Talent Acquisition: Definition, Strategie, Aufgaben
Im aktuellen "War for Talents" haben bereits über 70 Prozent der Arbeitgeber Schwierigkeiten, passende Kandidatinnen und Kandidaten für offene Stellen zu finden. Das zeigt eine Umfrage von Willis Towers Watson im August 2021. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen bringt der demografische Wandel immer weniger junge Talente auf den Markt. Zum anderen steigen die Anforderungen der High Potentials an ihren zukünftigen Arbeitgeber. Die Lösung liegt in der Art und Weise, wie Unternehmen Personal "beschaffen". Statt reinem Recruiting sollten Verantwortliche auf "Talent Acquisition" setzen – ein Prozess, der das Talent, den Menschen, in den Mittelpunkt rückt.
Was ist Talent Acquisition: Definition
Talent Acquisition beschreibt eine langfristig ausgelegte Strategie, um neue Talente für ein Unternehmen zu gewinnen, zu halten und zu entwickeln. Während es beim Recruiting, zu Deutsch "Personalbeschaffung", darum geht, vakante Stellen mit kompetenten Mitarbeitenden zu besetzen, reicht Talent Acquisition darüber hinaus: Talent Acquisition hat die langfristige Personalbedarfsplanung im Blick.
Der Talent-Acquisition-Prozess beginnt beim ersten Touchpoint, den ein Talent mit einem Arbeitgeber hat, beispielsweise während der Studienzeit auf einer Karrieremesse oder beim Durchforsten der Karriere-Website ("Awareness"). Hier zahlt sich gutes Employer Branding aus, damit der potenzielle Kandidat oder die Kandidatin bereits einen positiven Eindruck des Unternehmens hat. Ist das Interesse des Talents geweckt ("Consideration/Interest"), bewirbt er oder sie sich beim Unternehmen ("Application"). Treffen Bewerbende hier auf ein user-freundliches Bewerberportal, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Bewerbung auch absenden.
Ist dies geschehen, kommt es im Anschluss zum Auswahlprozess seitens HR und/oder der Fachabteilung ("Evaluate/Selection"). Auch hier haben Personalverantwortliche die Möglichkeit, Talente schon früh im Talent-Acquisition-Prozess an das Unternehmen zu binden, indem sie regelmäßig und transparent mit den Bewerbenden kommunizieren. Kommt es zur Vertragsunterzeichnung ("Hire"), läuft der Talent-Acquisition-Prozess weiter und schließt neben den ersten Eindrücken vor dem ersten Arbeitstag auch die ersten Wochen im Unternehmen mit ein ("Onboarding").
Warum Talent Acquisition wichtig ist
Von einer erfolgreichen Talent-Acquisition-Strategie profitieren Unternehmen langfristig: Zum einen bauen Talente schon früh eine enge Bindung zum Unternehmen auf und sind durch die positiven Erfahrungen, die sie während des gesamten Prozesses sammeln, stärker motiviert. Zum anderen sind auch die Talente, die es nicht ins Beschäftigungsverhältnis schaffen, ans Unternehmen gebunden, wenn sie beispielsweise in einen Talent Pool aufgenommen werden. Das hat den Vorteil, dass HR-Verantwortliche auf eines der zahlreichen Talente aus dem Talent Pool zugehen und im Idealfall eine offene Position schneller besetzen können.
Die richtige Talent-Acquisition-Strategie aufsetzen
Damit eine Talent-Acquisition-Strategie funktioniert, braucht es die richtigen Ziele. Diese lassen sich in "Hard Goals" und "Soft Goals" unterteilen:
"Hard Goals" der Talent-Acquisition-Strategie
Eine Talent-Acquisition-Strategie muss auch die klassischen KPIs der Personalbeschaffung berücksichtigen. Dazu zählen neben einer kurzen Time-to-Hire mit reduzierter Cost-per-Hire niedrige Absprungraten der Bewerbenden. Die Anzahl der Bewerbungen spielt ebenso eine entscheidende Rolle. Nicht zu vernachlässigen sind zudem interne und externe Talente, die über einen intelligent angelegten Talent Pool gefunden werden können. Je größer und diverser der Bewerberpool, desto höher die Wahrscheinlichkeit, die passenden Talente für das Unternehmen zu finden, zu halten und langfristig weiterzuentwickeln
"Soft Goals" der Talent-Acquisition-Strategie
Neben den harten Zielen spielen weiche Ziele eine immer wichtigere Rolle. So sollten sich Unternehmen beispielsweise die Frage nach der eigenen Identität und Philosophie stellen. Welche Kandidaten sollen angesprochen werden? Was sind die "Employer Value Propositions" (EVPs) des Unternehmens? Talente von morgen wollen sich sowohl mit den Werten als auch mit der Kultur ihres potenziellen Arbeitgebers identifizieren können. Die Personalmarketing muss konsistent durch alle Kanäle kommuniziert werden. Das schließt neben den reinen Marketingmaßnahmen wie Job-Ads auf Linkedin, Stepstone und Co. auch die direkte Kommunikation mit den potenziellen Arbeitnehmenden mit ein: Wie gestaltet sich das Video-Interview? Wie ist die Absage formuliert? Wie verläuft die Kommunikation im Talent Pool?
