Ehegatten sind an Einsetzung des Schlusserben gebunden
Ein Ehepaar hatte sich im Dezember 2002 mit gemeinschaftlichem Testament gegenseitig als Alleinerben und ihre beiden Kinder als Schlusserben eingesetzt. Die Ehefrau verstarb im März 2008, der gemeinsame Sohn fünf Monate später.
Vorzeitiger Tod des Bruders - Schwester Alleinerbin?
Der Enkelsohn schlug die Erbschaft seines Vaters form- und fristgerecht aus.
Vater macht ein neues Testament
Im Jahr 2013 erstellte der überlebende Ehemann ein weiteres Testament, in welchem er seine Tochter und deren Sohn sowie den Sohn seines vorverstorbenen Sohnes enterbte.
Tochter beantragt Erbschein
Nach dem Tod des Vaters beantragte die Tochter beim Nachlassgericht mit dem Hinweis darauf, dass ihr im November 2008 ein Erbschein als Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Bruder erteilt worden sei, einen Erbschein, welcher sie als Alleinerbin nach ihrem Vater bestätigt.
Hilfsweise beantragte sie die Erteilung eines Erbscheins, welcher sie und ihren verstorbenen Bruder als Miterben zu gleichen Teilen ausweist.
Bindungswirkung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung – Das Nachlassgericht hatte die Anträge zurückgewiesen. Die Beschwerde der Tochter blieb im Ergebnis ohne Erfolg. Im Gegensatz zum Nachlassgericht, welches eine Enterbung der Tochter aufgrund des Testaments aus dem Jahr 2013 als wirksam erachtete, sah das KG Berlin die darin angeordnete Enterbung als unzulässig an.
Enterbung in späterem Testament unwirksam
Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 2002 war der Ehemann an einer abweichenden Testierung gehindert, da die Einsetzung der Tochter als Schlusserbin eine wechselseitige Verfügung im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB darstellt und den überlebenden Ehegatten bindet.
Ersatzerbe kann jedoch vom Erbfall ausgeschlossen werden
Trotz der unwirksamen Enterbung sei die Tochter keine Alleinerbin geworden, da ihr der hälftige Schlusserbenanteil ihres verstorbenen Bruders nicht zustehe.
Die Frage, wer bei vorzeitigem Wegfall des Erben in dessen Stellung nachrücke, sei regelmäßig durch Auslegung zu ermitteln. Aufgrund des vorzeitigen Versterbens des Schlusserben sei zunächst der Enkelsohn als Ersatzerbe berufen.
Gemeinschaftliches Testament hindert nicht Enterbung des Ersatzerben
Der Erblasser war jedoch nach ständiger Rechtsprechung trotz des gemeinschaftlichen Testaments an einer Enterbung des Ersatzerben nicht gehindert. Rechtsfolge des Wegfalls des Ersatzerben sei jedoch nicht das Anwachsen der Erbschaft um diesen Anteil bei der Tochter.
Wem wächst der vakante Erbanteil zu?
Da der Vater nach dem Tod des Sohnes hinsichtlich dessen hälftigen Nachlassteils von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments frei wurde, stand es ihm frei, die Antragstellerin zu enterben und damit ein Anwachsen der Erbschaft zu verhindern. Daher sei weiter zu ermitteln, auf wen der frei gewordene Erbteil entfalle. Aufgrund des wirksamen Widerrufs der Ersatzerbenberufung musste auch der Hilfsantrag zurückgewiesen werden.
(KG Berlin, Beschluss vom 19.12.2014, 6 W 155/14).
Vgl. zu dem Thema auch:
Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag - Vor- und Nachteile
Folgen einer Scheidung für ein gemeinschaftliches Testament
Keine Auslegung eines widersprüchlichen und völlig unklaren Testaments
Mündliche Erklärungen des Erblassers
und
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