Kein Umgangsrecht der biologischen Mutter
Die verheiratete Beschwerdeführerin war bereits Mutter zweier ehelicher Kinder, als sie im April des Jahres 2000 Zwillinge zur Welt brachte. Die Zwillinge waren aber nicht von ihrem Ehemann, sondern stammten von einem außerehelichen Partner. Nach der Geburt litt die Mutter unter Depressionen und Angstzuständen, die dadurch verstärkt wurden, dass ihr Ehemann sie gewaltig unter Druck setzte, die Kinder zur Adoption freizugeben. Die Eheleute führten verschiedene Gespräche mit dem Jugendamt, das aufgrund der ehelichen Probleme ebenfalls eine Freigabe der Zwillingsmädchen zur Adoption befürwortete. In dieser Situation entschied sich die Beschwerdeführerin nach ca. drei Wochen zur Freigabe der Mädchen zur Adoption. Ein Notar beurkundete diesen Entschluss. Anlässlich eines Treffens im Jugendamt hatten die Adoptiveltern der Mutter zugesagt, sie werde jährlich einen Bericht über die Entwicklung der Kinder und Fotos erhalten.
Mutter kämpft verzweifelt
Der gerichtliche Adoptionsbeschluss erging im Juni 2001. Ca. sechs Monate später stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Aufhebung der Adoption. Sie wies darauf hin, dass sie unter großen psychischen Druck sowohl durch das Jugendamt als auch durch ihren Ehemann geraten sei. Nur deshalb habe Sie der Adoption zugestimmt. Demgegenüber sei die Zustimmung des leiblichen Vaters nicht eingeholt worden. Wegen des unter psychischem Zwang gegebenen Einverständnisses zur Adoption sei diese wieder rückgängig zu machen. Zumindest sei ihr ein regelmäßiges Umgangsrecht mit ihren Kindern einzuräumen. Der regelmäßige Kontakt mit der leiblichen Mutter entspreche dem Wohl der Kinder. In den ersten beiden Instanzen scheiterte Sie mit ihren Anträgen. Die Gerichte stellten zwar ebenfalls das Wohl der Kinder in den Vordergrund ihrer Entscheidungen, beurteilten dies aber anders als die Mutter.
Integration der Kinder in Adoptivfamilie genießt besonderen Schutz
Nach Auffassung des OLG hätte ein Umgangsrecht der Mutter nur dann dem Wohl der Kinder entsprochen, wenn diese bereits eine soziale und familiäre Bindung zu den Kindern aufgebaut hätte. Dies war nach Auffassung der Richter aber nicht der Fall, da die Kinder bereits drei Wochen nach ihrer Geburt in eine Pflegefamilie gekommen seien. Inzwischen seien die Kinder in die Adoptivfamilie integriert, ein Kontakt mit der Mutter habe nicht mehr stattgefunden. Unter diesen Voraussetzungen könne das Wohl der Kinder durch einen unvermittelten Kontakt mit der biologischen Mutter sogar gefährdet werden. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Mutter möglicherweise versuchen werde, gegen die Adoptivfamilie zu agieren. Dies könne die familiäre Bindung der Kinder zu ihren Adoptiveltern stören und nütze letztlich keinem der Beteiligten.
Deutsche Rechtspraxis vom EGMR bestätigt
Nachdem die Beschwerdeführerin auch mit der beim BVerfG eingelegt Verfassungsbeschwerde nicht durchdrang, suchte die verzweifelte Mutter Hilfe beim EGMR. Aber auch der zeigte kein Einsehen. Der EGMR bestätigte die Rechtsprechung des BVerfG und der Familiengerichte, dass in diesen Fällen grundsätzlich nach Maßgabe des Kindeswohl zu entscheiden sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass aufgrund fehlender sozialer und familiärer Bindung der Kinder zur Mutter die Gerichte zu dem Ergebnis gekommen seien, dass eine gedeihliche seelische und physische Entwicklung der Kinder in deren Adoptivfamilie durch ein Umgangsrecht der Mutter gestört werden könne.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig
Zu berücksichtigen sei auch, dass nach deutschem Recht Adoptiveltern die Möglichkeit hätten, zu einem späteren Zeitpunkt ihren Kindern den Kontakt zur biologischen Mutter zu gestatten. Wenn eine Mutter ihre Kinder zur Adoption freigebe, so sei es nicht zu beanstanden, dass ihr nach deutschem Recht die Möglichkeit der Erzwingung eines Kontakts zu ihren Kindern verwehrt werde. Rechtskräftig ist das von der kleinen Kammer des EGMR gefällte Urteil noch nicht. Die Mutter hat die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten nach Erlass des Urteils eine Überprüfung durch die große Kammer des EGMR zu beantragen. In diesem Fall hat die kleine Kammer die Entscheidungsbefugnis darüber, ob es die Streitsache an die große Kammer zur weiteren Verhandlung überweist oder nicht.
(EGMR, Urteil v. 5.6.2014, 31021/08).
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