LAG zur Wirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle per Videokonferenz
Dem vom LAG entschiedenen Verfahren lag der Schiedsspruch einer innerbetrieblichen Schlichtungsstelle (Einigungsstelle) zu Grunde, der im Rahmen einer coronabedingt durchgeführten Videokonferenz unter Zuhilfenahme des Konferenzdienstes Cisco Webex zustande kam.
Streit um die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs der Einigungsstelle
Die an dem Rechtsstreit beteiligten Parteien stritten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs betreffend die Dienstplanung im Innendienst. Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen für Geld- und Werttransporte und beschäftigt bundesweit ca. 4.500 Arbeitnehmer. Sie ist tarifgebundenes Mitglied in der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V., die sich dem Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1.12.2006 (MRTV) angeschlossen hat.
2. Sitzung per Videokonferenz
Zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat bestand Uneinigkeit über die Auslegung von § 4 Nr. 1 MRTV, der den Dienstbeginn, die Übergabe der Arbeitsmittel sowie die Beendigung der Tätigkeit und Rückgabe der Arbeitsmittel regelt. Wegen der Unstimmigkeiten führten die Parteien ein Einigungsstellenverfahren mit dem Regelungsgegenstand „Dienstplan Innendienst/Beginn und Ende der Arbeitszeit“ durch. Die erste Sitzung der Einigungsstelle erfolgte als Präsenzsitzung, die zweite Sitzung wurde im Mai 2020 pandemiebedingt als Videokonferenz unter Verwendung der Konferenz-Software Cisco Webex durchgeführt. Sämtliche Beteiligten hatten diesem Verfahren zugestimmt.
Verfahren endete mit Schiedsspruch
Da sich die Beteiligten auch in der zweiten Sitzung inhaltlich nicht einigen konnten, kam es zu einem Spruch der Einigungsstelle in Form einer „Betriebsvereinbarung Dienstplan Innendienst“.
Arbeitgeberin bewertete den Schiedsspruch als unzulässig
Die Arbeitgeberin war mit dem Spruch der Einigungsstelle nicht einverstanden und beantragte beim zuständigen ArbG die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses. Sie machte unter anderem geltend, die Einigungsstelle habe nicht per Videokonferenz tagen und entscheiden dürfen. Die Entscheidung sei unter Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO ergangen und damit unwirksam.
Einigungsverfahren per Videokonferenz sind grundsätzlich zulässig
Weder das zuständige ArbG noch das im Beschwerdeverfahren zuständige LAG gaben der Beschwerde der Arbeitgeberin statt. Gemäß der zum Zeitpunkt der Videokonferenz geltenden Vorschrift des § 129 Abs. 1 und 2 BetrVG habe der Gesetzgeber bestimmt, dass die Teilnahme an Sitzungen der Einigungsstelle sowie die anschließende Beschlussfassung während der Dauer der Corona-Pandemie mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen darf. Gemäß § 129 BetrVG müsse allerdings sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dies entspreche dem für Verfahren vor der Einigungsstelle geltenden elementaren Verfahrensgrundsatz, dass die Einigungsstellen aufgrund nicht-öffentlicher mündlicher Beratung entscheiden (BAG, Beschluss v. 18.1.1994, 1 ABR 43/93).
Cisco Webex ist hinreichend sicher
Eine Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses käme nach der Entscheidung der Gerichte daher nur in Betracht, wenn das Konferenzsystem Cisco Webex nicht geeignet wäre, diesen nach dem Gesetz erforderlichen Sicherungsstandard, die Kenntnisnahme unbefugter Dritter auszuschließen, zu erfüllen. Nach der Bewertung des LAG gehört Cisco Webex zu den hinreichend sicheren Konferenzsystemen, wie sie der Gesetzgeber bei Einführung des § 129 BetrVG vor Augen hatte. In den Gesetzesmaterialien würden die onlinegestützten Anwendungen wie Webex und Skype ausdrücklich erwähnt. Diese Bewertung entspreche auch der Einschätzung des Landesbetriebes IT.NRW, der den Behörden das Konferenzsystem Cisco Webex für Onlinekonferenzen und Gerichtsverhandlungen zur Verfügung stelle.
Die Möglichkeit von Datenschutzverstößen führt nicht zur Unzulässigkeit
Das LAG räumte ein, dass bei der Verwendung von Cisco Webex mutwillige, heimliche Aufzeichnungen durch Teilnehmer technisch nicht völlig ausgeschlossen sind. Dies gelte allerdings auch für Präsenzsitzungen, in denen eine heimliche Aufzeichnung per Smartphone oder Tablett ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden könne. Die eher theoretische Möglichkeit einer unbefugten Aufnahme schließe die Zulässigkeit der Verwendung dieses Online-Konferenz-Tools nicht aus.
Datenübermittlung ins Ausland unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt
Auch die seitens der Arbeitgeberin vorgebrachte Einwendung, Cisco Webex ermögliche die Übermittlung personenbezogener Daten in ein Land außerhalb der Europäischen Union, überzeugte die Richter nicht. Zwar sei eine Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer gemäß Art. 44 Abs. 1 DSGVO nur zulässig unter Einhaltung sämtlicher Vorschriften der DSGVO, jedoch dürften gemäß Art. 46 DSGVO personenbezogene Daten an ein Drittland dann übermittelt werden, wenn geeignete Garantien vorgesehen sind und den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe eingeräumt werden. Dies sei hier - soweit ersichtlich - der Fall.
Gängige Online-Konferenzsysteme sind zulässig
Das LAG ließ ausdrücklich offen, ob Cisco Webex den Anforderungen der DSGVO in jeder Hinsicht gerecht wird. Ein möglicher Verstoß gegen Datenschutzgrundsätze stelle aber keine Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze des Einigungsverfahrens dar. Entscheidend sei auch hier die Vorschrift des § 129 BetrVG, der für die Zeit der Corona-Pandemie Rechtssicherheit für betriebliche Einigungsverfahren schaffen wolle. An die Beachtung des Datenschutzes dürften daher keine unerfüllbar hohen Anforderungen gestellt werden. Die Verwendung im Geschäftsverkehr gängiger Konferenzsysteme, die über eine Verschlüsselung entsprechend dem Stand der Technik verfügten, sei daher auch im arbeitsrechtlichen Einigungsverfahren zulässig.
Ausreichende flankierende Sicherungsmaßnahmen
Schließlich hatte die Einigungsstelle nach Bewertung des LAG durch ergänzende Maßnahmen hinreichend sichergestellt, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Das Konferenzsystem habe ständig eine Liste der teilnehmenden Personen angezeigt. Die Mitglieder der Einigungsstelle seien ausführlich darüber belehrt worden, dass sie sofort Mitteilung machen müssen, wenn eine fremde Person den Raum betritt, in dem sie sich während der Videokonferenz befinden. Jeder Teilnehmer habe auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, sich allein Aufzeichnungsraum zu befinden.
Arbeitgeberbeschwerde zurückgewiesen
Damit war nach Einschätzung des LAG den gesetzlich erforderlichen Sicherungsanforderungen Genüge getan. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen die Wirksamkeit des Einigungsstellespruchs blieb damit erfolglos.
(LAG Köln, Beschluss v. 25.6.2021, 9 TaBV 7/21)
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