Kündigung gegenüber einem minderjährigen Auszubildenden
Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt mit einer Probezeit. Während dieser Zeit kann es gemäß § 22 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sowohl vom Auszubildenden als auch vom Ausbildenden jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.
- Eine solche Kündigung muss jedoch noch während der Probezeit zugehen.
- Ist der Auszubildende minderjährig und damit nach § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig, wird die Kündigung nach § 131 Abs. 2 BGB erst dann wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht.
Ist eine Kündigungserklärung mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und gelangt sie - etwa durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in seinen Hausbriefkasten - tatsächlich in dessen Herrschaftsbereich, ist der Zugang bewirkt.
Kündigung durch Bevollmächtigten
Eine Kündigung, die ein Bevollmächtigter erklärt, von dessen Bevollmächtigung der Gekündigte nicht zuvor durch den Vollmachtgeber in Kenntnis gesetzt wurde, ist gemäß § 174 BGB unwirksam, wenn der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist und der Gekündigte die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.
Ausbildende erklärte mit Schreiben vom letzten Tag der Probezeit die Kündigung
Der am 15. April 1991 geborene Kläger schloss - vertreten durch seine Eltern - mit der Beklagten einen Vertrag über eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik für die Zeit ab 1. August 2008.
- Der Ausbildungsvertrag enthielt eine dreimonatige Probezeit.
- Der Ausbildende erklärte mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung.
- Das Schreiben war gerichtet an den Auszubildenden, gesetzlich vertreten durch die Eltern,
- und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Auszubildenden und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen.
Mama, ich bin gekündigt - schönen Urlaub noch
Dort fand es der Auszubildende zwei Tage später und verständigte seine Mutter telefonisch von der Kündigung, die vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4. November 2008 tatsächlich Kenntnis erhielt.
Mit einem Schreiben seiner Anwältin, das beim Ausbildenden am 13. November 2008 einging, wiesen die Eltern die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurück, weil der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt war.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.
Entscheidung des BAG
Zugang mit Einwurf in Hausbriefkasten
Auch vor dem BAG hatte der ehemalige Auszubildende keinen Erfolg. Die Kündigung wurde gegenüber den Eltern des Jugendlichen als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt.
- Mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie war der Zugang der Kündigung bewirkt.
- Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem nicht entgegen.
Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten.
Auf fehlenden Vollmacht unverzüglich berufen
Die Kündigung scheiterte auch nicht an der fehlenden Vollmachtsurkunde. Dafür kam das Argument zu spät. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 174 Satz 1 BGB.
(BAG, Urteil v. 8.12.2011, 6 AZR 354/10).
Hintergrund: Kündigung eines Ausbildungsvertrags
Ob und unter welchen Voraussetzungen das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf der Ausbildungszeit beendet werden kann, richtet sich maßgeblich danach, ob sich das Berufsausbildungsverhältnis noch in der Probezeit befindet und welche Partei das Ausbildungsverhältnis aus welchem Grund beenden will.
Für alle Kündigungen gilt, dass sie zu ihrer Wirksamkeit schriftlich und bei Kündigungen nach Ablauf der Probezeit zudem unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen müssen.
Der minderjährige Auszubildende kann weder selbst kündigen noch kann ihm gekündigt werden. Die Kündigung ist vielmehr durch bzw. gegenüber seinem gesetzlichen Vertreter zu erklären.
Das Berufsausbildungsverhältnis kann während der Probezeit von beiden Vertragsparteien jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist und ohne Angaben von Kündigungsgründen gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 BBiG).
Nach Ablauf der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von dem Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen gekündigt werden, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (sog. „Berufsaufgabekündigung“) (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).
Kündigung aus wichtigem Grund
Im Übrigen kann das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur noch aus wichtigem Grund, d. h. außerordentlich, gekündigt werden, und zwar grundsätzlich ohne Einhalten einer Kündigungsfrist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).
Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist darauf abzustellen, ob Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann.
Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist die besondere Situation des Berufsausbildungsverhältnisses zu berücksichtigen, d. h. insbesondere die Jugendlichkeit und der Entwicklungsstand des Auszubildenden sowie die Ausbildungs- und Erziehungspflicht des Ausbildenden.
Regelmäßig reichen einmalige Verfehlungen nicht für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus. Es muss sich vielmehr um wiederholte Pflichtverletzungen handeln, die den Fortbestand des Berufsausbildungsverhältnisses unzumutbar erscheinen lassen.
Als außerordentliche Kündigungsgründe kommen grundsätzlich sowohl verhaltens- und personenbedingte als auch ausnahmsweise betriebsbedingte Gründe in Betracht. Bei Ausspruch einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung ist diese regelmäßig mit einer soziale Auslauffrist auszusprechen.
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