Beim Wechselmodell müssen beide Eltern zahlen
In einem kürzlich ergangenen Beschluss hat der BGH grundsätzliche Erwägungen zur Unterhaltspflicht beim Wechselmodell angestellt. Im zu Grunde liegenden Fall waren die Eltern der beiden minderjährigen Kinder geschieden. Der 1968 geborene Kindesvater ist von Beruf Diplomökonom, hat mehrere Insolvenzen durchlebt und war inzwischen arbeitslos. Die Trägerin der Unterhaltsvorschusskasse machte gegen ihn den Mindestunterhalt aus übergegangenem Recht geltend. Da der Vater nach einer Vereinbarung mit der Kindesmutter die Kinder an 6 von 14 Tagen betreute, war er der Auffassung, zur Unterhaltszahlung nicht verpflichtet zu sein.
Erhöhte Erwerbsobliegenheit des Vaters
Nachdem das AG den Kindesvater zur Zahlung des Mindestunterhalts verurteilt hatte, gelangte das OLG zu der Auffassung, der Vater sei für den vollen Mindestunterhalt der Kinder nicht hinreichend leistungsfähig. Das OLG reduzierte den Unterhaltsbetrag deutlich, sah aber keinen Anlass für einen völligen Ausschluss des Unterhalts. Nach Auffassung des OLG war dem Kindesvater ein fiktives monatliches Einkommen zuzurechnen, weil er seiner erhöhten Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen sei.
Vater ist begrenzt leistungsfähig
Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG. Im Rahmen der nach § 1603 Abs. 2 BGB bestehenden gesteigerten Unterhaltspflicht sei der Kindesvater verpflichtet, alles in seiner Macht Stehende zu tun, durch entsprechende Einnahmen den Kindesunterhalt abzusichern (BGH, Beschluss v. 22.1. 2014, XII ZB 185/12). Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung werde der Kindesvater auch nicht gemäß § 1606 Abs. 3 BGB von seiner Verpflichtung zur Unterhaltszahlung befreit. Diese Vorschrift setze das so genannte Residenzmodell voraus und befreie denjenigen von der Barunterhaltspflicht, der die Betreuung des Kindes übernommen habe. Würde diese Vorschrift auch im Rahmen des Wechselmodell gelten, in dem beide Elternteile sich die Betreuung teilen, so würde in diesen Fällen die Barunterhaltspflicht völlig entfallen. Dies entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Erhöhter Unterhaltsbedarf beim Wechselmodell
Nach Auffassung des BGH bemisst sich im Falle eines Wechselmodells der Unterhaltsbedarf nach den beiderseitigen Einkommen der Eltern. Der Bedarf sei sogar höher als im Normalfall des Residenzmodells, da durch die doppelte Betreuung zusätzliche Kosten (Fahrtkosten, Wohnkosten) entstünden. Diese würden von der Barunterhaltspflicht mit umfasst.
Wechselmodell nur bei gleicher Betreuungsverantwortung
Nach Auffassung der BGH-Richter hatte das OLG im konkreten Fall das Wechselmodell zurecht verneint. Ein Wechselmodell sei nur dann anzunehmen, wenn die Betreuungsverantwortung zwischen den Eltern nahezu gleichmäßig verteilt würde. Erbringe der barunterhaltspflichtige Elternteil Betreuungs- und Versorgungsleistungen, die über das übliche Umgangsrecht hinausgehen, so sei nicht automatisch vom Wechselmodell auszugehen. Selbst wenn die Ausgestaltung des Umgangsrechts sich einer Mitbetreuung bereits annähere, sei zu prüfen, ob der Schwerpunkt der Betreuungsleistung bei einem Elternteil zu sehen sei (BGH Urteil v. 12.3.2014, XII ZB 234/13). Bei der Beurteilung dieser Frage sei die zeitliche Komponente nicht alleine entscheidend, wiewohl dem zeitlichen Betreuungsumfang eine Indizwirkung zukomme.
Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei der Kindesmutter
Die endgültige Beurteilung sei eine Frage der tatrichterlichen Würdigung. Im konkreten Fall sei das OLG nach Prüfung des Sachverhalts davon ausgegangen, dass aufgrund einer vorübergehenden beruflichen Mehrbelastung der Kindesmutter der Kindesvater lediglich zeitlich begrenzt den nahezu hälftigen Betreuungsumfang übernommen habe. Das OLG sei beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass aufgrund dieser zeitlichen Begrenzung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung weiterhin anzunehmen sei, dass das Schwergewicht der Betreuungsverantwortung insgesamt bei der Kindesmutter liege.
Wechselmodell würde an der Höhe des Unterhalts nichts ändern
Der BGH-Senat hielt im vorliegenden Fall die Grenzziehung allerdings wohl für nicht eindeutig und unterstellte im Rahmen einer Hilfsüberlegung das Wechselmodell. Auch bei Annahme des Wechselmodell wäre nach Auffassung des BGH-Senats die Unterhaltsverpflichtung in Höhe von mindestens einem Viertel bis einem Drittel des Mindestunterhalts gegeben. Im Falle des Mindestunterhalts könne durch die Vereinbarung des Wechselmodells entgegen den insoweit angestellten Überlegungen des OLG auch keine Teilerfüllung der Unterhaltsverpflichtung durch Übernahme von Betreuungsleistungen eintreten. Der Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB umfasse von vornherein nämlich lediglich den sächlichen Bedarf des Kindes. Dieser werde durch Betreuungsleistungen nicht geschmälert, auch nicht im Rahmen eines Wechselmodells. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei daher der vom OLG zuerkannte Unterhalt nicht zu beanstanden.
(BGH, Beschluss v. 5.11.2014, XII ZB 599/13).
Vgl. zum Thema Umgangsrecht
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