Keine doppelten Urlaubsansprüche bei Arbeitgeberwechsel

Ein Arbeitnehmer hat nach den Regelungen des BUrlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub. Aus einem Arbeitsplatzwechsel im laufenden Kalenderjahr darf für den Arbeitnehmer dabei keine Vermehrung oder gar Verdoppelung seiner Urlaubsansprüche entstehen.

Wechselt ein Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr das Arbeitsverhältnis, so stellt sich regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang ihm bei seinem neuen Arbeitgeber ein Anspruch auf Urlaubsgewährung zusteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer von seinem bisherigen Arbeitgeber schon seinen dortigen gesamten Jahresurlaub erhalten hat.

Pro Kalenderjahr nur einmal Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub

Nach § 6 Abs. 1 BUrlG besteht ein Anspruch auf Urlaub nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Bei aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen wird damit der Anspruch im neuen Arbeitsverhältnis ganz oder teilweise ausgeschlossen, wenn

  • Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bereits im früheren Arbeitsverhältnis erfüllt worden sind und
  • auch im neuen Arbeitsverhältnis kein Anspruch auf eine höhere Anzahl von Urlaubstagen als im früheren Arbeitsverhältnis entsteht.

Arbeitgeberwechsel im laufenden Kalenderjahr

§ 6 Abs. 1 BUrlG findet nur Anwendung bei einem Wechsel des Arbeitgebers im laufenden Kalenderjahr. Wechselt ein Arbeitnehmer zum 1. Januar, findet die Vorschrift keine Anwendung. Die jeweiligen Arbeitsverhältnisse müssen sich auch nicht aneinander anschließen. Der Arbeitnehmer kann vielmehr zwischenzeitlich auch arbeitslos gewesen sein.

Nur tatsächlich gewährter oder abgegoltener Urlaub kann angerechnet werden

Eine Anrechnung im neuen Arbeitsverhältnis kommt grundsätzlich nur im Hinblick auf tatsächlich gewährte oder abgegoltene Urlaubstage in Betracht. Es genügt nicht, dass dem Arbeitnehmer gegen seinen früheren Arbeitgeber nur ein Anspruch auf Urlaub zustand.

Anrechnungsmöglichkeit gilt auch für übergesetzlichen Urlaub

Die Anrechnungsmöglichkeit besteht dabei regelmäßig grundsätzlich nicht nur im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern im Ergebnis auch für weitergehende arbeits- oder tarifvertragliche Urlaubsansprüche. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die (Arbeits-)Vertragsparteien nichts Abweichendes für die Handhabung des übergesetzlichen Urlaubs geregelt haben.

Früherer Arbeitgeber muss Urlaubsbescheinigung erteilen

Kenntnis über den im früheren Arbeitsverhältnis bereits gewährten Urlaub kann der neue Arbeitgeber über die nach § 6 Abs. 2 BUrlG zu erteilende Urlaubsbescheinigung erhalten. So ist der frühere Arbeitgeber nach dieser Vorschrift verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen.

Arbeitnehmer trägt Darlegungs- und Beweislast für fehlende Urlaubsgewährung

Dem Arbeitnehmer obliegt es als Gläubiger des Urlaubsanspruchs, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung bereits gewährten Urlaubs vorsieht, nicht vorliegen - sog. „negative Anspruchsvoraussetzung“. Dabei gelten die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast (BAG v. 16.12.2014, 9 AZR 295/13).

Entsprechend hat der Arbeitnehmer, so das BAG, zunächst vorzutragen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung von Urlaubsansprüchen vorsieht, nicht vorliegen. Bestreitet der Arbeitgeber den Vortrag des Arbeitsnehmers – ggf. mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) -, hat der Arbeitnehmer seine Darlegungen zu substanziieren. Stellt der Arbeitgeber den Vortrag des Arbeitnehmers in Abrede, hat der Arbeitnehmer für seine Angaben Beweis anzubieten. Neben anderen Beweismitteln kommt hierbei insbesondere die Urlaubsbescheinigung gemäß § 6 Abs. 2 BUrlG in Betracht. Legt der Arbeitnehmer eine solche vor, obliegt es dem Arbeitgeber, den besonderen Beweiswert dieser Bescheinigung durch konkreten Sachvortrag zu erschüttern.

Urlaubsanrechnung nur bei überschneidenden Ansprüchen

Eine Anrechnung bereits im früheren Arbeitsverhältnis gewährter oder abgegoltener Urlaubsansprüche setzt letztlich eine Überschneidung der Urlaubsansprüche aus dem früheren Arbeitsverhältnis mit denen aus dem neuen Arbeitsverhältnis voraus. Kein solcher Fall der Überschneidung liegt etwa vor, wenn der Arbeitnehmer sowohl im früheren als auch in dem sich anschließenden Arbeitsverhältnis jeweils nur einen Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 BUrlG erworben hat.

Abakus

Konkrete Ermittlung des anzurechnenden Urlaubs

Bestand in dem früheren wie auch dem nachfolgenden Arbeitsverhältnis auf das Kalenderjahr bezogen identische Urlaubsansprüche, so ist der im früheren Arbeitsverhältnis gewährte Urlaub auf den Urlaub im nachfolgenden Arbeitsverhältnis anzurechnen.

Beispiel:  Ein Arbeitnehmer scheidet mit dem 31. Juli eines Jahres aus und tritt unmittelbar zum 1. August eine neue Stelle an. Sowohl im früheren als auch nachfolgenden Arbeitsverhältnis hat er einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen pro Kalenderjahr. – Hat der frühere Arbeitgeber bereits 30 Tage Urlaub gewährt, besteht gegenüber dem neuen Arbeitgeber kein Urlaubsanspruch mehr. Bei bereits gewährten 25 Urlaubstagen schuldet der neue Arbeitgeber nur noch 5 Urlaubstage.

Häufig auftauchender Problemfall:

In der Praxis führen demgegenüber vielfach die Fälle zu Problemen bei der Berechnung des noch offenen Urlaubsanspruchs, in denen im früheren und im nachfolgenden Arbeitsverhältnis gerechnet auf das Kalenderjahr unterschiedliche Urlaubstage gewährt werden. Letztlich muss hier immer ermittelt werden, ob und inwieweit der Arbeitnehmer im Überschneidungszeitraum

  • gemessen an dem Umfang des Urlaubsanspruchs gegenüber seinem neuen Arbeitgeber
  • von seinem früheren Arbeitgeber schon seinen ihm zustehenden Urlaub erhalten hat.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer scheidet wiederum mit dem 31. Juli bei seinem früheren Arbeitgeber aus. Über den ihm zustehenden vollen Jahresurlaub von 24 Tagen erfolgt eine volle Abgeltung. Bei seinem neuen Arbeitgeber (Eintritt 1. August) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Tagen. – Für den Überschneidungszeitraum August bis Dezember hat der Arbeitnehmer von seinem früheren Arbeitgeber somit 10 Tage „zuviel“ erhalten (5/12 von 24 Tagen). Diese Urlaubstage sind auf den gegenüber dem neuen Arbeitgeber bestehenden anteiligen Urlaubsanspruch (5/12 von 30 Tagen, aufgerundet auf 13 Tage) abzuziehen, so dass ein offener Urlaubsanspruch von lediglich 3 Tagen verbleibt.

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