Sorgerecht: Umgangsrecht vollstrecken?

Der verwehrte oder erschwerte Umgang mit dem gemeinsamen Kind ist immer noch ein beliebter Kriegsschauplatz am Rande einer Scheidung oder Trennung. Wird der Umgang immer wieder hintertrieben, bleibt dem betroffenen Elternteil als ultima ratio noch die Vollstreckung der umgangsrechtlichen Entscheidung - kein einfacher Weg.

Die Vollstreckung einer umgangsrechtlichen Verfügung richtet sich nach §§ 88 ff. des FamFG. Voraussetzung ist das Vorliegen einer richterlichen Umgangsverfügung. Eine Umgangsvereinbarung reicht als Grundlage für die Vollstreckung nicht aus.

Gerichtliche Umgangsverfügung muss konkret sein

Die gerichtliche Verfügung muss vollzugsfähig sein, d.h. konkrete Anweisungen gegenüber dem betreuenden Elternteil enthalten. Unternimmt dann der betreuende Elternteil keine Anstrengungen, damit das Kind eine gerichtliche Umgangsregelung befolgt oder hintertreibt die Ausübung des Umgangsrechts sogar, rechtfertigt dies u.U. Vollstreckungsmaßnahmen.

Problem: Wenn es wirklich das Kind ist, das sich nicht treffen will

Etwas anderes gilt, wenn das Kind den Umgang ablehnt, der Wille beachtlich ist und der Widerstand auch nicht mit erzieherischen Mitteln durch den betreuenden Elternteil überwunden werden kann, was insbesondere bei älteren Kindern der Fall sein kann.

Maßnahmen zur Durchsetzung der Umgangsregelung

Ist es aber direkt oder indirekt der betreuende Elternteil, der sich nicht an die Umgangsregelung hält, kann das Gericht auf Antrag des anderen Elternteils bzw. sonstiger Umgangsberechtigter (z.B. Großeltern),

  • Ordnungsmittel in Form von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft (§ 89 FamFG) oder
  •  unmittelbaren Zwang (§ 90 FamFG) anordnen.

Anhörung des Verpflichteten

Vor der Festsetzung von Ordnungsmitteln oder unmittelbarem Zwang muss allerdings eine Anhörung des Verpflichteten stattfinden.

Vermittlungsversuche

Das Gesetz hält zwei Instrumente bereit, um eine Vollstreckung möglichst zu vermeiden.

  •  Zum einen ist ein gerichtliches Vermittlungsverfahren (§ 165 FamFG) vorgesehen, in dem das Gericht versucht zu vermitteln. Ziel der Vermittlung ist es, dass Einvernehmen über die Ausübung des Umgangs erreicht wird (s.auch u. Cochemer Modell).
  •  Zum anderen gibt es die Möglichkeit, den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht kurzzeitig einzuschränken oder auszuschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1684 Abs. 4 S.1 BGB) oder für längere Zeit oder auf Dauer auszuschließen, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet ist (§ 1684 Abs. 4 S.2 BGB).

Kindeswohl nicht beeinträchtigen

Es ist jedoch zu bedenken, dass die Durchsetzung eines Gerichtsbeschlusses mittels Gerichtsvollzieher für das Kind eine extreme Konfliktsituation bedeutet. Daher ist es in der Praxis manchmal aus Gründen des Kindeswohls nicht statthaft, einen solchen Umgangsbeschluss im Wege der Zwangsvollstreckung mittels Gerichtsvollziehers durchzusetzen. Häufig wird die Zwangsvollstreckung von Umgangsanordnungen daher verweigert (BVerfG, Beschluss v 01.04.2008, 1 BvR 1620/08).

Auch die vollstreckungsrechtlich mögliche Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den das Umgangsrecht verweigernden Elternteil gefährdet manchmal auch die wirtschaftliche Situation des Kindes und unterbleibt deshalb.

Ausweg bei Umgangsrechtsproblemen durch das Cochemer Modell?

Das Cochemer Modell ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Personen und Institutionen, die Eltern, im Interesse der Kinder, trotz Trennung in die Lage versetzen soll, wieder miteinander zu sprechen, statt zu streiten, und die Bindung des Kindes zu beiden Eltern zuzulassen.

Der Urheber dieses Mediationsverfahrens, Jürgen Rudolph, war über 30 Jahre lang Familienrichter und konnte die "Schlachtfelder, die Gerichte und Gesetze bei Scheidungen hinterlassen" nicht mehr ertragen. "

Das Cochemer Modell orientiert sich stark an einer einvernehmliche Lösung: Die Eltern sollen sich einigen. Weil es den meisten Eltern von selbst nicht gelingt, sich in einer emotional hoch aufgeladenen Situation sachlich auseinanderzusetzen, helfen Mediatoren und Familientherapeuten und es sitzen Anwälte Jugendamt und andere Sachverständige mit im Boot. 

Das Modell wurde von verschiedenen Familiengerichte in adaptiert und weiterentwickelt. Das Modell darf aber in Fällen von Partnerschaftsgewalt nicht dazu führen, dass Druck auf die Eltern ausgeübt wird, eine einvernehmliche Regelung zu treffen. Ansonsten kann für Rechtsbeistand- und Ratsuchende rasch der Eindruck entstehen, dass sie sich in einem „geschlossenen System“ befinden, dass nur einen Ausgang des Verfahrens erlaubt, der zuvor bereits feststeht. Dies wird weder den Rechten der Eltern noch den Interessen der Kinder gerecht.

Vgl. zum Thema Umgangsrecht

Beim Wechselmodell müssen beide Eltern zahlen

Umgangsrecht: Grundsätze zu einem oft heiß umkämpften Recht

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Vgl. zum Thema Sorgerecht auch:

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Schlagworte zum Thema:  Umgangsrecht, Vollstreckung