Ist ein Sturz nach einem Gaststättenbesuch während der Reha ein Arbeitsunfall?
Eine Frau absolvierte auf Kosten der Deutsche Rentenversicherung Bund bei einem medizinischen Reha-Aufenthalt. Die Ärzte der Reha-Einrichtung empfohlen ihr, Kontakt mit anderen Rehabilitanden zu suchen und sich mit den Teilnehmern ihrer Therapiegruppe zu Abendaktivitäten zu verabreden.
Gemeinsame Unternehmungen wurden von der Klinik allgemein gewünscht und empfohlen. Allerdings gab es weder konkrete Unterstützungsmaßnahmen noch eine therapeutische Begleitung der Aktivitäten.
Unfallversicherung sieht in dem Ausflug eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit
Ein Therapieteilnehmer schlug vor, an einem Samstagabend eine Gaststätte zu besuchen. Auf dem Rückweg von dem Lokal stürzte die Frau und verletzte sich an der linken Hand. Für den entstandenen Schaden sollte die gesetzlichen Unfallversicherung aufkommen. Doch diese verweigerte denn Versicherungsschutz, da der Ausflug eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gewesen sei.
Die Klage der Gestürzten hatte weder vor dem Sozialgericht noch vor dem Landessozialgericht Erfolg. Beide verneinten einen sachlichen Zusammenhang des Gaststättenbesuchs mit der Reha-Behandlung.
Bundessozialgericht erkennt Sturz nach Gaststättenbesuch nicht als Arbeitsunfall an
Auch mit der Revision hatte die Frau keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Frau keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Zwar sei die Klägerin während des Aufenthalts in der Reha-Einrichtung dem Grunde nach in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.
- Nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII
- steht unter Versicherungsschutz,
- wer auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung stationäre oder teilstationäre Behandlungen oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält.
Die konkrete Verrichtung der Klägerin zum Zeitpunkt des Sturzes stelle aber keine versicherte Tätigkeit dar, denn sie habe nicht im inneren Zusammenhang mit dem Erhalt der Leistung der medizinischen Rehabilitation gestanden.
Anforderungen an versicherte Verrichtungen
Versicherungsschutz hätte für folgende Aktivitäten bestanden
- Jedes aktive Handeln und passive Erdulden der durch die stationäre Aufnahme in einem Krankenhaus geprägten Vorgänge.
- Der Versicherungsschutz umfasst dabei nicht nur medizinische Maßnahmen und ärztlich verordnete Behandlungen.
Rehabilitanden sollen auch gegen Gefahren geschützt werden, die daraus entstehen, dass sie sich in eine besondere Einrichtung begeben und dort überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause.
Was ist in der Reha-Maßnahme nicht versichert?
Das BSG stellte auch klar, wann bei einer vollstationären Behandlung kein Versicherungsschutz besteht:
- Der Versicherungsschutz bei vollstationären Behandlungen besteht nicht rund um die Uhr,
- sondern nur, wenn die konkrete Verrichtung als Bestandteil der medizinischen Rehabilitation ärztlich oder durch sonstige in die Rehabilitation eingebundene Personen angeordnet bzw. empfohlen worden ist.
Eine solche Anordnung oder Empfehlung muss konkret auf die einzelne Versicherte im Hinblick auf ihren Rehabilitationsbedarf erfolgen. Allgemeine Empfehlungen ohne Bezug auf die konkrete Behandlungsmaßnahme genügen nicht.
Gaststättenbesuch stand nicht im Therapieplan der Reha
Der Besuch der Gaststätte war nach den Feststellungen des LSG nicht in einen Therapieplan aufgenommen. Er war nicht ärztlich oder durch eine andere in die Leistungserbringung eingebundene Person angeordnet oder empfohlen worden. Das Verhalten der Teilnehmer beim Gaststättenbesuch sollte auch nicht Gegenstand der Therapiesitzungen sein.
Subjektive Einschätzung müsste von objektiven Gegebenheiten gestützt werden
Der Versicherungsschutz könne zwar grundsätzlich auch Betätigungen umfassen, die die Versicherten subjektiv für behandlungsdienlich halten konnten, soweit die subjektive Vorstellung in den objektiven Gegebenheiten eine Stütze finde. Das LSG habe aber zutreffend entschieden, dass die Klägerin subjektiv aufgrund der festgestellten Umstände nicht davon ausgehen konnte, dass der Besuch der Gaststätte als Maßnahme ihrer stationären Rehabilitation der Behandlung objektiv diente.
(BSG, Urteil v. 23.06.2020, B 2 U 12/18 R).
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Hintergrund:
Wer steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?
In vielen anderen Fällen, manchmal wenig bekannt, besteht ebenfalls ein Schutz:
- Etwa, wenn jemand sich nicht für den Arbeitgeber, sondern für die Allgemeinheit oder jemanden in einer Notlage anstrengt oder gefährdet, z. B. in einem Notfall oder im Ehrenamt,
- dabei aber persönlich zu Schaden kommt.
Geschützt sind ohne Rücksicht auf Alter, Staatsangehörigkeit oder Einkommen folgende Personengruppen:
Bei der Arbeit:
- Versichert sind zunächst die Berufstätigen im Rahmen ihrer Arbeit: Arbeitnehmer und Auszubildende, erfasst wird dabei auch der Hin- und Rückweg.
- Das betrifft auch Personen, die selbständig, als mitarbeitende Familienangehörige oder als abhängig Beschäftigte in der Landwirtschaft arbeiten.
- Auch Unternehmer können sich freiwillig versichern, wenn sie nicht schon - wie in einigen Branchen - durch Gesetz oder Satzung pflichtversichert sind.
Im Interesse der Allgemeinheit aktiv:
Wer im Interesse der Allgemeinheit tätig wird, steht ebenfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung:
- z.B. Mitarbeiter in Hilfsorganisationen,
- Lebensretter,
- Blutspender,
- Zeugen und Schöffen,
- ehrenamtlich tätige Personen und Unglückshelfer.
Kita, Kindergarten, Schule und Uni:
Geschützt sind auch
- Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder durch geeignete Tagespflegepersonen betreut werden,
- Schüler und Studierende in Schulen und Hochschulen
- sowie Personen in der beruflichen Aus- und Fortbildung.
Außerdem sind geschützt:
- Pflegepersonen
- Arbeitslose, wenn sie auf Aufforderung der Arbeitsagentur die Agentur oder eine andere Stelle aufsuchen
- Personen in der Rehabilitation (z.B. Krankenhausaufenthalt).
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