Die zentralen Aufgaben in der Talent Acquisition
Neben dem Aufsetzen einer übergeordneten Strategie kümmern sich Talent Acquisition Manager um die folgenden Aufgaben:
1. Weiterentwicklung der Candidate Journey
Wichtiger Baustein im Talent-Acquisition-Prozess ist die Candidate Journey. Sie umfasst all jene Erfahrungen, die Talente vor Beginn ihres neuen Beschäftigungsverhältnisses sammeln. Je reibungsloser diese Zeit verläuft, desto besser der Eindruck beim Talent.
Ein Beispiel: Eine kurz vor dem Abschluss stehende Studentin lernt auf der Karrieremesse ihrer Hochschule ein Unternehmen kennen. Die Recruiterin vor Ort kann die junge Frau von der Attraktivität des Unternehmens überzeugen und ermutigt sie, sich zu bewerben. Die Studentin ist motiviert und möchte sich einige Wochen später auf eine offene Stelle bewerben. Leider ist der Bewerbungsprozess umständlich: Obwohl die Studentin bereits ihren Lebenslauf im System hinterlegt hat, muss sie einzelne Stationen händisch nachtragen. Das kostet Zeit – und Nerven. Die Studentin bricht ihre Bewerbung ab.
Je leichter der Bewerbungsprozess gestaltet ist, desto wahrscheinlicher schicken Kandidaten ihre Bewerbungen auch ab. Wichtige Aufgabe der Talent Acquisition ist also, die Candidate Journey von A bis Z zu optimieren.
2. Aufbau und Pflege eines zentralen Talent Pools
Weiterer wichtiger Baustein im Talent-Acquisition-Prozess ist der Talent Pool. Attraktiven Kandidaten abzusagen, ist nicht einfach. Werden sie jedoch in einem zentralen Talent Pool aufgefangen, profitieren sowohl Kandidaten als auch Unternehmen davon. Erstere fühlen sich wertgeschätzt und gesehen. Zweitere können zu einem späteren Zeitpunkt für eine andere, offene Stelle auf potenzielle Interessenten zugreifen, ohne aktiv am Markt zu suchen.
Ein Beispiel: Eine kompetente Fachkraft bewirbt sich auf eine offene Stelle, bittet aber um einen Teilzeitvertrag. Leider erfordert die zu besetzende Stelle eine Vollzeitkraft. Dem Bewerber schlägt die verantwortliche Personalerin vor, ihn in den Talent Pool aufzunehmen. Der Bewerber stimmt zu. Einige Monate später sucht das Unternehmen eine Elternzeitvertretung in Teilzeit – und geht erneut auf den Bewerber von damals zu. Mit seinen Qualifikationen passt er hervorragend auf die Stelle – und sagt schließlich zu.
Neben dem Aufbau eines Talent Pools muss dieser auch gepflegt werden. Zwar bedeutet das für Verantwortliche ein zusätzliches Maß an Arbeit, da sie kontinuierlich mit den Talenten aus dem Pool kommunizieren, um die Bindung aufrecht zu erhalten. Doch die Arbeit zahlt sich aus, wenn HR-Verantwortliche dank Talent Pool schneller geeignete Kandidaten für offene Stellen finden. (Lesen Sie mehr dazu in unserem Beitrag "Wie Sie einen Talent Pool aufbauen").
Talent Acquisition: wichtige Trends im Überblick
Big Data: Immer wichtiger werden Daten, die Talent Acquisition Managern Auskunft über die Effektivität ihrer Maßnahmen geben. Doch nicht alle Kennzahlen sind für den Talent-Acquisition-Prozess relevant. Vielmehr lohnt sich eine zielgerichtete Auswertung der entscheidenden KPIs, um die Talent Acquisition Aktivitäten zu analysieren – und langfristig nachzuhalten. Dazu zählen beispielsweise die folgenden KPIs:
- Time to Action
- Cost-per-Hire
- Time-to-Hire
- Offer-Acceptance-Rate
- Matching
Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion: Immer mehr Kandidaten und Kandidatinnen, besonders aus den jüngeren Generationen, fragen Unternehmen aktiv nach deren DEI-Politik und Initiativen ("Diversity, Equity and Inclusion") – und lehnen im Extremfall Jobangebote ab, wenn Unternehmen nicht für genügend Diversität am Arbeitsplatz sorgen. Mehr Diversität im Unternehmen wirkt sich nicht nur positiv auf die Arbeitgebermarke aus: Wie die Unternehmensberatung McKinsey 2020 aufzeigte, sind geschlechtlich und ethnisch diverse Teams nicht nur produktiver, sondern auch innovativer.
Upskilling und Reskilling: Talent Acquisition beschränkt sich längst nicht mehr auf das Einstellen von externen Talenten. Die steigenden Anforderungen an die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden in Kombination mit dem Fachkräftemangel richten den Blick vieler Personalerinnen und Personaler nach innen, auf ihre bereits bestehende Belegschaft. Nicht immer müssen offene Stellen mit extern ausgebildeten High Potentials besetzt werden. Oft schlummert das Potenzial bereits in den Mitarbeitenden selbst und muss nur geweckt werden. Up- oder auch Reskilling-Maßnahmen sind hier gefragt.
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