Bezeichnung Berliner Testament führt nicht unbedingt zu entsprechender Rechtsfolge
In dem Fall vor dem OLG Düsseldorf ging es um die Auslegung der testamentarischer Bestimmungen einer Erblasserin, die wegen ihrer Vielfältigkeit etwas unübersichtlich war.
Neue Familienzusammensetzung
Für beide Ehepartner war es die zweite Ehe. Aus ihren vorherigen Lebensabschnitten hatten
- die Ehefrau E (= Erblasserin) eine Tochter und
- der Ehemann H zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter.
- In den mehr als 30 Jahren, die sie zusammen verbrachten, gab es keinen gemeinsamen Nachwuchs.
Erstes gemeinsames Testament 1985
Vermutlich wegen ihrer Patchwork-Familien-Situation machten sich die Eheleute bereits im Jahr 1985 ernsthafte Gedanken zu ihrem Ableben und setzten ein gemeinsames Testament auf.
- Darin bestimmten sich beide zunächst gegenseitig als Erben.
In der weiteren Erbfolge
- sollte E‘s Nachlass nach H‘s Tod an ihre Tochter gehen. Es war es ihr expliziter Wille, dass ihr Haus nicht verkauft, sondern später von ihrer Tochter übernommen würde.
- Umgekehrt, nach E‘s Tod, sollte H‘s Nachlass an seine zwei eigenen Kinder gehen.
Abschließend hieß es:
„Unser beider letzter Wille darf nur auf Gegenseitigkeit geändert werden.“
Ehefrau ändert ihren letzten Willen nach Versterben ihrer Tochter mehrfach
Das Schicksal wollte es, dass die Tochter bereits vor ihrer Mutter Anfang des Jahres 2014 verstarb. Danach, bis kurz vor ihrem eigenen Tode nahm die Erblasserin – teilweise mit, teilweise ohne ihren Ehemann - noch mehrere Änderungen an ihrem letzten Willen vor.
So hielten sie im Herbst 2014 gemeinsam fest,
- dass das Original-Testament aus 1985 verloren sei und deshalb die Kopie gleichen Datums Gültigkeit haben sollte.
- Das Schriftstück überschrieben sie mit: „Berliner Testament v. 19.Juni 1985“.
Zwischendurch sollte der Lebensgefährte der verstorbenen Tochter Nacherbe werden
Mitte Februar 2015 bestätigte E per notariellen Testaments
- die Erbeinsetzung von H als nicht befreitem Vorerben.
- Zum Nacherben setzte sie nun – anstelle ihrer verstorbenen Tochter – deren Lebensgefährten ein, dem sie so nahe stand, dass sie ihn ihren „Schwiegersohn“ nannte.
Es folgten zwei handschriftliche Testamente Ende März 2015, in denen E ihren Ehemann als Alleinerben einsetzte.
Mitte April 2015 schlossen E und H einen Erbvertrag,
- in dem E alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen aufhob,
- die Erbeinsetzung ihres Ehemannes H als nicht befreiten Vorerben bestätigte,
- den Lebenspartner ihrer toten Tochter zum Nacherben einsetzte,
- die Enterbung von H (soweit nicht als Vorerbe begünstigt) und seiner Verwandtschaft aus erster Ehe erklärte.
Ende Mai 2015 erteilte sie ihrem „Schwiegersohn“ eine notariell beurkundete Generalvollmacht, die sie mit zwei Schreiben aus Mitte Juli und Ende August 2015 widerrief und wiederum ihren Ehemann zum Alleinerben einsetzte.
Hinterbliebener Ehemann sieht sich als Alleinerbe
Nachdem seine Ehefrau verstorben war, beantragte H einen Erbschein, der ihn als Alleinerben auswies. Das Nachlassgericht war gewillt dem nachzukommen. Dem stellte sich jedoch der Lebenspartner der Tochter von E entgegen, der die Nacherbschaft für sich beanspruchte und sprach nach Nichtabhilfe des Amtsgerichts Neuss beim OLG Düsseldorf vor – mit Erfolg.
„Berliner Testament“: Nacherben werden für den Nachlass beider Ehepartner bestimmt
Beim „Berliner Testament“
- setzen sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein
- und bestimmen für den Tod des zweiten Ehepartners
- – mit absoluter Bindungswirkung -
- den/die nachfolgenden Erben.
Auslegung ergibt, dass Vermögen mit Ende der Vorerbschaft aufgespalten werden sollte
Das aber sei, so die Richter des OLG Düsseldorf, in diesem Fall gerade nicht gewollt. Aus den Dokumenten und Umständen gehe deutlich genug hervor, dass das Vermögen der Ehegatten nach dem Tod des zweiten Ehepartners getrennt an die jeweiligen Abkömmlinge vermacht werden sollte. M.a.W. und abgesehen von der gegenseitigen Einsetzung als nicht befreite (!) Vorerben: Jeder macht seins.
Dass die Eheleute ihr Testament als „Berliner Testament“ bezeichnet haben, sei dabei angesichts des inhaltlich ausgedrückten Willens unbedeutend und ihrem nur laienhaften, in diesem Fall falschen Verständnis eines Berliner Testaments geschuldet.
Es ergibt sich aus den vorausgegangenen Verfügungen von Todes wegen eben nicht, dass die Eheleute über ihr gemeinschaftliches Vermögen i.S.d. § 2269 BGB einheitlich sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Erbfall bestimmen wollten.
Nach dem unerwarteten Ableben ihrer Tochter zu eigenen Lebzeiten stand es E daher offen, deren Lebenspartner als Nacherben ihres Vermögens zu bestimmen.
(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.8.18, I-3 Wx 67/18, 3 Wx 67/18).
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Ehegatten sind an Einsetzung des Schlusserben gebunden
Hintergrund:
Berliner Testament:
Beim Berliner Testament wird der jeweils andere Ehegatten zum Vollerben eingesetzt und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben. Stirbt ein Schlusserbe vor dem letzten Elternteil, also vor Eintritt des Schlusserbfalls, wird der überlebende Ehepartner für den frei werdenden Anteil am Erbe von der Bindungswirkung des Berliner Testaments frei.
Gemeinschaftliches Testament: Vor- und Nachteile
Das gemeinschaftliche Testament kann nur von Ehegatten und gleichgeschlechlichen, eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden.
Vorteil ist, dass nur einer der Testierenden das Testament handschriftlich errichten muss, der andere kann sich dem durch seine Unterschrift anschließen. Das gemeinschaftliche Testament kann in jeder zuvor genannten Testamentsform abgeschlossen werden.
Als Nachteil anzusehen sind die gravierenden Bindungswirkungen. So sind die wechselbezüglichen Verfügungen nicht frei widerruflich, sondern nur gemeinsam abänder- bzw. aufhebbar. Einseitige Änderungen dagegen können nur notariell vorgenommen werden, was mit Kosten verbunden ist. Der Überlebende ist in seiner Verfügungsfreiheit über das gesamte Vermögen erheblich eingeschränkt. Ein Widerruf nach dem Tod des Erstversterbenden ist nicht möglich, dem Überlebenden bleibt nur der Verzicht. Auch im Hinblick auf die Abkömmlinge ergeben sich einige Schwierigkeiten. Das gemeinschaftliche Testament hat außerdem die zweifache Versteuerung des Vermögens zur Folge.
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