Systematische Schikanen nicht dargelegt – Mobbingklage abgewiesen
Jeder Mensch hat seine eigene Schmerzgrenze. Was für den einen noch eine „sportliche“ Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber ist, wird von dem anderen bereits als unangemessene und unerträgliche Belastung empfunden. Doch die Gerichte stellen hohe Anforderungen an die Einordnung eines Verhaltens als Mobbing.
Seit 2008 „gemobbt“
Die Klägerin ist Diplom Ökonomin und war bei der beklagten Stadt Solingen beschäftigt. Seit 2008 fühlte sie sich durch ihre Vorgesetzten zunehmend schikaniert. Unter anderem habe ihr Vorgesetzter sie trotz flexibler Arbeitszeit aufgefordert, schriftlich zu begründen, warum sie an einem bestimmten Nachmittag nicht anwesend war. Des Weiteren sei es während einer Dienstbesprechung zu massiven Beschimpfungen bezgl. ihrer Arbeitsleistung und -einstellung gekommen, ihr sei vorgeworfen worden „sie mache null“. Gegen die außerordentliche Kündigung wegen angeblichen Arbeitszeitbetrugs, die sie als weiteren Akt der Schikane anführte, konnte sie erfolgreich Kündigungsschutzklage einlegen. Die sich anschließende Versetzung habe sie als „Kaltstellung“ empfunden.
Landesarbeitsgericht: Nicht jede Kritik ist Mobbing
Sie verklagte die Stadt wegen Mobbings auf Schmerzenzgeld in Höhe von 893.000 EUR. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil und wies auch die Berufung der Klägerin zurück. Sie habe keinen Anspruch gem. § 280 Abs. 1 Satz 1, § 278 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2 BGB wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch Erfüllungsgehilfen des Beklagten. Nach Auffassung des Gerichts stelle nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik durch den Arbeitgeber eine Persönlichkeitsverletzung dar.
Mobbing verlangt eine gewisse Systematik
Das Gericht hielt sich an die gängige Definition der Rechtsprechung, wonach Mobbing nur bei systematischem Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren durch Kollegen oder Vorgesetzte gekennzeichnet. Nicht jede einzelne, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess müssen dabei zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Arbeitnehmers führen. In dieser Hinsicht konnte die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweispflicht nicht ausreichend nachkommen. Vielmehr stellten sich dem Gericht die Handlungen der Beklagten als nachvollziehbar und rechtlich zulässig dar.
Gegenseitige Provokationen sind zu berücksichtigen
Länger andauernde Konflikte im Arbeitsleben sind nicht unüblich. Bei der Beurteilung der einzelnen Vorwürfe dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die Klägerin unstreitig ebenfalls heftige Kritik an Kollegen und Vorgesetzen übte. Daher könnten die von der Klägerin missbilligten Verhaltensweisen und Äußerungen der Vorgesetzten selbst auch nur Reaktionen auf Provokationen der Klägerin gewesen sein. Die Ausübung des Direktionsrechts der Beklagten wies keine eindeutig schikanösen Tendenzen auf. Die Pflicht zur Führung eines Abwesenheitsbuches traf alle Mitarbeiter ihrer Abteilung.
Unwirksame Kündigung kein Mobbing
Auch der schwerste Vorwurf der Klägerin, die Kündigung sei insbesondere als weiteren Akt der Schikanen zu werten, da sie unwirksam war, erwies sich als unhaltbar. Allein durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung verletzt ein Arbeitgeber nicht seine dem Arbeitnehmer gegenüber bestehenden Rücksichtnahmepflichten. Der Anlass der Kündigung, Differenzen zwischen den Arbeitszeitaufzeichnungen und den beobachteten Anwesenheitszeiten, konnten eben erst in einem Prozess entkräftet werden. Die Klägerin nach dem Kündigungsschutzprozess dann vorübergehend räumlich getrennt für einen Prüfauftrag einzusetzen, war ebenfalls nach Ansicht des Gerichts nachvollziehbar und vertretbar.
Gesamtverhalten ausschlaggebend
Ein Gesamtverhalten der Beklagten, das als Mobbing zu werten wäre, konnte das Gericht daher nicht feststellen. So blieb die Klägerin mit ihrer nicht ganz unbedeutenden Schmerzensgeldforderung von fast 900.000 EUR erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.
(LAG Düsseldorf, Urteil v. 26.3.2013, 17 Sa 602/12).
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