Versorgungsausgleich: Kein Ausgleich von Bagatellanwartschaften

Der BGH hat den Versorgungsausgleich in Scheidungsverfahren für den Fall ausgeschlossen, dass die Verwaltungskosten der Rentenversicherung für die Aufteilung erkennbar über einem auszugleichenden Bagatellbetrag liegen.

Anlässlich einer Scheidung hatte das AG Wittmund den Versorgungsausgleich zwischen den Ehegatten durchgeführt. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass die Rente der Ehefrau nur geringfügig höher als die ihres Ehemannes war.

Im Ergebnis wäre ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 7 Cent vom Rentenkonto der Ehefrau abzubuchen und auf das Rentenkonto des Ehemannes umzubuchen gewesen.

Versicherungsträger scheute den Verwaltungsaufwand

Dem Rentenversicherungsträger erschien diese Aufteilung überflüssig, da die Umbuchung des minimalen Unterschiedsbetrages nach seiner Darstellung mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wäre. Der Rentenversicherungsträger beanstandete daher die Entscheidung des AG, das auf der Aufteilung bestand.

Das OLG Oldenburg schloss sich der Auffassung des AG an und bestätigte den Aufteilungsbeschluss mit der Begründung, das Gesetz schreibe nun mal eine hälftige Aufteilung der Rentenansprüche vor und lasse eine Ausnahme in diesem Fall nicht zu.

Ermessensentscheidung bei geringfügiger Differenz möglich

Der Versicherungsträger blieb bei seiner Auffassung, dass die Aufteilung einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursache und legte Rechtsbeschwerde beim BGH ein.

Der BGH stellte in seiner Entscheidung auf § 18 Abs. 1  VersAusglG ab.

Nach dieser Vorschrift soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Anrechte gering ist.

Diese Sollvorschrift räumt dem mit der Entscheidung befassten Gericht ein Ermessen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit des Versorgungsausgleichs im konkreten Fall ein.

Begrenzte Überprüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts

Der Senat stellte klar, dass der BGH als Beschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob die Vorinstanz die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer unsachgemäßen, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Weise Gebrauch gemacht hat. Darüber hinaus dürfe das Beschwerdegericht Feststellungen dazu treffen, ob die Entscheidung der Vorinstanz von ungenügenden oder verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (BGH, Beschluss v. 22.6.2016, XII ZB 490/15).

Abwägung von Verwaltungseffizienz und Teilungsinteresse des Ehegatten

Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat das zur Entscheidung berufene Gericht nach Auffassung des BGH das Ziel des Gesetzes im Auge zu behalten, das darin bestehe, einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts verbunden sein kann, zu vermeiden.

  • Daher seien die Verwaltungseffizienz auf der einen Seite gegen das finanzielle Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen, wobei der Halbteilungsgrundsatz als Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts grundsätzlich immer in Rechnung zu stellen sei.
  • In die im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Abwägung seien deshalb auch die konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute einzustellen und ihre individuelle Versorgungssituation zu berücksichtigen.

Dabei könne sich durchaus herausstellen, dass der Ausgleichsberechtigte auch auf Bagatellbeträge angewiesen sei. In diesem Fall könnten auch Verwaltungskosten des Versorgungsträgers an Bedeutung verlieren (BGH, Beschluss v. 1.2.2012, XII ZB 172/11)

Grundsätze für das Absehen vom Versorgungsausgleich

Diese Gesichtspunkte führen nach der Diktion des BGH im Ergebnis dazu, dass der Ausgleich immer dann unterbleiben kann, wenn

  • der Wert des Anrechts bedeutungslos ist,
  • er erkennbar unter den real entstehenden Verwaltungskosten liegt ,
  • der Ausgleichsberechtigte nicht auf den Bagatellbetrag angewiesen ist und
  • die Teilung sich als insgesamt unwirtschaftlich darstellt. 

Der BGH beanstandet unsachgemäße Ermessensausübung durch das OLG

Aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den anhängigen Fall folgt nach Auffassung des Senats, dass das OLG von dem ihm nach § 18 Abs. 1  VersAusglG eingeräumten Ermessen in unsachgemäßer, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufender Weise Gebrauch gemacht hat.

  • Zwar habe die Vorinstanz richtig erkannt, dass die Durchführung der Teilung durch Verrechnung der Anrechte und Umbuchung der Ausgleichswertdifferenz auf den Versicherungskonten beider Ehegatten regelmäßig keinen besonders hohen Verwaltungsaufwand verursacht und deshalb dem Halbteilungsgrundsatz grundsätzlich der Vorrang gebührt.
  • Nach Auffassung des Senats muss aber auch der eher geringe Aufwand noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem bezwecken Teilungserfolg stehen,
  • was aufgrund des in diesem Fall äußerst geringen Wertes von 7 Cent nicht zu bejahen sei. Das Ermessen sei daher im Ergebnis fehlerhaft ausgeübt worden.

Die Rechtsbeschwerde des Versicherungsträgers hatte daher Erfolg.

(BGH, Beschluss v. 28.9.2016, XII ZB 325/16).

Der Versorgungsausgleich ist, sieht man von dem Begünstigten ab, ein ungeliebtes Kind, auch bei Anwälten und Richtern, denn er ist mit viel Rechenarbeit verbunden. Trotzdem muss sich die Rechtsprechung oft mit Sonderfällen zum Thema beschäftigen:

Gibt es einen Versorgungsausgleich für eine Ehefrau, die sich prostituiert hat?

Oder: Kommt es zur Erhöhung durch Versorgungsausgleich gekürzter Rente nach Tod des begünstigten Ex-Ehepartners?

Und Können übersehene oder vergessene Versorgungsrechte später noch berücksichtigt werden

Hintergrundwissen: Ermittlung der Geringfügigkeit

Maßgeblich für den Ausschluss des Versorgungsausgleiches wegen Geringfügigkeit ist § 18 VersAusglG. Hiernach soll der Versorgungsausgleich – nach Abs. 2 auch bezogen auf einzelne Anwartschaften – bei Geringfügigkeit nicht durchgeführt werden.

§ 18 Abs. 3 VersAusglG definiert die Geringfügigkeit:

  • Diese liegt vor, wenn der Ausgleichswert bezogen auf den Rentenbetrag als Maßstab 1% oder bezogen auf den Kapitalwert als Maßstab 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 IV SGB nicht übersteigt.

  • Der Bezugswert nach § 18 SGB IV ist das Durchschnittsentgelt der Rentenversicherung aus dem vorvergangenen Kalenderjahr (aufgerundet auf den nächsten durch 420 teilbaren Betrag).

  • Im vorliegenden Fall lag dieser nach dem Kapitalwert errechnete Grenzwert bei 3.150 EUR.


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