriebe solche schwierigen Prozesse professionell managen. Ansonsten ist jeder  Führungskraft überlassen, die Leistungsbeurteilung nach eigenen Überlegungen zu handhaben. Die eine Führungskraft differenziert stark, die andere gar nicht. Es gibt damit im selben Betrieb ganz unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe und das erzeugt Unzufriedenheit.

Haufe Online Redaktion: Nach Ihren Untersuchungen nehmen bei größeren Betrieben die Verteilungsvorgaben zu. Ist das ein Trend?

Sliwka: Das ist vermutlich eine zyklische Bewegung. Wenn Sie Vorgaben abschaffen, führt das zu einer Zunahme der großzügigen Beurteilungen, weil das für die Führungskräfte leichter ist. Die Folge sind höhere Kosten für Bonuszahlungen und ein Verlust der Aussagekraft von Beurteilungen. Die Betriebe merken das und fangen wieder an, Verteilungsempfehlungen einzuführen.

Haufe Online Redaktion: Machen Verteilungsvorgaben aus Ihrer Sicht Sinn?

Sliwka: Wenn man die Leistung von Mitarbeitern nur subjektiv messen kann, dann ja. Denn man muss am Ende den Beurteilten eine Idee an die Hand geben, was es bedeutet, eine Eins zu  bekommen, beispielsweise zu den 20 Prozent Besten zu gehören - denn sonst hat man wieder unterschiedliche Maßstäbe im selben Unternehmen. Verteilungsvorgaben wird es auch in 20 Jahren noch geben. Wenn sie Leistung objektiver messen können, brauchen sie diese nicht. Erzwungene Differenzierungen sind machmal ein schmerzhafter Prozess.

Haufe Online Redaktion: Eine Führungskraft hat eine Spanne zwischen sieben und 14 Mitarbeitern. Haben Sie als Statistiker eine Empfehlung, ab welcher Gruppengröße eine Verteilungsvorgabe sinnvoll ist?

Sliwka: Bei sieben Mitarbeitern macht eine Verteilungsvorgabe keinen Sinn, die Gruppengröße sollte schon bei eher 50 Mitarbeitern liegen. Bei dieser Gruppengröße ist es eher unwahrscheinlich, dass ich jemandem Unrecht tun muss, wenn ich die Vorgabe manage. Für strenge Verteilungsvorgaben brauchen Sie daher in der Regel Beurteilungskonferenzen, in denen sich mehrere Führungskräfte miteinander abstimmen.

Haufe Online Redaktion: Zielvereinbarungen führen zu einem höheren Commitment. Ist das ein kausaler Zusammenhang?

Sliwka: In unseren LPP-Daten haben wir eine klare Korrelation. Doch andere Forschung zeigt, dass die Einführung von Zielvereinbarungen ein kausaler Treiber für den wirtschaftlichen Erfolg ist.

Haufe Online Redaktion: Kritiker nennen Zielvereinbarungen ein Relikt aus alten Zeiten, die Anforderungen an Agilität nicht standhalten. Was antworten Sie?

Sliwka: Manchmal sind Zielvereinbarungen sehr formelhaft gestaltet und verknüpfen eine Zielerreichung direkt mit einer Bonuszahlung. Ein solches Vorgehen mag im Vertrieb funktionieren, kann aber in anderen Bereichen problematisch sein, denn man verliert Flexibilität. Ich interpretiere die Befunde wie schon oben: Das Instrument zwingt Führungskräfte dazu, ihre Erwartungen klar zu spezifizieren und mit ihren Mitarbeitern einen Dialog zu führen.

Haufe Online Redaktion: Kündigungsgrund Nummer eins ist das Verhalten der Vorgesetzten, das haben Ihre Untersuchungen bestätigt. Wie können Betriebe hier vorbeugen?

Sliwka: HR hat das Instrument der Mitarbeiterbefragung, um herauszufinden, in welchen Bereichen es Führungsprobleme gibt. Wichtig dabei ist, dass diese systematisch und kontinuierlich durchgeführt werden. Wenn Mitarbeiterbefragungen in schwierigen Jahren ausgesetzt werden, weil man schlechte Ergebnisse erwartet, schafft das kein Vertrauen in das Instrument.

Haufe Online Redaktion: Häufig werden ja die Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen angezweifelt und gesagt, die Beschäftigten geben sowieso nur das an, was sozial erwünscht ist.

Sliwka: Die Befragungsergebnisse sind gute Prädiktatoren für tatsächliches Verhalten – das zeigen die LPP-Daten. Mitarbeiter, die 2012 in der Beschäftigtenbefragung ein hohes Commitment hatten, haben den Betrieb bis 2014 seltener verlassen als solche mit niedrigem Commitment. Obwohl es Effekte wie soziale Erwünschtheit gibt, liefern Mitarbeiterbefragungen also wichtige Frühindikatoren für Verhalten, die allerdings in vielen Unternehmen bisher noch zu wenig genutzt werden.


Mehr zu den Studienergebnisse lesen Sie in unserem Beitrag "Empirie statt Meinung: Mitarbeitergespräche steigern die Zufriedenheit" sowie in Personalmagazin Ausgabe 3/2016.


Das könnte Sie auch interessieren:

Zeit in Feedbackgespräche zu investieren, zahlt sich aus

Checkliste Mitarbeitergespräch: Das sollten Sie bei der Vorbereitung beachten

Überzeugend argumentieren: Fünf Tipps für Führungskräfte