Rentnerprivileg endgültig vom Tisch
Der 1956 geborene Beschwerdeführer bezieht seit April 2009 Ruhegehalt nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Seine im Jahr 1978 geschlossene Ehe mit einer Arzthelferin wurde im Januar 2011 rechtskräftig geschieden.
Anrechte aus dem Versorgungsausgleich
Im Rahmen des Versorgungsausgleichs hat das Familiengericht
- zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung ein Anrecht des Beschwerdeführers bei der Deutschen Rentenversicherung begründet
- und gleichzeitig zu Lasten des Anrechts des Beschwerdeführers bei der Wehrbereichsverwaltung West ein Anrecht der Ehefrau in Höhe von monatlich 977,76 Euro bei der Wehrbereichsverwaltung West begründet.
Mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils kürzte die Wehrbereichsverwaltung West das Ruhegehalt des Beschwerdeführers um exakt diesen Betrag von 977,76 Euro.
Ehemann rügt Verletzung seiner Eigentumsrechte
Zum Zeitpunkt der Scheidung stand dem Beschwerdeführer noch kein Anspruch auf Leistungen aus dem ihm von seiner früheren Frau übertragenen Anrecht aus dem der gesetzlichen Rentenversicherung zu.
- Auf seinen Antrag hin wurde die Kürzung des Ruhegehaltes in Höhe von knapp 280 Euro ausgesetzt.
- Darauf beantragte auch die Ehefrau eine Aussetzung der Kürzung des Ruhegehaltes des Beschwerdeführers mit der Begründung, ihr stehe bei ungekürztem Ruhegehalt ein Unterhaltsanspruch zu.
Hierauf wurde die Kürzung des Ruhegehaltes um weitere 350 monatlich ausgesetzt. Eine vollständige Aussetzung der Kürzung verweigerte die Wehrbereichsverwaltung. Der Beschwerdeführer verfolgte sein Begehren auf vollständige Aussetzung der Kürzung bis zum OLG, das seinen Antrag aber zurückwies. Hierauf machte der Beschwerdeführer beim BVerfG unter anderem die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) geltend.
Keine grundsätzliche Bedeutung
Das Verfassungsgericht nahm seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Nach Auffassung der Verfassungsrichter kommt der Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung zu, im übrigen seien die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des BVerfG hinreichend geklärt.
Aussetzung von Kürzungen ist nur noch sehr begrenzt möglich
Gegenstand der Prüfung des Bundesverfassungsgerichts war in erster Linie die Vorschrift des § 55 c Abs. 1 Satz 1 SVG in der seit dem 1.9.2009 geltenden Fassung. Hiernach tritt die Kürzung der Versorgungsbezüge eines ausgleichspflichtigen Ehegatten mit der Rechtskraft der familiengerichtlichen Versorgungsentscheidung ein.
Abgesehen von einigen Übergangsregelungen ist eine Aussetzung dieser Kürzung jetzt nur noch in den Grenzen der §§ 32 ff VersorgAusglG möglich.
- Die Aussetzungsmöglichkeiten betreffen im wesentlichen die Fälle, in denen der Ausgleichsberechtigte selbst noch keine Ansprüche auf Altersbezüge geltend machen kann
- und durch die Kürzung seine Unterhaltsansprüche gegen den Ausgleichspflichtigen geschmälert würden.
Darüber hinaus bestehen Aussetzungsmöglichkeiten in Härtefällen, zum Beispiel bei körperlichen Gebrechen.
Gesetzliche Regelung ist verfassungskonform
Diese mit der Strukturreform des Versorgungsausgleichs wirksam gewordenen Regelungen sahen die Verfassungsrichter als verfassungsgemäß an. Insbesondere sei das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Hierdurch würden Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums, unter dessen Schutz Renten und Versorgungsanwartschaften grundsätzlich fallen, in zulässiger Weise definiert (BVerfG, Beschluss v. 6.5.2014,1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13).
Der Gesetzgeber hat Gestaltungsfreiheit
Ebenso wenig sei es verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des ausgleichsberechtigten Ehegatten gekoppelt werde.
- Zwar habe der Gesetzgeber selbst die Aufhebung des Rentner- bzw. des Pensionistenprivilegs zunächst teilweise durchbrochen und diese Durchbrechung später im wesentlichen wieder rückgängig gemacht,
- die Durchbrechung sei aber eine gesetzgeberische Entscheidung gewesen, die verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten gewesen sei (BVerfG, Beschluss v. 9.11.1995, 2 BvR 1762/92).
Versorgungsausgleich führt zu einer Trennung der Versicherungsverläufe
Die Verfassungsrichter stehen ausdrücklich weiter hinter dem Grundsatz, dass eine Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person sich bei der ausgleichsberechtigten Person angemessen auswirken muss, um mit Art. 14 GG vereinbar zu sein. Dies sei bei der aktuell geltenden Regelung aber der Fall.
- Beziehe die ausgleichspflichtige Person zu einem früheren Zeitpunkt eine Versorgung als die ausgleichsberechtigte Person,
- so sei die Rente der pflichtigen Person zwar bereits versorgungsausgleichsbedingt gekürzt, bevor die berechtigte Person Leistungen überhaupt beziehe, dies beruhe jedoch auf der gesetzgeberisch zulässigen Entscheidung der Verselbständigung der Versorgungsanrechte.
Diese folgten nach der ausgleichsbedingten Teilung eigenständigen, voneinander unabhängigen Versicherungsverläufen. Nach dieser Regelung könne umgekehrt ebenso der Fall eintreten, dass die ausgleichsberechtigte Person früher als die ausgleichspflichtige Person eine Rente bezieht und der Rententräger somit Leistung gewähren müsse zu einem Zeitpunkt, zu dem bei Fortbestand der Ehe noch keine Versicherungsleistungen erfolgt wären. In jedem Fall werde der Zweck der Teilung der Anrechte erreicht, der versorgungsausgleichsberechtigten Person ein eigenständiges Versorgungsanrecht zu verschaffen. Dies entspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Entscheidung der Verfassungsrichter erging einstimmig.
(BGH, Beschluss v. 11.12.2014, 1 BvR 1485/12).
Vgl. zum Thema Versorgungsausgleich auch:
Einbeziehung privater Rentenversicherung in den Versorgungsausgleich
Erhöhung durch Versorgungsausgleich gekürzter Rente nach Tod des begünstigten Ex-Ehepartners
Übersehene oder vergessene Versorgungsrechte können später nicht mehr berücksichtigt werden
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