Ohne tragfähige soziale Beziehung der Eltern kein gemeinsames Sorgerecht
Ein 50-jähriger Vater, der nur kurz nach der Geburt bei einem Besuch in der Klinik nKontakt zu seinem Kind hatte, beantragte die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für den 5-jährigen Sohn.
Nie Unterhalt gezahlt
Die Mutter, welche einer regelmäßigen Teilzeitbeschäftigung in einer Wäscherei nachgeht, lehnte ein gemeinsames Sorgerecht mit dem Vater ab, da er sich die ganzen Jahre nicht um das Kind gekümmert habe, keinen Unterhalt zahle und sie mit Drohbriefen attackiere. Der Vater habe ihr auch schon mehrfach vor der Wohnung aufgelauert, so dass sie die Polizei rufen musste.
Leben auf „Survival“ ausgerichtet
Zudem lebe der Kindsvater seit 1995 ein Aussteigerleben und weigere sich, zu arbeiten. Der Kindsvater gab an, dass sein Leben auf „Survival“ basiere und ihm Arbeit, Geld und Wohlstand nichts bedeute.
Er wolle dem Kind im „eignungsfähigen“ Alter das Schießen beibringen, damit es sich wehren kann. Er könne auch als Aussteiger mit ihm Umgang haben und die elterliche Sorge ausüben, da dies heute mühelos über Handy oder Satellitentelefon möglich sei. Nachdem das Amtsgericht Freiburg dem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge stattgegeben hatte, reichte die Antragsgegnerin hiergegen erfolgreich Beschwerde ein.
OLG Karlsruhe: Ausreichende Verständigungsbasis zwischen Eltern fehlt
Nach der Begründung des OLG Karlsruhe
- sei nicht entscheidend, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
- Vielmehr übertrage das Familiengericht auf Antrag eines Elternteiles die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn diese Regelung dem Kindeswohl nicht widerspricht.
- Dabei bedarf es für die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge.
Mittelbar nachteilige Auswirkungen auf Kindeswohl
Die Notwendigkeit einer ausreichenden Kooperationsbereitschaft bedeute dabei jedoch nicht, dass die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge bereits dann abzulehnen sei, wenn es Kontroversen zu einzelnen Themen gebe und die Eltern bereits gerichtliche Verfahren durchgeführt haben. Denn zur Wahrnehmung der gemeinsamen Elternverantwortung gehöre es, auch bei Meinungsverschiedenheiten das Gespräch mit dem anderen Elternteil zu suchen und zu führen.
Vorliegend fehle es jedoch an einer ausreichend tragfähigen sozialen Bindung und einer ausreichenden Verständigungsbasis, auch angesichts der Anschauungen des Vaters, so dass die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl der Tochter widersprechen würde. Auch werde die Verständigung zwischen den Kindseltern durch die Unterschiedlichkeit der Lebensvorstellungen erheblich erschwert.
(OLG Karlsruhe, Urteil v. 2.04.2015, 18 UF 253/14).
Vgl. zum Thema Sorgerecht auch:
Wohlverhalten und Umgangsrecht
Gemeinsames Sorgerecht besteht nur auf dem Papier?
Kein gemeinsames Sorgerecht ohne ein Mindestmaß an Kommunikationsfähigkeit
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